Pyeongchang. . Athleten und Zuschauern leiden in Pyeongchang unter Wind und Eiseskälte. TV-Märkte in den USA und Europa bringen zusätzlich skurrile Wettkampfzeiten.
Das Hotel Park Roche in Jeongseon bietet nur halb so viele Stockwerke wie die Bettenburgen im Olympischen Dorf mit bis zu 25 Etagen, aber dafür mehr als doppelt so viel Luxus. Eine Herberge auf höchstem Niveau, die am Fuße der in den Berg Gariwangsan sprichwörtlich hineingearbeiteten Abfahrtsstrecke liegt. Die alpinen Rennfahrer sind hier untergebracht. Um zu ihrem Arbeitsort, der Olympia-Piste, zu gelangen, müssen sie das Hotel nur für wenige Schritte verlassen und dann in eine Gondel steigen. Doch dazu kamen Medaillenhoffnung Thomas Dreßen und Andreas Sander am Sonntag gar nicht wie geplant.
Das Wetter als Störfaktor
Der Wind stürmte mit 100 km/h gegen das Gebäude, die Gondel zur Bergstation stand still, die Abfahrt wurde abgesagt und auf Donnerstag verschoben. „Die einzig‘ richtige Entscheidung“, sagte der Ennepetaler Sander, der Mittenwalder Dreßen schob nach: „Mei, is scho schade, aber aufs Wetter haben wir Athleten keinen Einfluss.“ Am ersten Wochenende der 23. Winterspiele war es vielmehr umgekehrt: Das Wetter nimmt Einfluss auf die Athleten und den Wettkampfkalender. Die Olympiastimmung wird in den Abendstunden schockgefroren, gegen klirrende Kälte und Windböen hilft nicht einmal, sich zwiebelgleich in mehreren Schichten zu vermummen.
Eine verlegte Disziplin wie die Abfahrt, die ausgefallene Qualifikation der Snowboarderinnen im Slopestyle und das wegen Schneefalls zeitlich nach hinten verschobene Finale der Rodler stehen für Unwägbarkeiten, mit denen man im winterlichen Freiluftsport zu rechnen hat.
Weil die Eiseskälte im Nordosten Südkoreas aber an die Rekordwerte heranreicht, werden die Biathleten Laura Dahlmeier und Arnd Peiffer vor halbleeren Tribünen Olympiasieger, finden sich bei Andreas Wellingers Blumenzeremonie nach Mitternacht im Skisprungstadion nur noch 200 Unverwüstliche auf den Rängen wieder. Eine gespenstische Kulisse angesichts eines Fassungsvermögens des Alpensia Skisprung Centers von 13 500 Zuschauern. Bei minus 12 Grad, die sich mit peitschendem Wind im Gesicht wie minus 21 Grad anfühlten, hatte Wellinger sogar Verständnis dafür: „Zu denen, die da noch um 0 Uhr stehen, muss ich sagen: Respekt. Es war arschkalt.“ Und für Dienstag sind sogar minus 18 Grad vorhergesagt.
Aus Wellinger mag die Milde des Goldmedaillengewinners gesprochen haben, als er sagte: „Ich hätte da oben auch allein stehen können – das wäre mir egal gewesen, weil man so mit sich selbst beschäftigt ist.“ Andere sind da drastischer: Skisprung-Bundestrainer Werner Schuster bezeichnete die Atmosphäre als „Typ Deutschlandpokal“, weil die Spiele in einem Land ausgetragen werden, „in dem es keine Tradition und Kultur für unseren Sport gibt.“ Und Dirk Schimmelpfennig, Chef de Mission von Team Deutschland, wählte qua Amt salomonische Worte, fand Trost in der schwarz-rot-goldenen Ausbeute: „Es war richtig kalt, aber irgendwie auch total heiß.“
Als aufgeheizt stellt sich die Atmosphäre freilich woanders dar. Nämlich dort, wo südkoreanische Sportler vertreten sind und sogar Gold holen: vor allem im Shorttrack und Skeleton, die Eishockeyhalle ist gut besucht, bei Snowboardern und Freestylern ist die Party fester Bestandteil des Ablaufs.
Das Fernsehgeld bestimmt den Plan
Dagegen hätten noch 39 Prozent der verfügbaren Tickets verkauft werden können, um die Biathleten zu sehen. Sie sind wie Skispringer, Rodler und Bobfahrer als aussichtsreiche deutsche Freiluft-Athleten besonders gekniffen: Um die in Europa populären Sportarten zu verträglichen Sendezeiten auszustrahlen, müssen sie in Pyeongchang grundsätzlich abends ran. Die Amerikaner sind dagegen verrückt nach Eiskunstlauf. Die US-Prime-Time liegt gemäß der Zeitverschiebung in den Morgenstunden – und die Fans sitzen bei Sonnenschein in einer Halle.
Das Fernsehgeld bestimmt halt den Ablaufplan bei den Olympischen Winterspielen. Wer davon überrascht ist, sollte sich jetzt aber besser warm anziehen…