Rio de Janeiro. . Turnstar Fabian Hambüchen hat sich im Finale am Reck bei seinen letzten olympischen Spielen seine erste Einzel-Goldmedaille gesichert.

Jetzt hat er endlich den Turn-Olymp erklommen. Das nennt man wohl die goldene Serie: Nach Bronze 2008 in Peking und Silber 2012 in London hat Fabian Hambüchen mit dem Olympiasieg in Rio de Janeiro am Reck seine Karriere gekrönt. Jetzt kann er voller Stolz abtreten. Der nur 1,63 Meter kleine Sportler ist damit endgültig der größte deutsche Turner der jüngeren Vergangenheit und schon jetzt einer der heißesten Kandidaten für die Wahl zum Sportler des Jahres 2016.

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Es war nicht nur der größte Erfolg in seinem 28-jährigen Leben, es war auch die größte Geduldprobe, die er an diesem Dienstag in der olympischen Turnhalle bestehen musste. Hambüchen musste als erster ans Gerät, zauberte größte Schwierigkeiten ans Reck und wurde mit 15.766 Punkten belohnt. Eine Super-Note, aber würde sie wirklich zum Gold reichen? Sieben andere Turner warteten noch auf ihre Goldchance. Als nächster war der Holländer Epke Zonderland dran. Ausgerechnet Hambüchens härtester Rivale der vergangenen Jahre. Aber der Olympiasieger griff daneben und fiel auf die Weichmatte. “Großer Respekt für Fabian, ganz toll. Ein großes Karriereende, er verdient das. Er wird uns fehlen”, sagte der 30-jährige Zonderland später.

Noch sechs. Noch fünf. Noch vier. Noch drei. Noch zwei. Hambüchen fiel seinem Vater Wolfgang in die Arme. Medaille sicher. Und als auch die letzten beiden Konkurrenten nicht vorbei ziehen konnte, kannte der Jubel bei dem deutschen Olympiasieger keine Grenzen. Alle wollte er umarmen, Rivalen, den Vater, die Betreuer und wenn er die Zeit gehabt hätte, wahrscheinlich jeden Zuschauer in der voll besetzten Halle. Fabian Hambüchen ist einer der prominentesten deutschen Sportler. Das liegt nicht nur an seinen Erfolgen, sondern auch an seiner, sagen wir mal, offenen Art.

Hambüchen nahm 2004 zum ersten Mal an Olympia teil

Deutschland hat über zwölf Jahre den Weg dieses Turn-Hochbegabten verfolgt, Hambüchen hat sich nie versteckt und ist im Gegenteil auch gern von sich in die Öffentlichkeit gegangen. In einer Mischung aus Ehrlichkeit und Naivität. Das hat nicht allen seinen Kollegen gefallen. Als Hambüchen 2010 im Alter von 22 Jahren seine Biografie schreiben ließ, erntete er Hohn und Spott von den anderen deutschen Turnern. So beschrieb Hambüchen unter anderem, wie ihn seine Mutter beim Sex mit seiner damaligen Freundin erwischte. Zudem schilderte der Wetzlarer, wie Drogen seine Beziehung mit seiner ersten Partnerin bereits nach drei Monaten zerstörten - die Freunde der Liebsten übten nicht an Barrenholmen und Reckstangen, sie kifften vielmehr ständig und überall.

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Seine Freundinnen präsentierte Hambüchen immer sehr gern und sprach auch in jedem Interview über sie. Bis heute. Jetzt erzählte er in der Bild-Zeitung, was der eigentliche Grund seines Abschieds von Olympia sei. Er habe nämlich immer eine andere Freundin bei seinen Auftritten gehabt: “Ich will keine andere mehr haben. Mit Marcia habe ich die perfekte Frau gefunden.“ Aha.

2004 nahm Hambüchen zum ersten Mal an Olympischen Spielen teil. Mit 16 Jahren war er damals der Jüngste im Olympiateam. Auch damals erzählte er schon gern und turnte bereits höchste Schwierigkeiten. Wegen seiner großen Brille, die er damals auch noch an den Geräten trug, nannten ihn seine Kollegen wahlweise “Harry Potter” oder “Professor”. Die Brille ließ ihn aussehen wie ein altkluges Wunderkind mit den Armen eines Kugelstoßers. Längst trägt er die praktischeren Kontaktlinsen. Aus dem jungen Naseweis wurde 2008 der Favorit am Reck. Olympiasieger wollte der amtierende Weltmeister werden. Nur das Gold zählte in seinem Kopf. Aber dann scheiterte er an seinem Lieblingsgerät am zu immensen Erwartungsdruck. Die Bronzemedaille war damals eine große Enttäuschung für ihn. Ganz im Gegensatz zu London 2012, als er sich nach einer komplizierten Achillessehnen-Verletzung über Silber freute, als wäre es die Gold-Medaille.

Entwicklung zum Teamplayer

Inzwischen ist Hambüchen reifer, erwachsener geworden. Zwar ist er immer noch Stammgast im Fernsehen, von “Wer wird Millionär” bis zu Rollen in Soaps, doch hat er sich zu einem Teamplayer entwickelt. Das war auch in Rio deutlich zu beobachten. Die Zeiten des isolierten Professors sind vorbei. Ziemlich beste Freunde sind die deutschen Turner inzwischen, auch wenn die Betonung immer noch auf dem ersten Wort zu liegen scheint. Erfolg weckt eben auch Neid. Doch am Dienstag werden sich auch die einstigen Kritiker mit Hambüchen gefreut haben. Er hat es verdient.