Rio de Janeiro. Diskuswerfer Robert Harting ist in der Qualifikation gescheitert. Schuld war ein Lichtschalter in seinem Zimmer – die Schmerzen waren zu heftig.
Seine Enttäuschung konnte Robert Harting nicht verbergen. Aber wenige Minuten nach dem schlimmsten Moment seiner Karriere hatte der Olympiasieger schon zur Sachlichkeit zurückgefunden. „Es tut mir ganz tief weh“, sagte der 31-Jährige und meinte damit nicht den Hexenschuss, der ihn am Mittwochabend völlig überraschend aus der Bahn geworfen hatte. Sondern sein Scheitern in der Qualifikation für das Diskus-Finale der Olympischen Spiele in Rio an diesem Samstag. Nur der 15. Platz mit 62,21 Metern – „jeder Blinde mit Krückstock konnte sehen: Das war nicht Robert Harting, der da geworfen hat, sondern jemand anderes“.
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Mit leiser Stimme erzählte der dreimalige Weltmeister von dem Missgeschick, das ihm am Mittwochabend passiert war. Er hatte in seinem Zimmer im Olympischen Dorf auf dem Bett gesessen und das Licht ausgeschaltet – mit dem Fuß. Keine große Sache, die Wand ist in dem kleinen Raum nur einen Meter entfernt, aber eine mit großen Folgen. Er habe zunächst ein Ziehen im Rücken gespürt, sei aber gut eingeschlafen. Am nächsten Morgen jedoch konnte Robert Harting sich kaum noch bewegen.
„Dann war großer Alarm“, erzählte er. Alle deutschen Physiotherapeuten und Ärzte, die etwas von der Sache verstünden, erklärte der Berliner, seien herbeigeeilt, um einen Notplan zu entwickeln. Natürlich konnte der nicht so gelingen, dass er bereit war für einen olympischen Wettkampf, trotz aller Spritzen und Schmerzmittel, die er eingenommen hatte. „Andere“, sagte er, „lassen sich bei einem Hexenschuss drei Wochen krankschreiben. Das kann ich jetzt auch tun.“
Harting zuletzt in Topform
Doch Harting wäre nicht Harting, hätte er nicht vorher versucht, das Unmögliche möglich zu machen. Ein kleines sportliches Wunder oder Zeichen seiner enormen Willensstärke, dass er nach zwei ungültigen Qualifikationsversuchen im dritten die Scheibe tatsächlich auf 62,21 Meter schleuderte, obwohl er kaum Kontakt zum Boden spürte und keinen richtigen Wurfrhythmus hatte. Noch einmal Hoffen und Bangen für ein paar Sekunden, dann die Erkenntnis: 48 Zentimeter weiter – und er wäre ins Finale geschlüpft. Den dafür entscheidenden zwölften Rang belegte so Philip Milanov. Der Belgier ist WM-Zweiter des vergangenen Jahres, was zeigt, dass nicht nur der Deutsche Probleme hatte. Aber der hatte die größten.
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Wäre die kuriose Geschichte mit der Verletzung nicht passiert, „ich wäre noch enttäuschter gewesen“, sagte er. So war es wie eine Ironie des Schicksals, denn seit nun fast zwei Jahren ist ihm jetzt schon das Pech treu. Das Elend begann im September 2014 beim Waldlauf mit einem Sturz und dem folgenden Kreuzbandriss, der ihn zu einer Wettkampfpause von eineinhalb Jahren zwang.
Harting kämpfte sich trotz kleinerer Rückschläge verbissen zurück und schien bei den Deutschen Meisterschaften in Kassel vor zwei Monaten fast wieder der Alte zu sein. Mit der Weite von 68,04 Metern gewann er seinen neunten Titel und sicherte sich das Rio-Ticket. Kurz vor den Spielen bat er zum Medientraining nach Kienbaum und präsentierte sich dort in Topform und bei bester Laune.
Trainingslager in Portugal
Anschließend reiste er noch mit dem Bruder, Julia Fischer und Trainer Torsten Schmidt ins Trainingslager nach Portugal. Noch einmal schmerzte das Knie, aber auch dieser vermeintlich letzte Rückschlag wurde überstanden. Bis der Lichtschalter kam. Und der Energieschalter mit ausgeknipst wurde.