Tokio. Laura Ludwig und Patrick Hausding dürfen bei der Eröffnungsfeier die Fahne tragen. Von Geisterstimmung wollen sie nichts wissen.

Ihr Image als Frohnatur hat sich Laura Ludwig hart erarbeitet. Und so war es kaum überraschend, dass sie den negativ gefärbten Fragen der deutschen Medien nach der „Geisteratmosphäre“ und der zu erwartenden „fehlenden Partystimmung“ auf der Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele in Tokio an diesem Freitag (13 Uhr/ZDF) Positives entgegnete. „Es ist hart, dass hier so viele negative Worte benutzt werden. Wir freuen uns auf die Wettkämpfe, auf das olympische Feeling, und ich bin mir sicher, dass uns die Eröffnungsfeier als Team beflügeln wird“, sagte die 35 Jahre alte Beachvolleyballerin vom Hamburger SV.

Die gebürtige Berlinerin wird die Eröffnung der Spiele aus exponierter Position verfolgen. Am Donnerstagmorgen wurde sie gemeinsam mit dem Wasserspringer Patrick Hausding als Fahnenträger-Duo für das „Team Deutschland“ gekürt; erstmals in der Olympiageschichte sind im Zuge der Gleichberechtigung Frau und Mann mit dieser Aufgabe betraut, müssen sich aber einigen, wer wann an der Reihe ist, denn es gibt nur eine Fahne zu tragen. „Ich hoffe, dass er ein Gentleman ist und die schwere Arbeit ein bisschen mehr übernehmen wird“, sagte Laura Ludwig, die an der Seite ihrer HSV-Kollegin Margareta Kozuch (34) bereits am Samstag (8 Uhr MESZ) gegen das Schweizer Topduo Tanja Hüberli/Nina Betschart in die Gruppenphase startet. Hausding ist erst am kommenden Mittwoch im Synchronspringen vom Dreimeterbrett gefordert.

Ludwig und Hausding setzten sich bei Abstimmung durch

Wie groß das deutsche Team im Olympiastadion sein wird, ist noch unklar. Eine Verpflichtung zur Anwesenheit gibt es nicht. Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), empfiehlt all jenen, die teilnehmen wollen, die sogenannte „Early Departure“, also eine schnelle Abreise, um sich keinem unnötigen Infektionsrisiko auszusetzen. „Egal, wie viele wir sein werden, wir werden es uns schön machen und Spaß haben“, sagte Ludwig.

Beachvolleyballerin Laura Ludwig beim Training in Tokio
Beachvolleyballerin Laura Ludwig beim Training in Tokio © dpa

Gewählt wurde von den 434 Aktiven im „Team Deutschland“ und von den Fans per Internet-Voting, mehr als 180.000 Stimmen wurden abgegeben. Ludwig siegte mit aus den beiden Abstimmungen addierten 30,94 Prozent vor Turnerin Elisabeth Seitz (20,83), Dressurreiterin Isabell Werth (18,39) und Ruderin Annekatrin Thiele (13,43). Für Tennisspielerin Angelique Kerber, für die man nach ihrer Absage nicht mehr abstimmen konnte, standen am Ende 16,41 Prozent zu Buche. Bei den Männern war es deutlich enger. Hausding setzte sich mit 22,65 Prozent gegen Turner Andreas Toba (22,58), Hockeyspieler Tobias Hauke (21,83), Ruderer Richard Schmidt (19,39) und Tischtennisspieler Dimitrij Ovtcharov (13,55) durch. Dessen Teamkollege Timo Boll hatte in Rio die Fahne tragen dürfen.

Für Laura Ludwig, die mit Bundestrainer Imornefe Bowes verheiratet und seit Juni 2018 Mutter von Teo Johnston ist, sind die Spiele in Japan der vierte Auftritt im Zeichen der fünf Ringe. 2008 in Peking und 2012 in London spielte sie mit Sara Goller, kam aber über Achtel- respektive Viertelfinale nicht hinaus. Der große Coup gelang der 1,81 Meter langen Abwehrspezialistin vor fünf Jahren in Rio, wo sie an der Seite der Essenerin Kira Walkenhorst Gold holte. Ein Jahr später gelang beiden als erstem deutschen Frauenduo der WM-Triumph. Zwei herausragende Erfolge, die Grund dafür waren, dass sie im vergangenen Jahr zu Deutschlands „Team des Jahrzehnts“ gewählt wurden.

Wasserspringer in der Weltelite

Patrick Hausding hätte am Donnerstag eigentlich trainieren sollen. Es geht um viel für den Berliner, bei seinen vierten und letzten Spielen will er seine dritte olympische Medaille erkämpfen. Doch Bundestrainer Lutz Buschkow teilte ihm mit, dass er dringend ins Mannschaftsbüro müsse statt zur Übungsstunde. „Es hat sich gelohnt“, so Hausding: „Ich bin sehr stolz. Es gibt bei Olympischen Spielen weitaus weniger Fahnenträger als Medaillengewinner. Das sind Dinge, die über den Sport hinausgehen.“

Seit mehr als einem Jahrzehnt gehört Hausding zur Elite des Wasserspringens, gewann bereits 2008 in Peking olympisches Silber. Vor fünf Jahren in Rio erweiterte der Rekordeuropameister (17 Titel) seine Sammlung um eine Bronzemedaille. „Er springt schon über einen sehr langen Zeitraum in der absoluten Weltspitze mit und hat das Wasserspringen mitgeprägt“, würdigte Buschkow den früheren Weltmeister (2013), der in Tokio vom Dreimeterbrett im Einzel sowie im Synchronspringen antritt.

Turmspringer Patrick Hausding beim Training in Tokio.
Turmspringer Patrick Hausding beim Training in Tokio. © dpa

Zwar rücken die Wettkämpfe für den 32-Jährigen durch die Berufung zum Fahnenträger nicht in den Hintergrund, doch die Aufgabe genießt eine außerordentlich hohe Bedeutung. „Ich kann Medaillen gewinnen, so viel ich kann, aber Fahnenträger kann man in seinem Leben nur einmal werden. An diesem Abend repräsentiert man die gesamte Nation“, so Hausding, der erst als zweiter Vertreter seiner Sportart diese Ehre erhält.

„Macht sich gut in der Vita“

Bezeichnenderweise in Tokio 1964 lief Ingrid Krämer-Engel als erste deutsche Frau überhaupt mit der Fahne ein. Ihr folgten viele weitere Größen des Sports. „Wenn man sich die Persönlichkeiten anschaut, die in den vergangenen Jahren die Fahne getragen haben, sind das alles Leute, die in Sportkreisen auch international sehr bekannt sind. Wenn man sich da einreiht, ist man im sportlichen Adel angekommen“, sagt Hausding.

Der Wasserspringer sieht neben der Ehre den praktischen Nutzen. „Das gibt ganz sicher schöne Erinnerungen. Ich denke, das macht sich ganz gut in der Vita“, so Hausding. Für eine weitere olympische Medaille würde das ebenso gelten.