Unterhaching. Zwölf externe Zugänge hat Rot-Weiss Essen vorgestellt. Der Umbruch war groß, der Start holprig. Konnten die Abgänge ersetzt werden? Eine Analyse.
Mit dem Start in die neue Drittliga-Saison kann Rot-Weiss Essen nicht zufrieden sein. Nur vier Punkte hat RWE nach vier Spielen auf dem Konto, am Sonntag gab es eine vermeidbare Niederlage in Unterhaching. RWE-Trainer Christoph Dabrowski betonte nach dem Spiel erneut, dass noch viel Arbeit auf ihn und sein Team warte. Der Verein hat auf allen Ebenen einen großen Umbruch vollzogen, auf der Führungsebene, aber vor allem auch auf dem Platz.
In Felix Götze (Paderborn), Vinko Sapina (Dynamo Dresden), Cedric Harenbrock (Rostock), Isaiah Young (Bielefeld) und Marvin Obuz (1. FC Köln) haben fünf Stammspieler den Klub verlassen. Zwölf externe Zugänge wurden präsentiert. Am diesem Montag stellten die Essener Joseph Boyamba als letzten Neuzugang vor. Ist der Kader nun stark genug, um den Erfolg der letzten Saison zu wiederholen, als RWE bis zum vorletzten Spieltag um den Aufstieg mitspielte? Welchen Eindruck haben die Neuzugänge bisher hinterlassen und was ist von ihnen zu warten? Unsere Transferanalyse mit Hilfe der Datenprofis von Createfootball liefert Antworten.
Rot-Weiss Essen: Die zwölf Zugänge in der Kader-Analyse
Joseph Boyamba (28, SV Elversberg): Der flexible Flügelspieler Joseph Boyamba wurde am Montag an der Hafenstraße vorgestellt. Zuletzt spielte der Linksfuß für den Zweitligisten SV Elversberg, wo er in der Kaderplanung keine Rolle mehr spielte und nun ablösefrei nach Essen wechselte. Der 28 Jahre alte Boyamba kann alle Positionen in der Offensive bekleiden, bevorzugt aber die Außenbahn auf der rechten Seite. Durch seine Erfahrung kann er Stabilität in den jungen Angriff der Essener reinbringen. Mit Boyamba, Meisel, D‘Haese und Safi hat RWE nun jede Menge Tempo und Qualität im Dribbling auf dem Flügel.
Kelsey Meisel (20, Schalke II): Der beidfüßige Außenstürmer Kelsey Meisel kommt von der zweiten Mannschaft des FC Schalke 04 und soll der Offensive der Essener neues Leben einhauchen. Dass er dazu in der Lage ist, hat er nach seiner Einwechslung in Unterhaching bewiesen. Mit nur 20 Jahren hat er schon in 30 Regionalligaspielen zehn Tore und zwei Vorlagen erzielt. Der trickreiche und wendige Deutsch-Ghanaer bringt mit seiner Ballsicherheit und seinem Tempo am Ball wichtige Komponenten für das Essener Offensivspiel mit. Zudem besticht er mit Kreativität und Übersicht im letzten Drittel. Mit seinen Qualitäten sollte Meisel der Sprung in die 3. Liga ohne lange Anlaufzeit gelingen. Ein guter Transfer für RWE.
Rot-Weiss Essen: Eitschberger hat seine Stärken in der Defensive
Julian Eitschberger (20, Hertha BSC, Leihe): Der 1.82 Meter große Defensiv-Spezialist verstärkt die rechte Abwehrseite der Essener für die aktuelle Saison. Die Leihgabe von Hertha BSC fühlt sich auch auf der rechten Schiene wohl, musste zuletzt aber auf der offensiven Position aushelfen. Gegen Bielefeld klappte das gut, in Unterhaching konnte er kaum Impulse setzen. Schon in Berlin hat er bewiesen, dass er gegen den Ball viel Qualität besitzt. Er bringt das Potential mit, sich im Laufe der Saison auch offensiv zu steigern. Eitschberger ist eine wichtige Alternative für die rechte Seite und als Leihgabe ein Transfer ohne Risiko für RWE.
Tobias Kraulich (25, Dynamo Dresden)
Der 1,91 Meter große Linksfuß kommt mit der Erfahrung aus knapp 100 Zweit- und Drittligaspielen zu RWE. Er kam aufgrund mehrerer Verletzungen in Dresden nur auf 1200 Spielminuten, seit Februar war der Innenverteidiger ohne Spielpraxis. Das machte sich in den ersten Spielen bemerkbar. Gegen Aachen und RB Leipzig unterliefen ihm Stellungsfehler, die zu Gegentoren führten. Auch in Unterhaching wackelte Kraulich nach der Pause. Gegen Arminia Bielefeld machte er sein bestes Spiel für RWE.
