Krasnaja Poljana. Felix Neureuther erklärte den tapferen Riesenslalom-Auftritt schnell zum “guten Test“ für seine große Medaillenchance, Fritz Dopfer will dort zurückschlagen. Besonders bitter war der Tag für Stefan Luitz, dessen Traumlauf als Albtraum endete. Extra-Klasse: Ted Ligety.
Von "Weltklasse" bis "Vollidiot": Die deutschen Ski-Herren um den tapferen Felix Neureuther haben sich beim mitreißenden Riesenslalom-Auftritt nicht mit einer Medaille belohnt. Fünf Tage nach seinem Autounfall kämpfte sich Neureuther zu Platz acht, Dopfer kam auf Rang zwölf ins Ziel. "Ich habe versucht zu attackieren. Aber man gemerkt, dass ich die letzten fünf Tage gelegen habe", erklärte ein geschaffter Neureuther, dem 0,66 Sekunden zu Bronze fehlten. Nach dem WM-Titel feierte sein amerikanischer Kumpel Ted Ligety auch den Olympiasieg.
Ganz besonders bitter war der Tag für Stefan Luitz: Beim Traumlauf im ersten Durchgang legte er zwar die beste Zeit der Deutschen hin, aber ein Einfädler am letzten Tor brachte ihn um den vielleicht ganz großen Winterspiel-Tag.
DOSB-Präsident Hörmann freut sich trotz verpasster Medaille
Riesenslalom-Dominator Ligety lag beim Rennen am Mittwoch in Krasnaja Poljana 0,48 Sekunden vor dem Franzosen Steve Missillier. Dessen Landsmann Alexis Pinturault belegte Platz drei. Überraschend ohne Riesenslalom-Edelmetall blieb Österreichs Gesamtweltcupsieger Marcel Hirscher auf Rang vier.
Wenigstens etwas hatte auch Neureuther gewonnen: Wieder mehr Zuversicht in seinen nach dem Unfall bei der Olympia-Anreise verletzten Rücken. "Das war brutal wichtig für mich, heute am Start gestanden zu sein. Auch für meinen Körper, um zu sehen, dass er den Belastungen stand hält", erklärte der 29-Jährige, der beim Torlauf am Samstag zu den Mitfavoriten zählt.
Wie vor vier Jahren in Vancouver belegte Neureuther ebenfalls Rang acht im Riesentorlauf. Zuletzt besser war ein deutscher Alpin-Herr 1994, als Markus Wasmeier Doppel-Olympiasieger wurde. "Erst einmal freue ich mich, dass wir mit drei Mann da vorne drin waren. Vor vier oder acht Jahren hat manch einer gesagt: Unvorstellbar", sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann der Nachrichtenagentur dpa.
Neureuther hatte selbst nicht an einen Start geglaubt
Statt auf Silberkurs in den zweiten Durchgang zu starten, war Luitz im Finale nur noch Zuschauer. "Du Vollidiot", schilderte der Skirennfahrer aus dem Allgäu seinen ersten Gedanken. Er war der einzige der Ligety im ersten Durchgang zumindest noch nahe gekommen war - aber das Ziel vor Augen schied er aus. "Aber es hilft nichts. Ich muss jetzt den Kopf hochnehmen und einfach das Gefühl, das ich beim Lauf gehabt habe, mitnehmen und in den nächsten Rennen wieder umsetzen."
Mitgefühl drückte Neureuther seinem Teamkollegen Luitz aus. "Das wünscht man absolut keinem. Vor allem, wenn man so cool Ski fährt wie der - das ist schon brutal bitter." Und für Luitz nicht mal eine neue Erfahrung: Bei der WM vor einem Jahr in Schladming fuhr er durch das letzte Tor, statt daran vorbei. Auch damals wurde er disqualifiziert.
Neureuther lobte den Auftritt des Teamkollegen - und dankte für seine Teilnahme vor allem einem Mann: Physio Martin Auracher. "Ich hätte es vor zwei Tagen, wenn ich ehrlich bin, niemals für möglich gehalten, dass ich heute hier starte", gestand Neureuther. "Der hat einen Wahnsinns-Job gemacht." Vor dem Finale kühlte er sich den lädierten Nacken noch einmal mit Eis. "Das ist echt schon eine sehr großes Wunder passiert irgendwie."
Neureuther will jetzt am Samstag im Slalom durchstarten
Alpinchef Wolfgang Maier hätte liebend gerne Edelmetall seines Trio bejubelt, aber so durfte er zumindest Zuversicht für den Torlauf am Samstag mitnehmen. "Da ist schon ein bisschen Frust dabei. Am letzten Tor einfädeln nach so einer sensationell guten Vorstellung - das hat einen gewissen Beigeschmack", haderte Maier mit Blick auf die Luitz-Leistung. Einmal mehr wurde er "vom Felix" überrascht. "Die Vorstellung war auf jeden Fall Weltklasse, die er gegeben hat", sagte der Alpindirektor nach dem ersten Durchgang.
Neureuther soll am Samstag durchstarten, Luitz vor allem aus dem Fehler lernen. "Für Stefan tut es uns extrem leid, da ist er wirklich um eine Chance gebracht worden", haderte Maier. "Aber vielleicht muss das dazugehören, dass er mal ein richtig Großer wird, weil er aus dem hoffentlich mal lernt, dass man erst, wenn man über die Ziellinie ist, die Position auflösen darf. Immerhin hat er eine coole Performance gebracht." Ob das frühere Pech eines Doppel-Olympiasiegers ein Trost für Luitz ist? Wasmeier schied 1988 beim olympischen Super-G von Calgary gleich beim ersten Tor aus - sechs Jahre später wurde er mit Gold entschädigt. (dpa)