Essen. Bericht ergibt: Der Staat hat Doping gefördert. Wada fordert Rio-Aus des Teams. Das Olympische Komitee und Thomas Bach geraten unter Druck.

Es lag schon länger in der Luft und hat sich jetzt bestätigt: Der russische Staat hat Sportler zum Doping getrieben – oder sie wenigstens nicht davon abgehalten. Davon gehen zumindest die Ermittler der Wada aus, der Welt-Anti-Doping-Agentur. Sie haben am Montag ihre Erkenntnisse öffentlich gemacht.

Damit könnte ein Ausschluss aller russischen Sportler von den Olympischen Spielen im kommenden Monat in Rio de Janeiro näher rücken. So wie es ein Wada-Sprecher kurz nach den Veröffentlichungen bereits gefordert hat. Bislang waren nur die russischen Leichtathleten von den Spielen ausgeladen worden.

Was Chefermittler Richard McLaren und seine Crew da herausgefunden haben, hätte vor wenigen Jahren noch die Vorstellungskraft vieler sauberer Sportler überstiegen. Weil zuletzt aber schon einige Doping-Details ans Licht gekommen waren und der russische Sport immer mehr ins Abseits geriet, sind die neuen Nachrichten nun eine Bestätigung des üblen Verdachts.

Einer der größten Skandale im Weltsport

Laut Wada sind in Russland Dopingproben manipuliert und olympische Medaillen auf betrügerischem Weg gewonnen worden. Der Staat, allen voran das Sportministerium, habe Doping im Spitzensport jahrelang geschützt und gefördert. Sogar der Geheimdienst soll seine Finger im Spiel gehabt haben. Mit diesen Enthüllungen wird der Weltsport von einem seiner größten Skandale erschüttert – und das keine drei Wochen bevor in Rio das olympische Feuer zu lodern beginnt.

Konkret geht es in dem Wada-Bericht, der im kanadischen Toronto präsentiert wurde, um Vorfälle in den Jahren 2012 bis 2015. Mindestens 643 positive Dopingproben russischer Athleten aus rund 30 Sportarten seien in diesem Zeitraum auf wundersame Weise verschwunden und damit zu negativen Proben gemacht worden, heißt es auf den 97 Seiten.

Betroffen seien neben den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 auch die Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2013 in Moskau und die Schwimm-Weltmeisterschaft 2015 in Kasan.

Bach gerät in arge Nöte

Der Doping-Schock bringt das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit dem Deutschen Thomas Bach an seiner Spitze kurz vor den Sommerspielen in Rio in arge Nöte. Bach hatte zwar immer wieder „null Toleranz“ in Sachen Doping gefordert, bislang aber auch eine Kollektivstrafe abgelehnt. Gut möglich, dass sich das jetzt ändert. Am Montag sagte er: „Die Ergebnisse des Berichts zeigen einen schockierenden Angriff auf die Integrität des Sports und die Olympischen Spiele.“ Das IOC werde nicht zögern, die härtest möglichen Sanktionen zu ergreifen. Am Dienstag solle auf einer IOC-Eilkonferenz das weitere Vorgehen besprochen werden.

Der öffentliche Druck, Russland komplett von Rio auszuschließen, steigt. Auch von Seiten der deutschen Anti-Doping-Agentur: „Die Nada fordert das Internationale Olympische Komitee auf, dafür zu sorgen, dass russische Sportlerinnen und Sportler nicht zu den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro zugelassen werden“, sagte Nada-Chefin Andrea Gotzmann.

Und wie äußern sich die Russen? Sportminister Witali Mutko weist die schweren Anschuldigungen als „sinnlos“ ab. Vielmehr wittern die russischen Funktionäre eine westliche Verschwörung.