Essen. Das IOC verschiebt nach der Aufdeckung des Doping-Skandals die Entscheidung über die Teilnahme bei Olympia. Nun wird ein Urteil über die Leichtathleten gefällt.

Die Sportwelt blickte am Dienstag nach Lausanne. Wird die russische Mannschaft von den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro ausgeschlossen, darf sie nur in einigen olympischen Sportarten starten, oder bleibt es nur bei der Suspendierung der Leichtathleten? Am Nachmittag dann die Antwort auf die brisanteste sportpolitische Frage der letzten Jahrzehnte: Das Internationale Olympische Komitee (IOC) verhängt nach den Enthüllungen des McLaren-Reports zunächst keinen Olympia-Ausschluss gegen Russland.

Der am Montag von der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada veröffentlichte McLaren-Bericht wirft Russland jahrelanges, systematisches Doping unter staatlicher Federführung vor. Wir beleuchten, wie es jetzt in dem wohl größten Dopingskandal der Sportgeschichte weitergeht.

Wer trifft die Entscheidung über die olympische Zukunft Russlands?

Die 15-köpfige IOC-Exekutive unter Leitung des Präsidenten Thomas Bach. Am Dienstag hat das Gremium in einer mehrstündigen Telefonkonferenz über den brisanten Fall beraten und die Entscheidung vertagt. Zu den Exekutivmitgliedern gehören auch die früheren Olympiasieger Sergej Bubka (Stabhochsprung) und Nawal El Moutawakel (400 Meter Hürden) sowie Juan Antonio Samaranch Salisachs, Sohn des langjährigen, hleichnamigen IOC-Präsidenten.

Warum gibt es noch keine Entscheidung über die Startberechtigung der russischen Mannschaft?

Das IOC will zunächst den Ausgang des Verfahrens am Donnerstag abwarten, das derzeit vor dem Internationalen Sportgerichtshof (Cas) wegen des Komplettausschlusses der russischen Leichtathleten von den Olympischen Spielen geführt wird. Insgesamt 68 russische Leichtathleten wollen mit einer Sammelklage ihre Suspendierung durch den Leichtathletik-Weltverband abwenden.

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Gibt es nach den neuesten Enthüllungen über die Manipulationen bei den Winterspielen 2014 in Sotschi, der Leichtathletik-WM 2013 in Moskau und der Schwimm-WM 2015 in Kazan Sofort-Maßnahmen?

Ja. Das IOC setzte eine fünfköpfige Disziplinar-Kommission unter Leitung des Franzosen Guy Canivet, stellvertretender Vorsitzender der IOC-Ethikkommission, ein. Die Gruppe soll einen kompletten Ausschluss Russlands gegen das individuelle Recht der Sportler auf eine gerechte Behandlung gegeneinander abwägen. Nachtests aller russischer Dopingproben der Winterspiele in Sotschi werden durchgeführt. In Russland werden vorläufig keine IOC-Sportveranstaltungen mehr organisiert, auch nicht die geplanten Europaspiele 2019. Kein Mitglied des russischen Sportministeriums hat eine Akkreditierung für Rio erhalten.

Wie reagiert der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) auf die Hängepartie?

DOSB-Präsident Alfons Hörmann lobte die Vertagung der Entscheidung. „Ich denke, es ist eine kluge Entscheidung, abzuwarten, wie die Dinge am Donnerstag vor dem Cas dargestellt werden“, sagte Hörmann: „Es geht nicht um eine schnelle Entscheidung, sondern eine bestmögliche. Es geht nicht nur um Rio, sondern um einen Meilenstein im Anti-Doping-Kampf.“

Hat der McLaren-Report auch Auswirkungen auf den russischen Fußball oder sogar die Ausrichtung der Fußball-WM 2018?

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Unter den 643 verschwundenen und damit negativ gewordenen positiven Dopingproben sollen elf aus dem Fußball gewesen sein. Außerdem forderte die Wada den Fußball-Weltverband (Fifa) auf, die Rolle des russischen Sportministers Witali Mutko zu überprüfen. Mutko ist Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees.

Gab es schon Ausschlüsse von Nationen bei Olympia?

Ja. Deutschland wurde nach den Weltkriegen dreimal (1920, 1924 und 1948) nicht eingeladen. Weitere Fälle: Österreich, Ungarn, Bulgarien und die Türkei (alle 1920), Japan (1948), Südafrika (1964 bis 1988, Apartheid), Rhodesien (1972, Apartheid), Rest-Jugoslawien (1992, Balkankrieg).