Rio de Janeiro. . Horst Hrubesch hat in kürzester Zeit eine Mannschaft geformt, die Unglaubliches geleistet hat. Ein Silber, das Gold wert ist.

Am vorletzten Olympia-Tag war’s in Deutschland wie immer im Sport. Alle reden über Fußball. Am Morgen über die Goldmedaille für die Deutschen und ihre Bundestrainerin Silvia Neid. Am Mittag über Brasiliens WM-Rache an den Deutschen. Und am Abend, als Neymar mit aller Wucht den Elfer gegen Deutschland versenkte, über Neymar, Neymar, Neymar. Und mehr noch über Horst Hrubesch.

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Über jenen Mann, der einst in der 2. Liga Tore für Rot-Weiss Essen schoss, später beim HSV Triumphe feierte und jetzt aus einer Ansammlung ordentlicher Fußballprofis eine Mannschaft um den Schalker Max Meyer formte.

Gerade hatte er als DFB-Trainer im Olympia-Finale sein allerletztes Länderspiel verloren, 5:6 nach Elfmeterschießen, und sagte den großen Satz: „Wir verlassen Rio als Sieger und nicht als Verlierer.“

Hrubesch ist zum Helden geworden

Im Hintergrund taumelten Neymar und seine Brasilianer mit ihrer Goldmedaille von einer Endorphinwelle zur nächsten, als Hrubesch mit der Weisheit seiner 65 Jahre die Herzen der TV-Zuschauer gewann. Im Schnitt 8,25 Millionen Fernsehzuschauer hatten das Olympia-Finale von Samstag auf Sonntag bis nach 1 Uhr in der ARD gesehen. Ein Marktanteil von 43,6 Prozent. Auch das: Olympiarekord. Und Hrubesch stieg zum Helden auf.

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„Sehen Sie mich weinen?“ fragte er , „ich lache die ganze Zeit!“ Der dicke Bauch wölbte sich unter dem schwarzen T-Shirt, der Schweiß perlte sich an der Stirn. Er ist keiner für den Versandhauskatalog.

Keiner, der logistische Wunder vollbringt, um beim Fußball die Erfolgswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Für Tage zog er mit seinen Junioren ins Olympische Dorf, um die Atmosphäre beim Fest der Jugend zu spüren. Am Finaltag sagte er der Mannschaft: „Der Bus fährt um halb zwei. Seht zu, dass ihr vorher etwas Ordentliches esst.“ Sechs Spiele in 16 Tagen, riesige Entfernungen von einem Spielort zum nächsten – da ließ es Hrubesch menscheln.

Neymar schoss das Siegtor

„Der Trainer ist wie ein Vater“, sagte Kapitän Max Meyer. „Wir wollten ihm Gold schenken, aber das hat leider nicht geklappt. Trotzdem können wir stolz sein. Wir waren zusammengewürfelt, hatten noch nie zusammengespielt und erstmals vor dem ersten Spiel zusammen trainiert.“ Dieser Teamgeist: alles Hrubeschs Verdienst.

Was für ein Gegensatz zu einem Superstar wie Neymar, dem sie noch auf dem Spielfeld eine gebastelte Krone auf den Kopf zwängten. Neymars Marketing-Leute werden das Olympia-Gold versilbern. Hrubeschs Silber aber ist Gold wert. Er ist jetzt eine Olympia-Legende.

Brasilien war mit einem traumhaften Neymar-Freistoß in der 28. Spielminute in Führung gegangen. In der 59. Minute glich Max Meyer aus – das erste Gegentor für Brasilien beim Olympia-Turnier. Beide Seiten kämpften bis zur Erschöpfung, bis die Entscheidung im Elfmeterschießen herbeigeführt werden musste. Meyer, Süle, Brandt, Ginter – alle hatten ihren Elfmeter gegen Torwart Weverton verwandelt, bevor der Freiburger Nils Petersen, mit 27 Jahren einer der ältesten im Team, seinen verschoss. Neymar setzte das Siegtor.

Die 1:7-Niederlage ist allgegenwärtig

„Ich bin sicher, dass dieser Sieg das brasilianische Volk stolz macht und ihm das Vertrauen in den Fußball zurückbringt“, sagte Nationaltrainer Micale.

Man merkt bei jedem Satz der Brasilianer: Das 1:7 im WM-Halbfinale gegen Deutschland ist bei jedem allgegenwärtig.

„Der Fußballgott“, philosophierte Torwart Weverton, „war heute wieder Brasilianer.“