Essen. Viele Sportler suchen einen Startplatz bei Olympia wie Fußballer einen Klub. Es ist ihnen egal, für wen sie spielen. Doch bei Olympia geht es um den sportlichen Vergleich von Nationen. Ein Kommentar.

Die Silber-Medaille der deutschen Frauen im Tischtennis ist ein überraschender wie großartiger Erfolg: Noch nie holten deutsche Frauen eine Tischtennis-Medaille bei Olympia. Respekt und Glückwünsche sind angebracht.

Doch zur Wahrheit gehört auch: Neben Petrissa Solja aus Berlin traten zwei gebürtige Chinesinnen für Deutschland an, die maßgeblich an dem Erfolg beteiligt sind. Han Ying und Shan Xiaona sind in China aufgewachsen, trainierten in den Schmieden der Tischtennis-Großmacht. Erst vor knapp zehn Jahren kamen die heute 33-Jährigen nach Deutschland. Han hat seit 2010, Shan seit 2012 die deutsche Staatsbürgerschaft. Mit ihnen wurden die deutschen Frauen dreimal in Folge Team-Europameisterinnen. Jetzt der Silber-Triumph bei Olympia.

China-Import hat im Frauen-Tischtennis Tradition

Im Frauen-Tischtennis hat der China-Import Tradition. In Rio gingen Li Xue für Frankreich, Li Fen für Schweden, Li Jiao für die Niederlande und Liu Jia für Österreich an den Tisch. In ihrem Geburtsland hatten sie keine Chance auf eine Olympiateilnahme. Darum suchten sie sich einen Startplatz wie Fußballer einen Klub. Es kann ihnen egal sein, für wen sie spielen. Dabeisein ist alles. Nur: Bei Olympia geht es um den sportlichen Vergleich von Nationen. Nicht um Medaillenjagd um jeden Preis. Die Sportler machen nichts Verbotenes. Das Regelwerk müsste strenger sein, damit nicht Medaillen erschlichen werden können.

Auch in anderen Sportarten sind solche Taktiken zu sehen. Die Türkei lässt Leichtathleten aus Äthiopien starten, von denen einige die Türkei noch nie betreten haben. Katars Handballer präsentieren einen zusammengekauften Kader aus Montenegriern, Kubanern, Spaniern, Franzosen und Bosniern. Auch in anderen Sportarten starten eingebürgerte Katari: wie der Tischtennis-Profi Li Ping, gegen den Dimitrij Ovtcharov gewann. An dieser Stelle wird der Unterschied deutlich. Ovtcharov kam als Kind mit seinen Eltern aus der Ukraine nach Deutschland, wuchs mit Land und Sprache auf. Nicht ungewöhnlich in Deutschland. Hier wurde er zu dem Sportler, der er heute ist.

Oder der Boxer Artem Harutyun­yan. Als er ein Kleinkind war, floh seine Familie mit ihm aus Armenien. Als er eine Bronze-Medaille in Rio sicher hatte, widmete er sie „meinem Team, meinem Land, meiner Stadt“. Er meinte: Deutschland, Hamburg.