Antalya. Rot-Weiss Essen geht in der Winterpause in die Transfer-Offensive. Vorstandschef Marc-Nicolai Pfeifer berichtet über die finanzielle Lage bei RWE.
Die Gunst der Stunde möchte Marc-Nicolai Pfeifer (44) nutzen. Das Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden im Trainingslager von Fußball-Drittligist Rot-Weiss Essen im beliebten türkischen Urlaubsort Antalya soll auf der Sonnenterrasse des Hotels „Concorde de Luxe Resort“ geführt werden. Während es in der Heimat den ersten Wintereinbruch mit reichlich Schnee gibt, darf sich RWE in der Türkei unter optimalen Bedingungen auf die für den Verein wegweisende Rückrunde in der 3. Liga vorbereiten.
+++ Kaderplaner, Mitarbeiter-Fluktuation, Etat: Teil 2 des RWE-Interviews lesen Sie hier +++
Um sich für den Klassenerhalt zu rüsten, ist der Verein auf dem Transfermarkt in die Offensive gegangen. In Klaus Gjasula (35, Darmstadt 98) und Dominik Martinovic (27, Slaven Belupo) wurden zwei für Drittliga-Verhältnisse namhafte Spieler verpflichtet. Weitere Transfers sollen folgen. Doch wie kann sich RWE Spieler dieser Kalibers leisten? Zu dieser und weiteren Fragen bezieht Pfeifer im ersten Teil unseres Interview klar Stellung.
Rot-Weiss Essen: Trainingslager in der Türkei bisher ein Erfolg
Marc-Nicolai Pfeifer, Rot-Weiss Essen ist zusammen mit vielen Fans seit Montag in Antalya. Wie nehmen Sie die Stimmung bisher wahr?
Sehr positiv. Ich glaube, dass die Fans sehr glücklich sind. Gute Konditionen, gutes Wetter, tolles Hotel und vor allem Nähe zur Mannschaft. Was man sich von einem Trainingslager vorstellt, bekommt man hier. Entscheidend für die Fans ist die Nähe zur Mannschaft, um diese Menschen auf verschiedene Weise kennenzulernen. Nicht nur den Spieler, sondern auch den Menschen. Ich denke, es zeichnet uns als Rot-Weiss Essen aus, eine persönliche und familiäre Verbindung aufzubauen. Wir sind mit dem Veranstalter tsstur, der gleichzeitig unser Sponsor ist und uns dieses Trainingslager ermöglicht, sehr zufrieden und dankbar. Das ist wirklich top.
Die vielversprechenden Wintertransfers dürften auch zur positiven Stimmung beigetragen haben, oder?
Die Wintertransfers haben sicher auch einen Beitrag geleistet, um eine gewisse Zuversicht für die Rückrunde zu haben. Ich erlebe das Team hier sehr fokussiert und konzentriert. Und wir als Verantwortliche versuchen, die Mannschaft so gut wie möglich zu unterstützen, gleichzeitig ist natürlich weiterhin der Blick auf den Transfermarkt in beide Richtungen da. Auch das Trainerteam nehme ich positiv wahr. Die neuen Spieler haben auch dem gesamten Trainerteam zusätzliche Zuversicht gegeben, auch die ersten Trainingseindrücke bestätigen das. Insgesamt haben wir hier einen guten Mix. Trainer und Mannschaft merken, dass der Rückhalt der Fans da ist. Zusammenfassend nehme ich die Stimmung mit Blick auf unsere sportliche Situation als angemessen angespannt, aber positiv wahr.
Rot-Weiss Essen: 3. Liga überrascht von RWE-Transfers
Die Verpflichtungen von Klaus Gjasula und Dominik Martinovic wurden von der Konkurrenz verwundert zur Kenntnis genommen. Viele Außenstehende stellen sich die Frage, wie sich RWE diese Spieler leisten kann. In Fankreisen gibt es die Sorge, dass der Verein finanziell zu sehr ins Risiko gehen könnte. Können Sie das aufklären?
Zunächst einmal ist es positiv, dass die beiden Kernpositionen, die wir uns für den Transfermarkt vorgenommen hatten, besetzt werden konnten. Bei der Bewertung, ob es sich langfristig um gute Transfers handelt, sind wir etwas zurückhaltender als die Konkurrenz. Da muss man immer abwarten, da spielen bei Zugängen immer verschiedene Faktoren eine Rolle. Aber wir sind natürlich überzeugt von den Spielern, sonst hätten wir sie nicht verpflichtet.
