Köln. Von einer Niederlage will Thomas Bach nichts wissen. Der IOC-Vize aus Tauberbischofsheim geht mit sehr guten Chancen ins Rennen um das wichtigste Amt im Weltsport. Bei der Wahl am 10. September in Buenos Aires will er als erster Deutscher IOC-Präsident werden.

In einem taubenblauen Anzug und mit gefalteten Händen verkündete Thomas Bach ruhig seine präsidialen Pläne. Als Reformer und Bewahrer will der 59-Jährige das Erfolgsmodell Olympia in die Zukunft führen. Mit dem mutigen Schritt, als Erster seine Ambitionen auf das wichtigste Amt im Weltsport öffentlich zu machen, hat der IOC-Kronprinz seinen Führungsanspruch demonstriert - und seine Favoritenstellung manifestiert. "Das ist eine einmalige Gelegenheit, dem Sport vieles zurückzugeben. Das ist meine Motivation", sagte Bach am Donnerstag im Haus des deutschen Sports in Frankfurt/Main vor neun Kamerateams und knapp 50 Journalisten.

Der Wirtschaftsanwalt aus Tauberbischofsheim ist vorsichtig optimistisch, hat aber schwer berechenbare Gegner. "Man kandidiert, um dann im Wahlkampf auch erfolgreich zu sein. Dem gehört meine ganze Konzentration", erklärte Bach. Für eine mögliche Münchner Olympia-Kandidatur um die Spiele 2022 sei seine erfolgreiche Wahl "eher positiv".

Die 125. Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) wird am 10. September in Buenos Aires entscheiden, wer als neunter IOC-Präsident die Nachfolge des Belgiers Jacques Rogge antritt. Nach den gescheiterten Bemühungen von Willi Daume 1980 ist Bach erst der zweite Deutsche, der den olympischen Gipfelsturm versucht. In einem Brief hatte er Rogge und die restlichen IOC-Mitglieder über sein Vorhaben informiert.

Merkel begrüßt Bachs Kandidatur

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich erfreut über die Nachricht. Merkel schätze Bach, sagte eine Regierungssprecherin. "Die Bundeskanzlerin begrüßt seine Kandidatur sehr und wünscht ihm Erfolg." Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) stellte fest: "Kaum jemand vereint so viel Erfahrung als Sportler wie als Sportfunktionär auf sich."

Auch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach gratulierte Bach zu dessen Schritt: "Für den gesamten deutschen Sport wäre es ein Zeichen größter Anerkennung, sollte er an die Spitze des IOC gewählt werden." FIFA-Boss Joseph Blatter lobte den Mut des Franken. "Das ist taktisch ein guter Schritt. Man muss Courage haben, sich in einem Wahlkampf als Erster darzustellen. Das finde ich gut", sagte der Präsident des Fußball-Weltverbandes der Nachrichtenagentur dpa.

Bach stellt sein Wahlprogramm in vier Wochen vor 

Sein Wahlprogramm will Bach bei der offiziellen Abgabe seiner Kandidatur in etwa vier Wochen vorstellen. Bisher hat sich der einflussreiche Netzwerker als Vertreter der traditionellen olympischen Werte positioniert. Wie er den Ringe-Zirkel zukunftsfähig machen will, offenbarte Bach in einem Schreiben, das der dpa vorliegt. Darin teilte er seinen IOC-Kollegen mit, er wolle die olympische Bewegung mit dem Prinzip "Einheit in Vielfalt" stärken und voranbringen. Seine vielbeachtete Grundsatzrede, die er zu diesem Thema beim olympischen Kongress 2009 in Kopenhagen gehalten hatte, legte der Stratege als Dokument bei.

Bach will das sportliche Weltparlament für Diskussionen mit hochrangigen Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Kultur öffnen. Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) steht für eine Null-Toleranz-Politik im Anti-Doping-Kampf, eine Modernisierung des Olympia-Programms, eine Reform der Jugendspiele und eine Eindämmung des Gigantismus, mit der das Problem der sinkenden Zahl olympischer Bewerberstädte gelöst werden soll.

