Pyeongchang. Lindsey Vonn und Mikaela Shiffrin sind die US-Stars im alpinen Skisport und Rivalinnen bei Olympia. Unterschiedlicher könnten sie nicht sein.

Die eine twittert dramatische Worte über ihre chaotische Anreise von München nach Südkorea, da ist die andere längst in Pyeongchang und gestaltet ihre Vorbereitungstage monoton mit Training, Essen und Schlafen. Die eine wird auf Schritt und Tritt von ihrer Hündin begleitet und betont: „Lucy ist ein größerer Star als ich.“ Die andere verschafft sich im Hotel mit Kerzen und Musik heimelige Atmosphäre und sagt: „Ich bin ziemlich langweilig.“ Die eine trauert vor den Medien um den Verlust ihres Opas und schluchzt unter Tränen heraus: „Ich werde für ihn hier gewinnen.“ Die andere versteckt ihre Medaillen zu Hause in Socken vor Einbrechern und hat sich für die Rennen vorgenommen: „Ich will eine Medaille in jeder Disziplin, aber ich will mich auch generell hier verbessern.“

Wer Lindsey Vonn und Mikaela Shiffrin bisher in Pyeongchang erlebt hat, fragt sich eigentlich kaum noch, wer von ihnen der Superstar der Olympischen Winterspiele von Pyeongchang werden dürfte.

Am Mittwoch tragen Vonn und Shiffrin ihr Duell aus

Das Duell tragen die eine (Vonn) und die andere (Shiffrin) von Mittwoch an bis zum Ende der Spiele auf den Skipisten der Taebaek-Berge in Jeongseon (Speed) und Yongpyong (Technik) aus. Zumindest in der Abfahrt am Samstag (3 Uhr deutscher Zeit) und in der Kombination am drittletzten Wettkampftag (23. Februar) treffen die beiden sogar direkt aufeinander, Shiffrin greift bereits am Mittwoch (ab 2.15 Uhr deutscher Zeit) nach dem ersten Gold. Die beiden US-Ski-Stars überstrahlen mit ihrem Glamour (Vonn) und ihrem sportlich unwiderstehlichen Perfektionismus (Shiffrin) jegliche Konkurrenz im Kampf um den inoffiziellen Titel des Gesichts der Spiele. Möglich ist, dass sie die fünf alpinen Einzel-Goldmedaillen unter sich aufteilen.

Lindsey Vonn, 33 Jahre alt, gilt als die beste Skifahrerin der Geschichte, sie trennen elf Jahre Altersunterschied und 40 Weltcupsiege von ihrer designierten Ablösung. Nach 81 Weltcuprennen wurde für sie die amerikanische Hymne gespielt, es sind ihre vierten Olympischen Spiele seit 2002, die letzten, von denen sie „mit einem Ausrufezeichen abtreten“ will. Sprich: möglichst mit Gold in der Abfahrt, im Super-G und in der Kombination. Danach will sie noch so lange im Weltcup fahren, bis der Siegrekord des Schweden Ingemar Stenmark eingeholt ist. „Ich glaube, nächstes Jahr kann ich die 86 erreichen“, sagt sie. Vonn hätte es verdient, wenn man ihr beim 87. Triumph die Piste als Stars Spangled Banner, also in den Farben der US-Nationalflagge, herrichten würde.

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Wie es ist, eine Ikone zumindest zeitweise zu ersetzen, erlebte Mikaela Shiffrin 2014 in Sotschi. Nach den Vonncouver-Spielen vier Jahre zuvor in Kanada mit Abfahrts-Gold und Super-G-Bronze trat Lindsey verletzungsbedingt nicht in Russland an. Für das amerikanische Fernsehen war das Fehlen der bildhübschen Quoten-Queen eine Tragödie. Doch Shiffrin, gerade erst 18 Jahre jung, aber schon 2013 in ihrer erst zweiten Weltcupsaison das erste von dreimal Weltmeisterin geworden, sprang mit Slalom-Gold in die Bresche. Der Skisport, ein wichtiger Markt auf dem nordamerikanischen Kontinent, hatte seinen neuen Star. Seitdem beide gemeinsam im Weltcup fahren, hat die in diesem Winter unangefochtene Weltcupführende Shiffrin knapp 2 Millionen Euro Preisgeld eingefahren. Die von der kalifornischen Modelagentur IMG vertretene Vonn rund 800.000 Euro weniger. Dass sie insgesamt immer noch mehr eingefahren hat, liegt an ihrer doppelt so großen Anzahl an Siegen. Wobei Vonn bei ihrem ersten Triumph vor gut 13 Jahren auch noch eine Kuh als Belohnung bekam.

In Pyeongchang treten beide Ausnahmekönnerinnen nur einmal abseits der Pisten auf. Jeweils ohne ihre Teamkolleginnen, das wäre denen gegenüber unfair, wenn sie im Fragengewitter an Vonn und Shiffrin untergingen. Wenn Vonn ihr bezauberndstes Lächeln auflegt, rasseln die Apparate der Fotografen, die Kunst der Inszenierung müsste nach ihr benannt werden. Mit dabei: Spaniel-Hündin Lucy, die treue Wegbegleiterin auf Reisen: „Abends allein auf dem Hotelzimmer zu sein, ist schon schwierig.“

Nach einer gescheiterten Ehe und zerbrochenen Beziehungen unter anderem mit Golfstar Tiger Woods suche sie bei ihren Fruenden für alle Lebenslagen, den norwegischen Abfahrern Aksel Lund Svindal und Kjetil Jansrud, auch Rat bezüglich Männern: „Hoffentlich finden sie mir einen“, sagt sie und strahlt. „Ein Scherz – oder nicht?“ Die Fotoapparate surren. Doch „America’s Girl“ versteht auch das Melodramatische: Auf den Tod von Opa Don Kildow im November angesprochen, kullern Tränen über ihre Wange. „Ich vermisse ihn so sehr und weiß, er schaut auf mich herab.“

Altmeisterin Vonn gibt sich nicht so leicht geschlagen

Derlei Show ist Mikaela Shiffrin fremd, wobei sich die 22-Jährige angesichts ihrer Sponsorenverträge auch keine Gedanken um den Ertrag bei ihrer Vermarktung machen muss. Nach der Beziehung zum französischen Skikollegen Mathieu Faivre braucht man die Technik-Spezialistin gar nicht erst zu fragen, Persönliches ist tabu. Ob sie der Michael Phelps des Schwimmsports werden könne, wird nachgebohrt. „Wie viele Medaillen hat er? 23?“, antwortet sie belustigt. Allein goldene, richtig. Schwimm-Star Phelps sammelte bei Olympia sogar 28 Medaillen. Selbst wenn Shiffrin bei drei der bis zu fünf Starts Gold holen würde, was realistisch ist, und das noch bei den nächsten Winterspielen in Peking 2022 wiederholen könnte, „würde ich mich nie mit ihm in einem Satz nennen.“

Ab Mittwoch geht es ja auch erst einmal um die Herausforderung, das Olympia-Wettrennen gegen Lindsey Vonn zu gewinnen. Die sagt: „2010 war ich viel gesünder, 2018 bin ich viel stärker.“ Klingt, als gäbe sich die Altmeisterin nicht so leicht geschlagen.