Kraulich besitzt gegen den Ball große Qualitäten, vor allem im Luftzweikampf und in der Raumverteidigung. Er ist zweikampfstärker als Felix Götze, überwindet mit dem Ball aber seltener gegnerische Linien und hat am Ball noch Defizite.
Rot-Weiss Essen: Schultz auch bei RWE der Leader
Michael Schultz (31, Viktoria Köln)
War Stammkraft und Leader bei Viktoria Köln und hat diese Rolle auch in Essen übernommen. Dabrowski hat ihn sofort zum Kapitän gemacht. Bisher zahlt Schultz das Vertrauen zurück. Der 31-Jährige kann sowohl auf der rechten Halbverteidigerposition agieren als auch im Abwehrzentrum und macht seinen Job bisher gegen den Ball sehr ordentlich. Schultz ist ein abgeklärter, kopfballstarker Verteidiger, der das Spiel lesen kann und per langem Ball Läufe der Offensivspieler anvisiert. Einige gefährliche Angriffe konnte er mit seinen langen Pässen schon initiieren.
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Jimmy Kaparos (22, Schalke II)
Der Sprung von der Regionalliga in die 3. Liga ist kein leichter, diese Erfahrung musste Essens neuer Sechser schon bei seinem Liga-Debüt für Essen machen, als ihm gegen Alemannia Aachen ein folgenschwerer Ballverlust unterlief. Doch daraus wird Kaparos lernen, seine Formkurve zeigt seitdem auch nach oben.
Kaparos besitzt große technische Qualitäten, mit seinem sicheren Passspiel ins letzte Drittel hinein sorgt er für die Entstehung vieler erfolgreicher Angriffe und bringt dazu eine hohe Zweikampf-Intensität und - Effizienz mit. So gehörte er zu den Topspielern der Regionalliga West. Ein guter Transfer.
Rot-Weiss Essen wartet sehnsüchtig auf Tom Moustier
Tom Moustier (22, Hannover II)
Der Pechvogel der frühen RWE-Saison: Moustier fällt mit einem Mittelfußbruch seit der Vorbereitung aus. Bis zum Herbst wird sich der Mittelfeldspieler noch gedulden müssen. Der 22-Jährige war Stamm- und Schlüsselspieler in der Aufstiegsmannschaft von Hannover II. Defensiv mit enorm vielen Balleroberungen, von denen ein Großteil in der eigenen Hälfte liegt, er scheut keinen Zweikampf und bringt einen hohen Laufradius mit. Zudem hat er eine große Qualität im Schlagen von Standards. RWE wartet sehnsüchtig auf seinen ersten Einsatz.
Ahmet Arslan (30, 1. FC Magdeburg)
Der Drittliga-Torschützenkönig von 2022/23 hat sein Potential schon angedeutet. Getroffen hat er noch nicht, dafür aber schon drei RWE-Tore in der Liga vorbereitet. In Unterhaching blieb er nach gutem Start blass. Seine Verpflichtung macht RWE aber offensiv variabler. Mit seinen Standards sorgt er für große Torgefahr.
Arslan ist ein technisch versierter Offensivspieler, der mutig ins Dribbling geht und per Lauf in die Box eindringt und durch Schlüsselpässe Torchancen kreiert. Auf ihn wird es offensiv hauptsächlich ankommen, die Scorerpunkte von Marvin Obuz aufzufangen. Nach einem enttäuschenden letzten Jahr wird er noch etwas Zeit brauchen, um sein altes Level zu erreichen.
RWE-Zugänge D‘Haese, Berisha und Wintzheimer müssen Geduld haben
Robbie D’Haese (25, KV Oostende)
Der Belgier ist in Deutschland ein unbeschriebenes Blatt. Verletzungsbedingt durfte er den RWE-Fans sein Können bisher nur für 18 Minuten zeigen. Sein Spiel ist auf finale Aktionen im Strafraum ausgelegt, D‘Haese sucht dazu häufig das 1 vs 1 mit dem Gegenspieler. Seine Kernstärke ist die Chancenkreation, er kommt auf ein hohes Volumen an Pässen und Flanken in den Strafraum, muss seine Präzision allerdings steigern.
Der Belgier bringt viel Entwicklungspotenzial mit, wird sich aber an die Liga gewöhnen und mehr Konstanz in seine Leistungen bringen müssen. Auf Anhieb wird er nicht zünden.
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Ramien Safi (24, SV Rödinghausen)
Der neue RWE-Flügelflitzer hatte seinen großen Auftritt im Pokal gegen RB Leipzig, als er eine sehenswerte Einzelaktion zum zwischenzeitlichen 1:0 verwertete. In der Liga wartet er noch auf seinen ersten Scorerpunkt. Safi ist ein beidfüßiger und dadurch flexibel einsetzbarer Offensivspieler, der sowohl im Sturmzentrum als auch als Linksaußen agieren kann. Gegen Alemannia Aachen agierte er sogar als rechter Schienenspieler, dieses Experiment glückte jedoch nicht.
