London. Der neue Bundestrainer Vital Heynen hat die deutschen Volleyballer zurück in die Erfolgsspur geführt, erstmals gelang sogar der Einzug in die Endrunde der Weltliga. Doch bei den Olympischen Spielen wartet eine schwere Gruppe auf seine Mannschaft.

Im schummrigen Licht einer englischen Eckkneipe würde man so einem Hünen wohl doch mit gebotener Zurückhaltung begegnen. Seine Haare sind an den Seiten kurz geschoren, dafür oben auf dem Kopf zu einem Kamm gestylt. Und an den muskulösen Oberarmen verdecken die knappen Ärmel des T-Shirts fette Tätowierungen nur wenig.

Doch Georg Grozer sitzt keinesfalls in einem düsteren englischen Pub. Das Deutsche Haus, ein für die Olympischen Spiele umfunktioniertes 200 Jahre altes Lagergebäude aus Backstein im gepflegten Londoner East End, ist an diesem Morgen in seiner dritten Etage grell ausgeleuchtet. Immerhin sind seltene Exemplare zu Gast.

Denn viele deutsche Mannschaftssportler dürfen bekanntlich nicht an diesen Spielen teilnehmen - die Volleyballer schon. Und Georg Grozer, dieser nette 27-Jährige mit dem frechen Haarschnitt und der Körperbemalung, sagt im Schweiß treibenden Licht der Scheinwerfer mit Blick auf die zahlreichen Gesprächspartner, die seine Nähe suchen: „Puh! Ich bin gerade sehr nervös.“

Denn einen derartigen medialen Auftrieb sind sie nicht gewohnt, diese Modellathleten, von denen kaum einer unter zwei Meter groß ist. Weil sich aber weder Handballer noch Basketballer, und besonders die Fußballer nicht für London qualifizierten, rücken die Männern vom äußersten Rand der Randsportarten-Sparte plötzlich in den Fokus. Es wird ihnen eine große Ehre zuteil: Sie sollen neben den Hockey-Teams das deutsche Image retten sowie ganz nebenbei die Exklusivität ihres Auftritts als Werbung für ihre Sportart nutzen.

Sensationeller Einzug in die Endrunde der Weltliga

Ausgerechnet sie, die nach dem neunten Platz bei den Olympischen Spielen in Peking mehr durch Streitereien und Trainerwechsel auf sich aufmerksam machten, als durch rauschende Erfolge. „Wer hätte das im Januar gedacht“, sagt deshalb Co-Trainer Ralph Bergmann.

Doch die deutschen Volleyballer wandelten sich und der neue Bundestrainer Vital Heynen führte die Jungs zwischen Jahresanfang und dem ersten Spiel des olympischen Turniers am Sonntag gegen Russland zu einem kometenhaften Aufstieg. Plötzlich schlugen sie sogar die Top-Teams, plötzlich gelang ihnen der sensationelle Einzug in die Endrunde der Weltligaund plötzlich hatten sie die Qualifikation für die Olympischen Spiele in der Tasche.

Selbstbewusstsein und Mannschaftsgeist sind groß

„Wir haben uns entwickelt und unsere Ziele erreicht“, erzählt Bergmann, „was jetzt kommt, ist der Nachtisch.“ Das Ausglühen eines super sonnigen Sommers auf Grund einer sehr schweren Gruppe mit unter anderem Russland, USA und Brasilien als Gegner, oder der Schmetterball zum Volleyball-Boom?

Kapitän Björn Andrae legt sich bei dieser Frage entspannt zurück in seinen Sessel, kostet die Sehnsucht der Deutschen nach Sensationen aus und sagt: „Wir können jedes Spiel verlieren.“ Sein Grinsen aber verrät: Sie können auch jedes gewinnen.

Denn dieser Sommer ließ ihr Selbstbewusstsein riesig und zwölf Spieler zu einer echten Mannschaft werden, die nun lässig den olympischen Geist atmet. Ihr flexibles Spiel und ihre zig Aufstellungsvarianten geben zudem die nötige Sicherheit. „Die gegnerischen Scouts sind nicht zu beneiden“, sagt Bergmann.

Eine Stunde Quatschen per Skype

Dass in der Truppe ein Feuer loderte, spürte Andrae bereits im zurückliegenden Dezember. Über das Programm Skype konferierten die deutschen Nationalvolleyballer im Internet. „Und als alle Themen erledigt waren, haben wir noch eine Stunde lang so gequatscht“, erzählt der 32-Jährige. Er saß in Russland, andere in Italien und Frankreich vor dem Computer.

Vermutlich skypten sie auch zum Thema Zielsetzung. Während sich die meisten bedeckt halten, bricht ein zweifacher Familienvater etwas aus: Gregor Grozer. „Ich bin nicht zufrieden, wenn wir wieder Neunter werden. Ich möchte in dieser Gruppe weiterkommen“, sagt er. Als habe nicht nur er, sondern auch sein Team einen Ruf zu wahren. Den der Revoluzzer gegen das vor sich hin Siechen deutscher Olympia-Mannschaften.