Essen. Olympia lebt von der prallen Fülle großer Momente. Die einen weinen vor Glück, andere können die Tränen nicht mehr halten, weil sie's versemmelt haben. In London 2012 schaffen es ARD und ZDF, an vielen starken Momenten konsequent vorbei zu senden.

Seit 1984 gibt es in Deutschland zwei zusätzliche olympische Sportarten. Die eine heißt TV-Marathon und ist für den, der’s mag, eine feine Sache. Vor 28 Jahren begannen ARD und ZDF bei den Spielen in Los Angeles damit, rund um die Uhr zu übertragen. Dummerweise haben beide Sender zeitgleich ihre Liebe zu einer zweiten Disziplin entdeckt. Die heißt Konserven-TV und ist ziemlich unansehnlich. Schade nur, dass deutsches Fernsehen auch bei den Spielen in London im Konserven-TV um Gold kämpft.

Olympia lebt von seinen großen Momenten, es lebt, allen Skandalen und allem Kommerz zum Trotz, von Athleten, die sich wie die Königskinder freuen können, wenn sie nach vier Jahren Vorbereitung alles in einen Augenblick gelegt haben. Die weinen vor Glück, das Gold um den Hals. Oder die die Tränen nicht mehr halten können, weil sie’s versemmelt haben, um den Hals nichts als zentnerschwere Last.

Gefühlt 58 Nachrichtenblöcke am Tag

Olympia lebt auch von der prallen Fülle solcher Momente. Die alle live einzufangen, ist eine Kunst. Wie ARD und ZDF es schaffen, an vielen starken Momenten konsequent vorbei zu senden, leider auch.

London liefert täglich neue Beispiele: Bei Timo Boll im Tischtennis steht ein Satz zwei Punkte vor der Entscheidung? Schnipp: Weggeschaltet zur wortreichen Anmoderation des nächsten Beitrags. Noch zwei Stabhochspringerinnen im Wettbewerb? Schnapp: der gefühlt 58. Nachrichtenblock des Tages. Im Fechten geht’s um was? Rüber zum Straßenrennen, und wenn es auch 50 Kilometer vor dem Ziel ist.

Natürlich wird brav nachgeliefert, wobei beide Sender zwar nie behaupten, noch live dabei zu sein, aber auch nichts tun, um diesem Eindruck entgegen zu wirken. Das geht seit 28 Jahren so. Auf Kosten der Zuschauer, auf Kosten der Sportler, von denen viele nur alle vier Jahre im Blickpunkt stehen – und zwar auch deshalb, weil öffentlich-rechtliches Fernsehen im Fußball überträgt, was die Rechte hergeben. Selbstverständlich live, wenn live drauf steht.