Safi erzielte 2023/24 zehn Tore für Rödinghausen in der Regionalliga West, treffsicher ist er. In der 3. Liga muss er das noch beweisen. Durch die Transfers von Boyamba und Meisel könnte sein Stammplatz wackeln.
Dion Berisha (21, FC Bayern II)
Berisha wird Anlaufzeit benötigen, das haben die ersten Wochen gezeigt. In der Liga reichte es bisher nur zu zwei Kurzeinsätzen. Der Offensivmann bringt aber Potential mit, was sich in seinem Vertrag (bis 2027, längste Vertragsdauer im Verein) widerspiegelt.
Er ist auf der rechten Außenbahn beheimatet, von wo er häufig mit seinem starken linken Fuß auf die Innenbahn zieht. Berisha ist schwer zu verteidigen, im Gegensatz zu D’Haese auch mit einigen Ballaktionen zentral vor dem Strafraum. Von ihm erhofft man sich noch einiges.
Manuel Wintzheimer (25, 1. FC Nürnberg, Leihe)
Der bekannteste Name, den RWE in diesem Sommer geholt hat. Wintzheimer ist ehemaliger U21-Nationalspieler, der über viel Erfahrung in der zweiten und dritten Liga verfügt (HSV, Bochum, Nürnberg, Braunschweig, Bielefeld). In der letzten Saison war er in Bielefeld kein Stammspieler. Das hatte Gründe. Vor dem Tor blieb Wintzheimer weit unter seinen Möglichkeiten (nur ein Tor). Auch in Essen kann er noch nicht überzeugen. Bisher muss er sich mit der Jokerrolle begnügen und wurde in allen vier Pflichtspielen (82 Minuten Einsatzzeit, kein Tor) nur eingewechselt. Zwei gute Abschlüsse gegen Aachen, in den anderen Partien ohne Impulse. Gegen Unterhaching fehlte er aufgrund einer Adduktorenverletzung.
Wintzheimers Entwicklung stagniert seit Jahren, in Essen erhofft man sich von der Leihgabe aus Nürnberg eine deutliche Steigerung.
Rot-Weiss Essen in der Transfer-Analyse: Fazit und Prognose
RWE hat einen großen Umbruch vollzogen. Die Abgänge von Felix Götze und Marvin Obuz wiegen schwer. Dennoch haben die Essener den Verlust einer gesamten Achse (Götze, Sapina, Harenbruck, Obuz) gut aufgefangen und auf allen Positionen Spieler geholt, die diese Lücke auf Dauer schließen können, insbesondere Kaparos und Moustier sind im Saisonverlauf tragende Rollen zuzutrauen. Letzterer wird aber noch einige Wochen fehlen.
In Kraulich und Schulz wurden zwei Innenverteidiger geholt, die zwar über ordentliches Drittliganiveau verfügen, in ihrer Spielweise allerdings stärker in einer Viererkette zur Geltung kämen. Dadurch ist auch Dabrowskis erneute Umstellung von Dreier- auf Viererkette zu erklären. Gerade Kraulich bringt nicht die nötigen technischen Voraussetzungen mit, um in der Dreierkette als Halbverteidiger zu agieren. Fraglich ist zudem, ob Rios Alonso hinten rechts richtig aufgehoben ist.
Rot-Weiss Essen sollte mit dem Abstieg nichts zu tun haben
In der Offensive hat sich einiges getan. RWE muss den Verlust von Topscorer Obuz im Verbund auffangen. Die jüngsten Zugänge Meisel und Boyamba bringen viel Tempo und Dribbelstärke mit. Davon soll auch Leonardo Vonic profiitieren, dem in dieser Saison das Vertrauen im Sturmzentrum geschenkt wird. Zum X-Faktor könnte Ahmet Arslan werden. Drei Scorerpunkte hat der neue Essener Zehner bisher gesammelt, seine Leistungen sind aber noch ausbaufähig. Erreicht er ansatzweise sein Niveau aus der vorletzten Saison, kann er RWE auf ein neues Level heben.
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Der holprige Saisonstart hat unterstrichen, dass die Mannschaft noch Zeit benötigt. In Panik muss deshalb aber niemand verfallen. Talentierte Spieler wie Kaparos, Safi, Berisha, Meisel oder D‘Haese müssen sich erst an das Niveau der 3. Liga gewöhnen. Eine ähnlich gute Rolle wie in der letzten Saison wird RWE aufgrund der vielen Fragezeichen wohl nicht spielen, mit dem Abstieg sollte diese Mannschaft aber nichts zu tun haben. Prognose: Platz 8 bis 12.