Östersund/Essen. . Simon Schempp gilt als Biathlet, der das Zeug hat, ganz vorne dabei zu sein. Allerdings muss er dafür lernen, im Zweikampf die Ellenbogen auszufahren.

Das winterliche Déjà-vu ereilte Simon Schempp gleich im ersten Rennen. Die vorletzte Kurve hatte der Schlussläufer der deutschen Mixed-Staffel vorbildlich genommen, so dass er im Dreikampf mit dem Franzosen Martin Fourcade und dem Norweger Lars Birkeland vor dem Schlussspurt die schwäbische Nase vorn hatte. Nach den finalen Stockschüben der drei Herren sah die Sache dann allerdings anders aus: Fourcade, der Super-Biathlet der letzten Jahre, trommelte sich hinter dem Zielstrich einmal mehr als Sieger gegen die Brust. Und direkt dahinter gewann auch Birkeland das Duell mit Schempp.

Den Ellenbogen ausfahren

Das Gefühl, bei solch nervenaufreibenden Kopf-an-Kopf-Sprints den Kürzeren zu ziehen, kennt der Mann von der Ski Zunft Uhingen aus dem vergangenen Winter nur zu genau. Im neuesten Fall rutschte ihm in der letzten Kurve Fourcades linker Ski auf seinen rechten, Schempp kam dadurch aus dem Rhythmus – und wappnete sich kurz darauf für den nächsten Nahkampf. „Ich sollte einfach meine Linie halten, auch wenn’s dann mal zwei schmeißt oder einer meinen Stock abkriegt“, überlegte er mit leicht grimmigem Blick und schrieb sich ins eigene Auftragsbuch: „Ich muss künftig einfach ein bisschen mehr Drecksau sein.“

Dem Bundestrainer sprach der 26-Jährige damit aus der Seele. „Das würde ich so bestätigen“, erklärte Mark Kirchner, der dem zurückhaltenden Schempp empfahl, demnächst „den Ellenbogen mehr auszufahren“, ihn aber auch aufmunterte: „Er lernt dazu.“

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Stark vor den schwarzen Scheiben

Am Mittwoch, wenn die Skijäger in Östersund ihr erstes Einzelrennen der Saison bestreiten, müssen die Grenzen des Erlaubten nicht ausgelotet werden: Im Klassiker über 20 Kilometer wird in Abständen von 30 Sekunden gestartet, jeder kämpft vor allem gegen die Uhr, zudem liegt der Fokus wegen des speziellen Reglements – eine Strafminute pro Fehlschuss – verstärkt auf dem Schießen. Als gutem Schützen kommt Schempp das gelegen, und seine Performance war im gemischten Doppel am Sonntag verheißungsvoll.

Überhaupt geht der olympische Silbermedaillengewinner mit der Staffel erhobenen Hauptes in den Winter – was vor allem an den letzten Rennen vor Sotschi lag. In Antholz gewann Schempp, dessen enormes Potenzial schon der frühere Bundestrainer Frank Ullrich lobte, seine ersten zwei Weltcuprennen – ehe er bei Olympia mitunter hauchdünn an einer Einzelmedaille vorbeirutschte. „Die Siege in Antholz“, sagt Schempp nun, „haben mir gezeigt, dass es an einem perfekten Tag auch bei einem Großereignis wirklich für ganz vorne reichen kann. Und das gibt mir einfach eine bestimmte Gewissheit.“

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Zudem habe ihn der Blick von der obersten Stufe des Podests „auch ein bisschen lockerer gemacht“. Nachlässigkeiten will er sich aber nicht gestatten, schließlich ist der Konkurrenzkampf gerade im starken und sehr ausgeglichenen Männerteam des DSV groß. Für Schempp („Ich hoffe, dass die letzte Saison mein Durchbruch war“) ist das nur ein zusätzlicher Ansporn, die in ihm schlummernden Fähigkeiten konsequent freizulegen.

Jedes Jahr besser werden

„Mein Ziel ist es, jedes Jahr noch besser zu werden“, betont er, hat dabei aber auch die mysteriösen Müdigkeitsattacken im Hinterkopf, die ihn in der Vergangenheit heimsuchten. Als Ursache wurde damals Übertraining diagnostiziert. Schempp sagt: „Da bewegt man sich leicht an der Grenze.“ Diese nicht zu überschreiten, ist eine weitere Herausforderung für Simon Schempp. Neben der Suche nach der Drecksau in sich selbst.