London. Nach der Absage von Dressur-Reiter Matthias Rath und Totilas schien die Verlängerung des deutschen Gold-Abonnements unmöglich. Doch Helen Langehanenberg, Kristina Sprehe und Dorothee Schneider sind in London in der Spur. Das Trio ist enger zusammengerückt.

„Tschuldigung“, sagt Helen Langehanenberg, „Entschuldigung.“ Sie atmet tief ein und langsam aus - und seufzt: „Ach.“ Die Blondine im Frack und Zylinder will ja ernst wie eine Dame auf alle Fragen antworten, aber erst einmal muss sie kichern, kichern wie ein kleines Mädchen. Vor Erleichterung. Vor Freude. Vor Begeisterung über diesen faszinierenden, diesen unerwarteten Auftakt bei den Olympischen Spielen.

Bei dem Wettbewerb also, bei dem die deutsche Dressurmannschaft in der Vergangenheit auf Gold abonniert war und zu dem sie diesmal mit kaum greifbaren Gefühlen und Erwartungen anreiste. Erst als krasser Außenseiter, weil nach der Absage von Matthias Rath und seinem angeblichen Wunderhengst Totilas auch Isabell Werth verzichtete, plötzlich wieder als Geheimfavorit, weil beim CHIO in Aachen der Sieg gelang.

Nur ein Prozentpunkt hinter Großbritannien

Im Greenwich Park zeigen sich die deutschen Dressur-Damen von allem unbeeindruckt: Auf Platz zwei der Mannschaftswertung tanzen sie sich mit ihren Pferden im Grand Prix. Lediglich ein winziger Prozentpunkt trennt sie vor dem Grand Prix Special am Dienstag knapp vor den Niederlanden liegend von Spitzenreiter Großbritannien. Gold - ist wieder zum Greifen nahe.

Im Einzel belegen Helen Langehanenberg mit Damon Hill (81.140 Prozent) und Kristina Sprehe mit Desperado (79.119) außerdem die Plätze drei und vier, während Dorothee Schneider mit Diva Royal (76.277) auf Rang acht liegt. Und wäre Bundestrainer Jonny Hilberath nicht ein gestandener Mann von 57 Jahren, müsste auch er wohl kichern. So aber lehnt er zufrieden auf einer Zaunlatte, grinst über das ganze Gesicht und erklärt: „Besser hätte man es von meinen drei Mädels nicht erwarten können.“

Seine drei Mädels. Selten schickte Deutschland ein jüngeres Trio in das Viereck, wohl nie ein reizenderes. Dass weder Helen Langehanenberg (30) noch Kristina Sprehe (25) oder Dorothee Schneider (43) über olympische Erfahrung verfügen, ist nach den ersten Spuren im englischen Sand nicht mehr zu erkennen.

Lob für Langehanenberg und Damon Hill

„Eine außergewöhnliche Leistung für Olympia-Frischlinge“, attestiert Hilberath, der nach London als Bundestrainer aufhört, den deutschen Paaren. Einem aber ganz besonders: Helen Langehanenberg und ihrem in Bad Sassendorf-Opmünden gezogenen Hengst Damon Hill.

Als letzte Reiterin muss die zierliche Deutsche Meisterin in dieses von drei steilen Tribünen eingefasste Viereck. 23000 Zuschauer sorgen für eine beeindruckende Atmosphäre, Sonne und Wolken wechseln sich ab. Es gibt einfachere Bedingungen. Als das deutsche Top-Duo einreitet, wird es wie üblich in der Dressur mucksmäuschenstill.

Das Schnauben des Hengstes ist hin und wieder zu hören, wie seine Reiterin ihm ab und an mit den Sporen Hilfestellungen gibt, deutlich zu erkennen. „Er ist super gegangen“, erklärt sie später grinsend, „das war nur zur Sicherheit.“ Weil sie bei ihrer Premiere im Zeichen der fünf Ringe doch ein wenig angespannt ist.

Der Hengst genießt die Atmosphäre

Einige Minuten später entlädt sich diese. Lauter Applaus belohnt eine starke Vorstellung - und Langehanenberg klopft ihrem „Dami“ stolz den Hals. „Einen richtigen Fehler haben wir nicht gemacht“, sagt sie, „er hatte irre viele Höhepunkte drin.“ Die Kulisse? Dieser teilweise beklemmende Druck von den Tribünen? „Das macht ihm gar nichts. Je mehr Atmosphäre, desto besser. Das findet er cool“, erklärt seine Reiterin.

So wie sie die deutsche Mannschaft cool findet. „Es macht irre viel Spaß und ist noch schöner als ich es mir gewünscht habe“, sagt Langehanenberg. Der Bundestrainer spricht von einer „eng wie nie zusammen gerückten Truppe“ und stoppt plötzlich mit seinen Äußerungen. Denn ein Grund für diesen Zusammenhalt ist ein tragischer: Der plötzliche Tod seines Vorgängers Holger Schmezer während eines Turniers im April dieses Jahres.

„Dieser Grand Prix ist auch Holger Schmezers Werk“, sagt Hilberath. Ein nachdenklicher Moment inmitten der Lacherei und Kicherei.