Nach seinem Olympia-Gold 1976 mit der Florett-Mannschaft hat der Multifunktionär seit seiner Aufnahme ins IOC 15 Jahre später durch verschiedene Rollen praktisch alle Facetten des Premiumprodukts Olympia kennengelernt. Als Vorsitzender der Juristischen Kommission und Chef der Disziplinarkammer bei Olympischen Spielen ist Bach längst ein unentbehrlicher Zuarbeiter für Rogge. Bereits dreimal wurde er zum IOC-Vize gewählt. Jetzt will er ganz nach oben.

Olympische Idee prägte Bachs Leben

"Der Sport und die olympische Idee haben mein Leben geprägt. Dieses Wissen lehrt mich Respekt und Demut vor dem Amt des IOC-Präsidenten", sagte Bach. Gleichzeitig fühle er sich "durch meine verschiedenen beruflichen Aktivitäten selbstbewusst, gut ausgebildet zu sein in Internationalem Management und Menschenführung in den Bereichen Sport, Politik, Wirtschaft, Recht und Gesellschaft", so Bach in seiner schriftlichen Botschaft an seine IOC-Mitstreiter.

Sein vermeintlich härtester Rivale im Ringen um den begehrten Posten, Richard Carrion, will seine Kandidatur nach dpa-Informationen zeitnah ebenfalls bekanntgeben. Der 60 Jahre alte Banker aus Puerto Rico, Direktor der Finanz-Kommission im IOC und damit wichtigster Geldbeschaffer für Rogge, hat für die Olympier den Rekord-TV-Deal mit dem US-Giganten NBC über 4,382 Millionen Dollar für die Spiele 2014 und 2016 ausgehandelt - über das Geld hinaus äußert er sich aber selten zur olympischen Politik.

Bach und seine Familie müssten nach Lausanne ziehen 

Bach fühlt sich bereit für das härteste Duell seiner sportpolitischen Karriere. Neben Carrion werden als ernstzunehmende Konkurrenten Ser Miang Ng aus Singapur, Organisator Ex-Chef der ersten Jugendspiele und großer Hoffnungsträger der aufstrebenden Sportmacht Asien, der ukrainische Stabhochsprung-Weltrekordler Sergej Bubka und die Schweizer IOC-Granden René Fasel, Chef der olympischen Wintersportverbände, und Denis Oswald, langjähriger Anführer der olympischen Sommersportverbände, gehandelt. Nur einmal in seiner Historie wurde das IOC von einem Nicht-Europäer angeführt - von 1952 bis 1972 vom US-Amerikaner Avery Brundage. Allerdings stellte sich das IOC in seiner 119-Jährigen Geschichte bei Abstimmungen oft genug als undurchschaubar dar.

Bach hat als DOSB-Gründungspräsident in seiner bisher siebenjährigen Amtszeit bewiesen, dass er Politik und Wirtschaft erfolgreich zusammenführen kann. Für den deutschen Sport hätte seine internationale Beförderung historische Dimensionen. Anders als von Rogge gefordert will Deutschlands Ober-Olympier ehrenamtlicher IOC-Präsident bleiben. Seine zahlreichen beruflichen Tätigkeiten wird er aber aufgeben und mit Ehefrau Claudia, einer Gymnasiallehrerin für Englisch und Geschichte, nach Lausanne umziehen müssen.

Olympia-Bewerbung für 2022 wirft Fragen auf

Bach hat durch sein Bekenntnis für Klarheit gesorgt, aber auch viele Fragen aufgeworfen. Wann würde er bei einem Wahlsieg in Buenos Aires sein DOSB-Amt abgeben? Wer könnte dann für eine taugliche Langzeitlösung in der deutschen Dachorganisation sorgen, und wie will der DOSB mit einem Führungsvakuum eine mögliche Münchner Olympia-Bewerbung um die Winterspiele 2022 erfolgreich stemmen? In der DOSB-Präsidiumssitzung am Montag in Hamburg werden erste Antworten erwartet. (dpa)