Tokio. Was für eine emotionale Achterbahnfahrt für Dimitrij Ovtcharov. Nach der bittersten Niederlage der Triumph: Bronze in Tokio.
Dimitrij Ovtcharov sank überglücklich auf die Knie, wenig Sekunden später fiel er Edelfan Timo Boll in die Arme: Nach dem zweiten Tischtennis-Krimi binnen 24 Stunden und vier abgewehrten Matchbällen feierte der 32-Jährige seine olympische Bronzemedaille wie Gold. "Gestern wollte ich nie wieder einen Schläger in die Hand nehmen. Und heute habe ich einen der schönsten Siege meiner Karriere geholt. Wahnsinn", sagte Ovtcharov nach einem erneut epischen Match.
Gegen den 19 Jahre alten Lin Yun-Ju aus Taiwan lag Ovtcharov, der schon 2012 in London Bronze geholt hatte, bereits mit 2:3 Sätzen zurück. Im sechsten Durchgang fehlte dem Asiaten gleich viermal nur noch ein Punkt zum Sieg - doch Ovtcharov bewies Nerven wie Drahtseile. "Bei einem der Matchbälle dachte ich: Das war“s. Aber er hat verschlagen, das war Hilfe von oben. Die musste ich annehmen", sagte der 13 Jahre ältere Ovtcharov.
Erst der zweite Nicht-Chinese mit zwei Einzelmedaillen
Gesagt, getan: Ovtcharov holte sich vor den Augen von IOC-Präsident Thomas Bach den finalen Durchgang mit 11:7 und stieß mit dem zweiten Bronze-Coup seiner Karriere in einen erlauchten Kreis vor. Der frühere Weltranglistenerste ist erst der zweite Nicht-Chinese mit zwei olympischen Einzelmedaillen. Vor ihm hatte dieses Kunststück nur der Schwede Jan-Ove Waldner (Gold 1992 und Silber 2000) geschafft.
Dabei hatte Ovtcharov nur einen Tag zuvor eine der bittersten Niederlagen seiner Karriere erlitten, als er in einem dramatischen Halbfinale gegen den alten und neuen Olympiasieger Ma Long aus China mit 3:4 unterlag. "Ich habe danach kaum geschlafen. Ohne den Beistand meiner Frau Jenny und meines Vaters wäre ich heute gar nicht aus dem Bett gekommen", sagte der Aufschlagvirtuose.
Ovtcharov: Eine emotionale Achterbahnfahrt
Das Aufstehen sollte sich lohnen. "Es gibt nur wenige, die zwei Medaillen bei Olympia geholt haben. Er ist jetzt einer davon", sagte Bundestrainer Jörg Roßkopf, der 1996 in Atlanta ebenfalls Bronze geholt hatte. Und nicht nur das: Insgesamt war es die fünfte Olympia-Medaille nach Silber (2008) und zweimal Bronze (2012, 2016) mit dem deutschen Team, eine solche Ausbeute kann neben Ovtcharov nur der Chinese Wang Hao vorweisen.
Seinen Platz in den Geschichtsbüchern hat der Deutsche somit sicher. Dabei hatte er schon im Viertelfinale am Rande einer Niederlage gestanden. "Die letzten Tage waren eine emotionale Achterbahnfahrt und haben sich angefühlt wie Jahre. Heute Abend werde ich sicher die eine oder andere Träne des Glücks vergießen", sagte der zweimalige Europameister.
Und ab Sonntag geht es dann schon weiter: An der Seite von Altmeister Boll kämpft Ovtcharov mit der deutschen Mannschaft um die nächste Medaille. Sein Erfolg im Einzel soll das gesamte Team beflügeln, sagte Ovtcharov und versprach: "Ich will die Jungs tragen.