Das Thema Mittel möchte ich etwas ausführlicher beantworten, auch vor dem Hintergrund, dass immer wieder Fragen aufgekommen sind. War man im letzten Jahr nicht mutig genug? Hätte man nicht schon im Sommer investieren müssen, um gar nicht erst in die Bredouille zu kommen? Da ist die Aussage eindeutig und klar: Die Teams in der Verwaltung haben Großartiges geleistet in den ersten sechs Monaten der aktuellen Spielzeit. Am Ende sind wir ein Fußballverein, da geht es um Tore, Punkte und die Tabelle. Nichtsdestotrotz gibt es eine Abhängigkeit von den finanziellen Mitteln. Innerhalb dieser sechs Monate ist es uns entgegen der Ursprungsplanung gelungen, das Finanzergebnis signifikant zu verbessern. Das Verbesserungspotential konnten wir nun im Winter in den Gremien zur Diskussion bringen und dann mit gutem Gewissen die Entscheidung treffen, diese freizugeben. Was immer Credo war, in der vergangenen Spielzeit, in der aktuellen Spielzeit und in der Zukunft immer sein wird, ist, dass wir nur die Mittel investieren können, die wir auch wirklich haben. Wir veranstalten hier sicher kein finanzielles Harakiri, das wird es mit uns nicht geben.
Rot-Weiss Essen: Miete für die Verwaltung wurde halbiert
Also wurde an der Kostenstruktur geschraubt. Was ist konkret geändert worden?
An zwei Stellschrauben haben wir hart gearbeitet. Das eine ist die Kostenstruktur. Wir haben einen klaren Plan. Wir glauben, dass wir einen Aufwand haben, der überdurchschnittlich für einen Drittligisten ist. Mit einer anderen Herangehensweise, durch Prozesse, die wir initiiert haben und veränderte Strukturen, sparen wir nicht im klassischen Sinne, sondern wir setzen die Mittel besser ein. Es ist eigentlich kein Kostensenkungsprogramm, sondern ein Effizienz- und Verschiebungsprogramm. Zwei Beispiele: Wir hatten 50.000 Euro für eine Agentur investiert, damit diese für uns Leistungen im Marketing umgesetzt hat. Da haben wir gesagt: Entweder verzichten wir darauf oder wir machen daraus ein Sponsoring. Wir haben auch rund 100.000 Euro an Miete für die Verwaltung bezahlt. Da haben wir gesagt, dass wir das weder können noch wollen. Die Konditionen wurden nahezu halbiert. Maßnahme für Maßnahme wurde geplant, verschriftlicht und umgesetzt. So konnten wir uns auf der nichtsportlichen Aufwandsseite signifikant verbessern.
„Entgegen der Ursprungsplanung konnten die Erlöse signifikant angehoben werden. Unser Hauptsponsor IFM hat dazu einen großen und relevanten Betrag beigetragen“
Und die zweite Stellschraube?
Das zweite Thema ist das Team von Alexander Rang und das Sponsoring, dort wurde Großartiges geleistet. Entgegen der Ursprungsplanung konnten die Erlöse signifikant angehoben werden. Unser Hauptsponsor IFM hat dazu einen großen und relevanten Betrag beigetragen. Das war auch darauf zurückzuführen, dass Vertrauen in die handelnden Personen in einem hohen Ausmaß vorhanden ist. Eine größere und viele weitere ertragreiche Maßnahmen im Sponsoring haben einen großen Beitrag geleistet, für die wir uns von Herzen bedanken möchten.
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Welche Rolle haben die bekannten DFB-Auflagen bei der Planung zur Erhöhung des Etats gespielt?
Wir haben im Zuge einer strategischen Entscheidung mit Vorstand und Aufsichtsrat gesagt, dass wir die Auflage zur Planqualität bewusst anders angehen. Der DFB prüft bei dieser Quote, ob die eigenen Planzahlen erreicht werden – das sagt wenig über die eigentliche Wirtschaftskraft aus. Diese Auflage wurde hier in den Planungen auf einem Niveau veranschlagt, das für einen Drittligisten unrealistisch war. Wenn wir das zum Maßstab genommen hätten, hätten wir im Winter sagen müssen, dass wir gar nichts investieren – obwohl wir ja deutlich über Plan abgeliefert haben. Und dann verzichten wir in einer sportlich schwierigen Situation auf Transfers, nur um eine Auflage zu erfüllen, über deren Relevanz man sowieso grundsätzlich diskutieren kann. Wir haben uns also bewusst gegen diese Auflage entschieden, weil es keine gravierenden Folgen für uns gibt, dagegen zu verstoßen. Um das noch mal ganz klar zu formulieren: Wir sind trotz der weiteren Investitionen durchfinanziert und gehen weiter von einem positiven Jahresergebnis aus.
Rot-Weiss Essen: Mittel waren „im letzten Jahr nicht da“
Die sportliche Situation dürfte aber auch keinen anderen Weg zugelassen haben, oder? Denn ein Abstieg in die Regionalliga wäre wesentlich teurer.
Wir machen alles mit Bedacht und werden sicher kein Geld ausgeben, das wir nicht haben. Aber klar ist auch: Wir sind keine Bank, wir sind ein Fußballverein. Wir wollen immer fleißig in der Verwaltung sein und gute finanzielle Ergebnisse erzielen, die dann dazu führen, dass wir in den Sport investieren. Das geht nur, wenn die Mittel zur Verfügung stehen. Im letzten Jahr waren die Mittel nicht da, um den nächsten Schritt zu gehen. Den haben wir nun machen können, um die Chancen auf den Klassenerhalt zu erhöhen.