Sotschi. .
Kurz vor seinem großen Auftritt machte Shaun White noch einen kleinen Trip in die kaukasischen Berge. Für seine Fans postete er im Internet ein kleines Filmchen über seinen Zoo-Besuch mit Bison, Wölfen und Wildschweinen. Den Spaß will der US-Amerikaner am Dienstag mit in die olympische Halfpipe mitnehmen. Nach Turin 2006 und Vancouver 2010 will er ein weiteres Mal der König der Snowboarder werden.
Ursprünglich plante der 27-Jährige in Sotschi sogar einen Doppelschlag. Erst das Gold im neu eingeführten Slopestyle-Wettbewerb, dann den Triumph in der Halfpipe. Aber zwei Tage vor dem Event machte er einen Rückzieher. Die offizielle Version lautet, White wolle sich ganz auf die Halfpipe konzentrieren. „Ich will ein Vermächtnis hinterlassen in meinem Sport“, sagte er. „Und dieser Titel wäre ein großer Punkt auf meiner Liste.“
Nicht mehr der unumschränkte Herrscher der Szene
Aber nicht wenige halten dies für einen Vorwand. Die Snowboard-Legende wolle doch nur eine peinliche Schlappe vermeiden, wurde gemutmaßt, denn zumindest beim Slopestyle sei er nicht mehr der unumschränkte Herrscher der Szene, wie sich zuletzt auch bei den X-Games gezeigt habe.
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Wahrscheinlich hat ihn ein Missgeschick beim Training auf der schweren Olympia-Strecke, bei dem er sich eine Verletzung am Handgelenk zuzog, endgültig vom Projekt Doppel-Gold abgebracht. In der Halfpipe will er es aber der Konkurrenz noch einmal zeigen. So, wie vor acht Jahren in Turin, als er mit 19 Jahren die Snowboard-Welt mit seinen unglaublichen Tricks verzückte.
Die „Flying Tomato“ wurde schon mit 13 Profi
White, der wegen seiner damals wallenden roten Haare auch „Flying Tomato“ genannt wurde, ist der Meister seiner Disziplin: Schon mit 13 wurde er Profi, mit 19 gewann er seine erste Olympia-Goldmedaille, mit 23 die nächste. Allein mit Werbung verdient er pro Jahr über zehn Millionen Dollar.
Der Shaun White von 2014 ist nicht mehr der von 2006. Jeder Mensch entwickelt sich zwischen 19 und 27 weiter. Doch die Metamorphose des Manns aus Colorado stößt einigen in der coolen Szene der Snowboarder auf. Auch äußerlich hat er sich verändert. Bis zu den Schultern drehten sich früher seine feuerroten Haare, schwangen mit jeder seiner Bewegungen rhythmisch mit. Aus und vorbei: Die Mähne hat er zu Gunsten einer Wohltätigkeitsorganisation, die Perücken für an Haarausfall leidende Kinder herstellt, abschneiden lassen. „Außerdem fallen mir die Haare jetzt bei meinen Auftritten nicht mehr ins Gesicht“, begründete er sein neues Outfit.
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Aus dem einst ein bisschen crazy und stylish wirkenden Twen ist ein sehr korrekt aussehender Mann geworden, der eher wie ein Manager auf dem Weg zu seinem nächsten großen Geschäft wirkt als ein hipper Snowboarder. „Ich nehme die Dinge ernster. Das passiert, wenn man älter wird“, sagt White und versichert: „Aber ich bin immer noch der Gleiche.“ Na, so ganz wohl nicht. Denn White ließ kurz vor den Winterspielen in Sotschi verkünden, dass er die Air & Style Company, einen der renommiertesten Snowboard-Veranstalter, gekauft habe. Ein Millionen-Geschäft. Vielleicht ist es der Übergang vom Topsportler zum Businessman.
Immer gut vorbereitet
Wie stark er in der Halfpipe ist, wird sich am Dienstag zeigen. Gut vorbereitet war er bei seinen bisherigen olympischen Auftritten immer. Zuhause, auf einer Höhe von 3000 Metern, in einem kleinen ehemaligen Bergbaustädtchen in Colorado hat ihm ein Sponsor eine Halfpipe hingebaut. Nur für ihn. Vor den Winterspielen in Vancouver hat er dort in der Abgeschiedenheit seine besonderen Tricks einstudiert, mit denen er der Konkurrenz dann vor Tausenden Zuschauern und einem Millionen-Fernseh-Publikum keine Chance ließ. Seine Spezialität war der Paukenschlag ganz zum Schluss: Ein sogenannter Double McTwist 1260 – eine dreieinhalbfache Drehung um die eigene Achse mit einem Doppelsalto. Die Zuschauer hielten den Atem an, staunten über diese Perfektion – und White holte sich das Gold ab.