London. Wie schon 2008 reisen die deutschen Springreiter ohne Medaille von den Olympischen Spielen ab. Konnte dies vor vier Jahren noch auf die Suspendierung einzelner Reiter wegen verbotener Medikamente zurückgeführt werden, ist die Konkurrenz dieses Mal sportlich überlegen.

Bloß weg. Keine Sekunde länger als nötig wollen die deutschen Springreiter in diesem eigentlich schönen, aber für sie doch verfluchten Greenwich Park bleiben. Das Stadion mit seinen imposanten steilen Tribünen, die enthusiastischen 23 000 Zuschauer – sie werden all das in Erinnerung behalten. In keiner guten allerdings. In sehr schlechter sogar.

Wenn bereits am Donnerstag Mittag statt wie anfangs geplant erst am Abend das Flugzeug mit der deutschen Equipe an Bord von den Olympischen Spielen in London in Richtung Deutschland entschwebt, fehlen erneut die Medaillen im Gepäck. Wie 2008, als die Deutschen in Hongkong ebenfalls ohne Edelmetall blieben. Damals allerdings überschattete die Suspendierung von Christian Ahlmann und Marco Kutscher auf Grund einer verbotenen Medikation das Medaillen-Debakel.

„Jetzt fahren wir mit hängenden Ohren nach Hause“, sagt Co-Trainer Heiner Engemann gestern Nachmittag ziemlich ernüchtert. Und Bundestrainer Otto Becker pflichtet ihm bei: „Wir sind richtig enttäuscht.“

Platz 12 statt Edelmetall

Dieser weiße Steilsprung, dieser Zaun, den Reiter und Pferd nach einer spitzen Kehre absolvieren mussten. Über ihn stolperten die deutschen Reiter, stolperte Marcus Ehning als letzter verbliebener Deutscher im zweiten Umlauf des Einzelspringens. Gemeinsam mit der obersten Stange landete die Hoffnung, die Sehnsucht im Dreck von Greenwich, wenigstens durch eine Medaille die schwarz-rot-goldene Spring-Bilanz aufzupolieren.

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Zu dem Zeitpunkt, als Ehning auf das Hindernis zugaloppierte, konnte er Edelmetall noch erreichen. Ein erneuter Durchgang ohne Fehler – und mindestens Bronze wäre ihm sicher gewesen. Am Ende gelang dieses Kunststück nur dem Schweizer Steve Guerdat, der sich auf Nino des Buissonnets den Olympiasieg sicherte. Silber gewann der Niederländer Gerco Schröder wenig später im Stechen gegen den Iren Cian O’Connor. Beide leisteten sich nach einem Null-Fehler-Ritt in der ersten Runde lediglich eine minimale Zeitüberschreitung in der zweiten.

Ehning landet nur auf Platz 12

„Das ist ärgerlich, sehr ärgerlich, wenn man so dicht an einer Medaille ist“, sagt Ehning später. „Aber nach dem ersten Abwurf wusste ich, dass es keine wird.“ Kurz vor dem Ende des Parcours leistete er sich mit Plot Blue einen zweiten und belegte letztendlich den 12. Rang.

Meredith Michaels-Beerbaum schied nach zwei Hindernisfehlern bereits nach dem ersten Durchgang aus und schloss die Einzelwertung mit Bella Donna auf Rang 23 ab.

„Das müssen wir erstmal sacken lassen“, erklärt Otto Becker. Mannschafts-Aus noch vor dem finalen Springen, keine Einzelmedaille und ohnehin nur zwei Paare in den entscheidenden Durchgängen – die Olympischen Spiele in London schockieren die sonst erfolgsverwöhnten deutschen Springreiter. „Es war auch in den vergangenen zwei Jahren immer eng“, sagt der Bundestrainer, „aber da konnten wir noch mithalten.“

Viele Kleinigkeiten kamen zusammen

Warum sie diesmal so deutlich scheiterten? „Da kommen viele Kleinigkeiten zusammen“, antwortet Becker, der keine grundlegenden Strukturprobleme sieht. Die Ausfälle von Carsten Otto-Nagel, Marko Kutscher, Ludger Beerbaum und Philipp Weißhaupt im Vorfeld zum Beispiel. Oder der Zeitplan bei den Olympischen Spielen, der an vier Tagen in Folge Reiter und Pferde mit schweren Springen forderte und vor dem abschließenden Einzelfinale nur einen Tag Pause gewährte. „Außerdem rückt die Weltspitze immer weiter zusammen“, sagt Becker.

Eins betont er allerdings auch: „Unsere Paare waren gut in Form, die Stimmung war gut.“ Nur dass Janne-Friederike Meyer noch während der Spiele ihren Rücktritt aus dem Nationalkader bekannt gegeben hatte, stört ihn. „Den Zeitpunkt fand ich unglücklich.“

Die Analyse des Scheiterns soll jedoch erst erfolgen, „wenn die Enttäuschung wieder aus den Köpfen ist“. Und das klappt in der Heimat eben schneller als in London.