Bielefeld. Die drei Punkte auf der Alm waren überlebenswichtig für Rot-Weiss Essen. Bei Aufstiegskandidat Arminia Bielefeld sorgen die Fans für Verärgerung.

Torhüter Jakob Golz musste kurz überlegen, wann der letzte Auswärtssieg mit Rot-Weiss Essen auswärts in dieser Saison gefeiert werden durfte. Im Sommer war es, Ende August, beim 3:1-Sieg in Hannover - lang lang ist‘s her. War die Saison damals noch recht jungfräulich, so wird der 2:1-Sieg bei Arminia Bielefeld an diesem Sonntag, der deutlicher ausfiel, als es das Ergebnis aussagt, unter der Rubrik „überlebenswichtig“ einzuordnen sein. Der zweite Sieg in dieser Spielzeit hintereinander - RWE sieht wieder Land.

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Es war das Ergebnis der wohl stärksten Auswärtsleistung - neben Dresden - in dieser Saison, die Mannschaft war im Vergleich zur Rückrundenpleite in Aachen nicht wieder zu erkennen und lieferte diesmal eine blitzsaubere Leistung ab. Ruhig und sachlich, ohne Jubelpose, analysierte RWE-Trainer Uwe Koschinat danach die 94 Spielminuten. „Heute war es wirklich ein Sieg der Leidenschaft, der Solidarität. Ich glaube, dass wir in der zweiten Halbzeit unglaublich viel wegverteidigen mussten. In unserer Situation war es ganz wichtig, den zweiten Dreier in Folge zu setzen. Ich glaube, dass die Menschen erkannt haben, dass diese Truppe bereit ist, sich mit allem zu wehren, und das wir so auch für eine Überraschung sorgen können.“

DSC Arminia Bielefeld - Rot-Weiss Essen
Blieb ruhig und bedächtig, auch an alter Wirkungsstätte: RWE-Trainer Uwe Koschinat. © FUNKE Foto Services | Thorsten Tillmann

In der Tat konnte man gerade in den ersten 45 Minuten nicht erkennen, wer hier auf dem Platz den Anschluss an die Aufstiegsplätze sucht und wer sich gegen den Abstieg zur Wehr setzen musste. In der zentralen Abwehr der Rot-Weissen war überhaupt kein Durchkommen für die Arminia, die in ihren Angriffsbemühungen nicht gerade vor Kreativität strotzte.

Rot-Weiss Essen: Kraulich meldete Neuzugang Grodowski komplett ab

Und auf der linken Abwehrseite degradierte Tobias Kraulich Bielefelds Neuzugang Joel Grodowski zur Bedeutungslosigkeit. Wenn es hinten etwas zugiger wurde, dann über den Ex-Essener Isi Young, der Rios Alonso schwer zu schaffen machte. Als sich Essens Verteidiger auch noch die Gelbe Karte einfing, war Trainer Koschinat zum Handeln gezwungen. „Ich habe mich in der Pause entschieden, Rios Alonso, unseren stärksten Zweikämpfer, vom Feld zu nehmen, weil er sich keine weiteren harten Zweikämpfe hätte erlauben können.“ Seine Position übernahm Eric Voufack; Julian Eitschberger, der auf rechts für mächtig Schwung nach vorne gesorgt hatte, war fortan mehr mit Defensivaufgaben beschäftigt.

DSC Arminia Bielefeld - Rot-Weiss Essen
Gut gelaunt: Tom Moustier machte ein starkes Spiel für RWE. © FUNKE Foto Services | Thorsten Tillmann

Zu allem Können gesellte sich bei den Essenern endlich auch mal wieder das Matchglück: Als der vorne schwer agile Dominik Martinovic einmal von außen nach innen zog und abzog, hielt Torben Müsel - gewollt oder ungewollt - das feine Füßchen hin, sodass die Kugel unhaltbar ins Netz abgefälscht wurde. Davor hatte Müsel, der mit seiner Ballruhe und Technik dem Spiel nach vorne die nötige Sicherheit gibt, schon Pech mit einem Kopfball, den Torhüter Jonas Kersken mit Mühe zur Ecke lenken konnte.

RWE-Torhüter Golz klärte zweimal mit spektakulären Paraden

Nach der ersten Druckphase der Arminia nach der Pause entschied sich die Partie in zwei unmittelbaren Spielzügen: Gerade noch hatte der überragende Golz mit einem spektakulären Reflex einen Kopfball entschärft, da lief der Gegenangriff, Bielefelds Louis Oppie rutschte im Zweikampf mit Martinovic weg - und der spielte Ahmet Arslan genau in den Lauf, der vor dem Bielefelder Tor eiskalt blieb und dann seinen speziellen Jubel vor dem prall gefüllten Essener Gästeblock zeigte (62.).

Natürlich konnte Rot-Weiss in der Folgezeit nicht alles wegverteidigen, und nachdem Martinovic und Arslan ausgewechselt wurden, vermisste man auf Gästeseite den einen oder anderen klaren Konter, so sehr sich die läuferisch starken Einwechselspieler Kaito Mizuta - von Pfiffen der Heimfans begleitet - und Nils Kaiser auch um Entlastung bemühten. Doch der Anschlusstreffer auf der Gegenseite durch Noah Sarenren Bazee (78.) blieb die kärgliche Ausbeute der Gastgeber an diesem Nachmittag.

Rot-Weiss Essen: Bielefelds Coach Kniat fassungslos über die Pfiffe

„Eine sehr sehr bittere Niederlage, die wir uns selbst zuschreiben müssen - die erste Halbzeit war für uns der Knackpunkt“, analysierte ein enttäuschter Bielefelder Coach Michel Kniat, der sich nach 30 Minuten schon die ersten Pfiffe und am Ende „Kniat-Raus“-Rufe anhören musste: „Ich bin seit eineinhalb Jahren hier, mich kann nicht mehr so viel schocken. Nach 90 Minuten kann man ein Spiel bewerten, nach 30 Minuten zu pfeifen, wenn man nach hinten spielt, hilft keinem.“

Pfiffe muss sein Kollege nach diesem runden Auftritt nicht befürchten, das Gegenteil wird nun gegen den Tabellenletzten Unterhaching (Sa., 14 Uhr) der Fall sein. Vielleicht die größte Aufgabe Koschinats in den nächsten Tagen, die kleine Euphorie entsprechend zu kanalisieren. „Wir dürfen uns jetzt nicht wieder beruhigt hinlegen“, sagte Koschinat gegenüber dem WDR-Kollegen am Mikrofon. Und später: „Das Wichtigste, was in einem großen Verein in dieser Phase funktionieren muss, ist, dass die Mannschaft klar ausstrahlt, dass sie sich mit allem wehrt. Wir sind nach dem Aachenspiel sehr in die Kritik geraten, uns wurden alle Attribute abgesprochen. Nun haben wir zwei völlig unterschiedliche Siege errungen, gegen zwei völlig unterschiedliche Mannschaften, tabellerisch. Insofern wird es wichtig sein, gegen Unterhaching nicht die Nerven zu verlieren. Ich denke, dass wir die Menschen jetzt erst mal hinter uns haben, aber wir müssen auch verstehen, dass ein gutes Saisonergebnis nicht vom Unterhachingspiel abhängt. Jetzt wird die Frage gestellt: Können wir ein solches Spiel, was vielleicht auch mal zäh wird, auch gewinnen?“

Die Auflösung gibt es Samstag gegen 15.45 Uhr.

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