Rio de Janeiro. Was für eine Karriere: Isabell Werth holte am Montag ihre zehnte Olympia-Medaille - diesmal Silber. Kristina Bröring-Sprehe komplettierte den Erfolg.

Als Isabell Werth auf ihrer nachtschwarzen Stute Weihegold nach der Kür aus dem olympischen Dressur-Viereck ritt, ließ sie kurz die Zügel los und animierte mit beiden Händen die deutschen Zuschauer, eine La-Ola-Welle zu starten. Und die mit schwarz-rot-goldenen Fahnen ausgestattenen Fans verabschiedeten das deutsche Paar wie von der 47-jährigen Rheinbergerin gewünscht aus dem olympischen Stadion. Einige Minuten später blinkte das Ergebnis ihrer glanzvollen Vorstellung auf: 89.071 Prozentpunkte. Werth hatte sich im milden brasilianischen Winter bei Temperaturen von 34 Grad auf dem Abreitplatz unter einen Baum geflüchtet, fand dann aber noch genügend Energie, um dieses starke Ergebnis gebührend zu bejubeln. Silber holte Werth mit Weihegold hinter der alle überragenden Britin Charlotte Dujardin (93.928) mit Valegro, Bronze ging ebenfalls nach Deutschland an Kristina Bröring-Sprehe mit Desperados (87.142). Das Dressurreiten ist fest in Frauenhand. Nach sechs Gold- holte Werth damit ihre vierte Silbermedaille und stellte einen Rekord der olympischen Reiter-Geschichte auf: Zehnmal stand noch niemand auf dem Podium.

“Als Charlotte die 93 Punkte erhielt, habe ich gedacht, okay, das Weltwunder schaffst du hier nicht mehr, aber ich habe alles gegeben”, sagte Werth. “Ich bin super happy mit einer Gold- und einer Silbermedaille. Anfang des Jahres wusste ich doch noch gar nicht, ob ich überhaupt nach Rio fahren kann.” Ihre Top-Pferde Don Johnson und Bella Rose fielen aus und Werth setzte kurzfristig auf Weihegold. Ein golden-silberner Griff.

Die Bedingungen in Rio hatten nicht nur den Reitern, sondern vor allen den Pferden alles abverlangt. An einem Tag 20 Grad, am anderen 34. Ein schwieriges Unterfangen. “Es war ordentlich warm. Eine große Herausforderung für die Pferde. Aber am Ende war es für mich eine große Show. Ich habe es genossen.”

Weihegold ist Pferd Nummer drei

Auch Kristina Sprehe-Bröring zeigte mit ihrem bildschönen Desperados eine glanzvolle Kür. Keine Wackler, keine Unsicherheiten: Pferd und Reiter in fast pefekter Harmonie. Die Trägerin der Ehrenmedaille der Wiener Hofreitschule holte noch einmal alles heraus. “Ich bin nach den Tagen hier in Deodoro jetzt ein bisschen müde”, sagt Bröring-Sprehe. “Langsam geht die Luft heraus. Das heiße Wetter macht vor allem den Pferden zu schaffen. Natürlich lag ein großer Druck auf uns, aber nach dem Mannschafts-Gold konnten wir gelassener an die Sache herangehen.”

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Wie schon vor vier Jahren in London war Charlotte Dujardin mit ihrem Valegro auch in Rio nicht zu bezwingen. Im Grand Prix Spécial des Mannschaftswettbewerbs hatte sich das Duo noch kleine ungewohnte Patzer geleistet, doch Isabell Werth hatte schon gewarnt: “Das wird Charlotte kein zweites Mal passieren. Sie ist und bleibt die Favoritin für die Kür.” Werth sollte richtig liegen. Die 31-Jährige aus Nordlondon mit dem französisch klingenden Namen zeigte mit ihrem Valegro nicht nur wunderbare Galopp-Pirouetten, sie brillierte auch in allen anderen technischen Elementen und zeigte eine an Harmonie zwischen Reiter und Pferd kaum zu überbietende Kür.

“Valegro ist mein Tanzpartner”, sagt Dujardin über ihr Pferd. Die Lektionen der zu Musik gerittenen Kür sind auch Unterhaltung – vergleichbar mit einer TV-Show. das ist nicht neu. An italienischen Adelshöfen gab es bereits im 17. Jahrhundert Ballette zu Pferd. Kaiser Leopold I. importierte diese Ideen und ließ sie in Wien aufführen. Selbst Beethoven sagte sich so etwas wie “let's dance” – und komponierte “Musik für ein Reiterballett”.

Dujardin und Valegro beherrschen diesen nach Olympia gebrachten Tanz am besten.

Gelernt hat sie es von ihrem britischen Teamkollegen Carl Hester, der mit Nip Tuck auf dem siebten Platz landete. Hester hatte Dujardin vor zehn Jahren als Aushilfe in seinem Reitstall eingesetzt und sie nicht mehr gehen lassen, als er sah, welch große Begabung diese junge Reiterin hatte.

Valegro hat sie als Fünfjährigen erstmals geritten, zusammen haben sie einen unvergleichlichen Aufstieg in der Dressur-Welt hingelegt. Weil Dujardin und Valegro so gut harmonierten, verzichtete Hester darauf, den Wallach selbst zu reiten. Ähnlich wie es auch Isabell Werth schon mehrfach betont hatte, macht auch Dujardin die Ausbildung des Pferdes so viel Spaß wie die Wettkämpfe selber. "Niemals würde ich mich auf ein gemachtes Pferd setzen, das von anderen ausgebildet wurde. Man verpasst das Beste." Dujardin nicht: Sie hat jetzt zwei Olympiasiege in Serie genossen. Und der 14-jährige Valegro darf jetzt in Rente gehen.