Essen. Die beiden Talente Arne Wessels und Conor Tönnies stehen vor Wechseln zu U23-Teams. Hat Rot-Weiss Essen eine Chance verpasst? Ein Faktencheck.
Die Aufregung ist groß in der Essener Fußballszene und bei den Fans von Rot-Weiss Essen. Am Donnerstag machte der RevierSport öffentlich, dass die beiden großen Essener Talente Arne Wessels (18) und Conor Tönnies (18) in der kommenden Saison mit großer Wahrscheinlichkeit nicht für RWE spielen werden. Wessels steht vor einem Wechsel zur U23 von Borussia Dortmund, Tönnies, der Neffe der verstorbenen MSV-Legende Michael Tönnies, hat sich mit Fortuna Düsseldorf II geeinigt. Lediglich die Unterschriften unter den Verträgen fehlen noch, zudem müssen sich die Dortmunder und Düsseldorfer mit dem Oberligisten SpVg Schonnebeck in Sachen Ablösesumme einigen. Beide stehen bis zum Sommer 2026 bei ihrem Essener Heimatklub unter Vertrag. Der Amateurverein erntet die Früchte seiner guten Jugendarbeit.
Die Personalien Wessels und Tönnies sorgen für reichlich Gesprächsstoff, vor allem im Fanlager von Rot-Weiss Essen. Der Fußball-Drittligist habe nach Meinung vieler Außenstehender das Talent der beiden Offensivspieler zu spät erkannt und nicht genug getan, um beide an die Hafenstraße zu locken. Hat RWE tatsächlich geschlafen? Wir machen den Faktencheck.
Rot-Weiss Essen wollte Arne Wessels verpflichten
Drittligist RWE hatte sich zuletzt vor allem um Wessels bemüht, der in der laufenden Saison für Oberliga-Spitzenreiter Schonnebeck wahnwitzige Zahlen abliefert. In zwölf Spielen gelangen dem pfeilschnellen Linksaußen 18 Tore und elf Vorlagen. Wessels war somit an 62 Prozent aller Tore der „Schwalben“ direkt beteiligt. In seiner Entwicklung sah die sportliche RWE-Führung um Sportdirektor Christian Flüthmann und Direktor Profifußball Marcus Steegmann Wessels einen Schritt weiter als den gleichaltrigen Tönnies, der seiner Mannschaft mit seiner unorthodoxen Spielweise nicht nur mit Scorerpunkten weiterhilft.
Wessels wurde von den Essenern mit seinem Berater Jürgen Rehberg am 25. September zum RWE-Heimspiel gegen den BVB II eingeladen. Es kam zu einem Austausch mit den RWE-Verantwortlichen. Der Wunsch der Rot-Weissen, Wessels im kommenden Sommer verpflichten zu wollen, wurde hinterlegt.
Rot-Weiss Essen: BVB-Angebot für Wessels deutlich besser
Doch zum aktuellen Zeitpunkt kann RWE mit der Konkurrenz aus der Bundesliga nicht mithalten. Rot-Weiss Essen hatte zudem Bedenken, einen 18-Jährigen, der aus der zwei Klassen tieferen Oberliga kommt, zu einem der Top-Verdiener im Essener Profikader zu machen. Im Nachwuchsbereich von Borussia Dortmund ist die Bezahlung kein Hinderungsgrund. Das Angebot des BVB war für Wessels somit auch finanziell attraktiver. Zudem befürchtete das Wessels-Lager, dass der 18-Jährige im nächsten Jahr bei RWE nicht die nötigen Einsatzzeiten erhalten könnte. Abschreckende Beispiele sind die Eigengewächse Gianluca Swajkowski und Mustafa Kourouma, die in dieser Saison kaum zum Zug kommen. Diese Bedenken konnten in den Gesprächen nicht ausgeräumt werden, eine Einsatzgarantie für einen 18-Jährigen gibt es im Profibereich nicht.
