Berlin. Im Vorfeld der Olympischen Winterspiele wird Kritik am Vorgehen des Internationalen Olympischen Komitees laut. Hätte das Komitee schon früher gehandelt, “hätte man da noch viel mehr erreichen können“, sagt die Organisation Human Rights im Hinblick auf die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen.

Die Organisation Human Rights Watch hat dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) vorgeworfen, es habe zu zögerlich auf Menschenrechtsverletzungen im Vorfeld der Olympischen Spiele in Sotschi reagiert. Es sei "problematisch, dass sich das Komitee oftmals mit Versicherungen zufrieden gibt und keine tatsächliche Veränderung fordert", sagte HRW-Sprecher Wolfgang Büttner am Mittwoch in Berlin. Auch Human Rights Watch und Reporter ohne Grenzen beklagten Rechtsverstöße.

Zwar habe es zuletzt etwa bei Lohnzahlungen für Arbeiter in Sotschi Verbesserungen gegeben, sagte Büttner. Hätte das Komitee aber schon früher gehandelt, "hätte man da noch viel mehr erreichen können". HRW ist nach eigenen Angaben seit 2009 in Sotschi und begutachtet dort die Arbeiten für Olympia. Das IOC gibt die Empfehlungen der Organisation an die russische Regierung weiter.

Unwürdige Arbeitszustände im Vorfeld der Olympischen Spiele

Das Komitee habe durch die Vergabe der Spiele "Verantwortung übernommen", sagte Büttner. In der Charta des IOC seien "ganz klar Menschenrechtsgrundlagen festgeschrieben". Langfristig sei auch eine "institutionelle Reform" des IOC nötig. Es müsse eine Art "Menschenrechtsmechanismus" bei der Vergabe und der Vorbereitung der Spiele geben, um Rechtsverletzungen vorzubeugen.

Human Rights Watch sowie die Organisation Reporter ohne Grenzen beklagten vor diesem Hintergrund Menschenrechtsverletzungen im Vorfeld der Winterspiele, die in gut einer Woche beginnen. Arbeiter, vor allem ausländische, gaben demnach an, dass Löhne nicht oder viel zu spät gezahlt würden. Auf den Baustellen gab es demnach auch zwölf Stunden lange Schichten ohne Bezahlung der Überstunden.

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Außerdem wurden rund 2000 russische Familien umgesiedelt, um an der Stelle ihrer Häuser Olympia-Stätten zu bauen. Die meisten von ihnen hätten Zahlungen erhalten oder seien in neue Häuser umgesiedelt worden. HRW zufolge gab es aber auch Fälle, in denen keine Entschädigungen gezahlt wurden. Andernorts hätten die Zahlungen nicht dem tatsächlichen Verlust entsprochen. Insgesamt gebe es keinen "fairen und transparenten Prozess" zu den Kompensationen. In zwei Dörfern nahe Sotschi seien durch Erdrutsche zahlreiche Häuser beschädigt worden, ein weiteres sei wegen der Bauarbeiten seit Jahren von der öffentlichen Wasserversorgung abgeschnitten.

Journalisten befürchten nach Olympia Rückfall in alte Zeiten

Reporter ohne Grenzen warnte vor Gefahren für Journalisten bei der Berichterstattung von den Spielen. Per Dekret vom 8. November des vergangenen Jahres dürften die Behörden die dortige Kommunikation via Telefon und Internet überwachen sowie "drei Jahre lang speichern". Michael Rediske von Reporter ohne Grenzen forderte die Berichterstatter in Sotschi auf, ihre "russischen Quellen zu schützen".

Die russische Journalistin Galina Taschmatowa wertete es indes schon als Erfolg, dass Politik und Medien wegen der Spiele kritisch nach Russland schauten. Es gebe einen regelrechten "Zwang zur Zusammenarbeit" zwischen Journalisten und Behörden, sagte die Chefredakteurin der Regionalausgabe der regierungskritischen Zeitung "Nowaja Gaseta". Sie sei aber "besorgt", dass nach dem Ende der Spiele ein Rückfall in alte Zeiten drohe.

Die Lage der Menschenrechte in Russland war in den vergangenen Monaten wegen der Winterspiele wieder stärker in den Fokus gerückt. Menschenrechtsaktivisten befürchten wegen eines Anti-Homosexuellen-Gesetzes auch Probleme für Homosexuelle. (AFP)