Essen. Kaum ein Fußball-Kommentator ist so umstritten wie Marcel Reif. Jetzt hört der Kommentator beim Pay-TV-Sender Sky auf und lässt seine Zukunft offen.

Marcel Reif erlebt sein Finale. Zum letzten Mal sitzt der Sportjournalist am Samstag für Sky hinter dem Mikrofon, kommentiert das Endspiel der Champions League zwischen Real und Atlético Madrid. Mancher Fußballfan wird den Abschied bedauern, mancher wird sich freuen.

Nach 17 Jahren beim Pay-TV-Sender Sky macht Marcel Reif Schluss

Reif ist einer der populärsten, aber auch einer der umstrittensten Kommentatoren. Nach zuletzt 17 Jahren als Chef-Kommentator beim Pay-TV-Sender Sky macht er nun Schluss, mit 66 Jahren ist er ja auch im Rentenalter. Beim ZDF hat er zuvor 22 Jahre gearbeitet und auch fünf Jahre bei RTL.

Reif: "Jede Woche Bundesliga ist unvorstellbar"

Wird das am diesem Samstag ein besonderes Spiel oder eine Partie wie jede andere?

Marcel Reif: Vom Ansatz her wird das erst mal ein Champions-League-Finale, ein großartiges Spiel. Punkt. Ende. Den Rest warte ich mal ab. Das mag ich jetzt noch nicht so an mich ranlassen.

Bei der EM sind Sie für verschiedene Medien im Einsatz. Was passiert danach? Bleiben Sie Kommentator, gehen Sie in Rente, zurück in den Politikjournalismus?

Reif: Nein, ich werde schon bei meinen Leisten bleiben. Ich kann ja jetzt nicht sagen: "Hallo, ich bin wieder da, jetzt mache ich wieder Politik". Da muss man sein Berufsleben schon kontinuierlich führen. Nein, ich schließe momentan gar nichts aus und höre mir viele Dinge an. Ein Buch ist schon vereinbart. Aber jede Woche in ein Bundesligastadion gehen, das kann ich mir nicht mehr vorstellen. Eines weiß ich ganz sicher: Nichts wird passieren, was mir keinen Spaß macht.

Wie stark werden Sie denn Bierduschen, Schmähgesänge und böse Internetkommentare vermissen, die hatten ja zuletzt atemberaubende Dimensionen erreicht.

Reif: Das werde ich sicher nicht vermissen, aber es gehörte zum Glück auch nicht zum Standard. Auf Kommentare im Netz gehe ich nicht ein, weil die meist anonym sind, und dazu habe ich keine Lust. Ich habe an Kommunikation einen viel zu hohen Anspruch. Sie haben sich gerade mit Namen vorgestellt, mich begrüßt und jetzt reden wir miteinander. Für alles andere bin ich zu alt.

Manche Fans bewundern ihn, weil er 1998 mit Günther Jauch die legendäre Dortmunder Partie in Madrid kommentierte, als ein Tor umgefallen war und ein neues geholt werden musste. Und in der mehr als einstündigen Wartezeit sagte: "Noch nie hätte ein Tor einem Spiel so gut getan."

Er wurde unter anderem mit dem Deutschen Fernsehpreis und dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. Jedermanns Liebling war Reif trotzdem nie und will es auch nicht ein. Seine Ironie versteht nicht jeder. Seine Eitelkeit schätzt nicht jeder. Vor allem viele Anhänger von Borussia Dortmund mögen den Fußball-Kommentator nicht.

BVB-Anhänger sorgten für die beiden unangenehmsten Momente in seiner Karriere. Im Februar 2015 nahmen Fans des Bundesligisten den Fußball-Reporter zwei Mal auf äußerst unangenehme Art ins Visier.

Nach einer Attacke mit Bierbecherwurf und bösen Drohungen in Dresden kritisierte Reif "eine neue Qualität, seitdem habe ich ein anderes Gefühl. So einen Hass habe ich noch nicht gesehen." Schlimmer als die geworfenen Becher seien die verbalen Attacken gewesen, sagte er.

Reif fehlte es "zuletzt auch an der notwendigen Spannung"

Wenige Tage zuvor war er bereits beim Revier-Derby zwischen Dortmund und Schalke 04 bedroht worden. Stadionbesucher hatten an seinem Auto, in dem auch seine Frau saß, gerüttelt und auf das Dach geschlagen. Die Polizei musste eingreifen und dem TV-Journalisten aus der bedrohlichen Situation helfen.

Mit seiner Entscheidung, nun bei Sky aufzuhören, habe dieser Ärger "überhaupt nichts zu tun", sagte Reif jetzt dem "Kicker". Er habe gemerkt, dass er "die Routine, das Murmeltier nicht mehr brauche. Es fehlte zuletzt auch an der notwendigen Spannung, jedes Wochenende eine Bundesligapartie zu kommentieren." Tatsächlich verwechselte Reif zuletzt Spieler des FC Bayern. Oder nannte die Augsburger Profis Jeong-Ho Hong und Ja-Cheol Koo schlicht und verwechselungssicher einfach nur "die Koreaner".

Bei seinem letzten Auftritt für Sky in Mailand sind keine Bayern-Spieler dabei und auch keine Koreaner. Was danach kommt? Er sagt, er weiß es nicht. "Die Option, nichts zu machen, ist da." Mancher Fußballfan wird sich freuen, mancher wird es bedauern. (dpa)