Deutlich größere Chancen hätte Rot-Weiss Essen im vergangenen Sommer gehabt. Wessels und Tönnies machten in der letztjährigen U19-Saison unter Conors Vater Dirk Tönnies und Co-Trainer Matthias Bloch einen großen Entwicklungsschritt. Wessels (24 Tore) und Tönnies (21 Tore) waren die Top-Torjäger in der U19-Niederrheinliga, in der auch die A-Jugend von RWE spielte, und machten ihre ersten Schritte im Oberliga-Team der Schonnebecker. Bei Wessels gab es von RWE-Seite eine zaghafte Anfrage, der Angreifer blieb jedoch am Schetters Busch. Von einem Vertragsmodell mit einem Leih-Wechsel nach Schonnebeck hätten die Rot-Weissen am meisten profitiert, doch dazu kam es nicht. Offenbar war man an der Hafenstraße vor einigen Monaten nicht restlos davon überzeugt, dass sowohl Wessels als auch Tönnies der Sprung aus der U19-Niederrheinliga bis in den Profifußball zeitnah gelingen wird.
Wessels und Tönnies: NLZ-Klubs schätzten Entwicklung falsch ein
Rot-Weiss Essen ist jedoch nicht der einzige Profiklub in der Umgebung, der die Entwicklung von Wessels und Tönnies im Jugendbereich falsch eingeschätzt hat. Wessels spielte im zweiten Halbjahr des Jahres 2019 für ein halbes Jahr im Essener Nachwuchsleistungszentrum und konnte sich nicht durchsetzen. Auch bei Schalke 04 und Fortuna Düsseldorf traute man ihm den großen Sprung nicht zu. Wessels war den Trainern zu schmächtig. Ein Problem, das viele Talente im deutschen Nachwuchs haben. Jungen Fußballern wird zu wenig Zeit zur Entwicklung gegeben, wer nicht sofort dabei helfen kann, bessere Ergebnisse zu erzielen, wird im Haifischbecken NLZ häufig aussortiert.
Mehr News zu Rot-Weiss Essen
- RWE: Brumme-Berater bringt Abschied im Winter ins Spiel
- RWE-Kommentar: Ein Rückfall in alte Zeiten für Rot-Weiss Essen
- RWE: Offensive enttäuscht auf ganzer Linie - so reicht es nicht
- Kraulichs Eigentor vergrößert die Sorgen von Rot-Weiss Essen
- RWE: Baack, Jahn, Gjasula - diese Sechser würden Essen helfen
Conor Tönnies kam bisher ohne einen Wechsel in ein Nachwuchsleistungszentrum aus. Der Stürmer spielt seit den Anfängen bei den Bambinis ohne Unterbrechung unter seinem Vater Dirk Tönnies am Schetters Busch. Im Sommer führt ihn sein Weg aller Voraussicht nach in die NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf.
Fazit des Faktenchecks: Rot-Weiss Essen hat wie andere Profiklubs auch die Entwicklung von Wessels in seiner Jugendzeit falsch eingeschätzt. Dass der 18-Jährige in Schonnebeck so explodiert, war für die meisten Scouts und Trainer nicht absehbar. Auch Tönnies hat sich enorm weiterentwickelt. Im vergangenen Sommer hätte sich RWE intensiver um Wessels und Tönnies bemühen können. Damals fehlte jedoch die restlose Überzeugung, dass beiden der große Sprung von der Oberliga in die 3. Liga zeitnah gelingen kann. Ein Leihgeschäft mit dem Essener Klub SpVg Schonnebeck wäre rückblickend die sinnvollste Option gewesen.
Rot-Weiss Essen konnte nur mit Emotionen punkten
Geschlafen hat RWE in den letzten Monaten nach der enormen Leistungssteigerung des Duos nicht. Vor allem um Wessels haben sich die Essener bemüht, gegen die Bundesliga-Konkurrenz ist Rot-Weiss in Sachen Finanzen und sportliche Perspektive machtlos. Lediglich mit Emotionen hätte RWE beim gebürtigen Essener punkten können. Das reichte gegen den BVB nicht aus.
Bei Conor Tönnies waren die Bemühungen sehr zurückhaltend. Die Regionalliga wird als sinnvollerer nächster Schritt für den Angreifer erachtet. Sollte sich Tönnies langfristig bei den Düsseldorfer Profis durchsetzen, wird sich die Essener Fangemeinde an diese Einschätzung sicher zurückerinnern.