Mercedes fährt gegen sich selbst - Fluch oder Segen?
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Monte Carlo. . Der Rennstall beherrscht im Moment den Wettbewerb, das wurde auch in Monte Carlo wieder deutlich. Die Frage ist, ob das schlechte Verhältnis zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg beide weiter zur Leistung treibt oder auf Dauer doch schadet.
Nico Rosberg sagt neuerdings tatsächlich „der Kollege“, wenn er Lewis Hamilton meint. Er sagt es mit Gleichgültigkeit, vielleicht auch ein bisschen verächtlich. Hamilton sagt es nochmal etwas schärfer: „Wir sind keine Freunde, wir sind Kollegen.“
Die Krisensitzung bei Mercedes vor dem Großen Preis von Monaco hat zwar fürs erste die erhöhte Unfallgefahr gebannt, aber sie hat die Fronten im Rennstall auch verhärtet. Wenn Hamilton, Zweiter hinter dem Deutschen in Monte Carlo und jetzt auch wieder in der Formel-1-Weltmeisterschaft, direkt neben Rosberg sitzt oder steht, dann herrscht Eiszeit.
Bei der Siegerehrung hüpfte der Brite vom Podium, mühsam konnte er fürs offizielle Foto wieder eingefangen werden. Den Hindernisparcours an der Cote d’Azur mit dem fünften Doppelsieg in Folge bewältigt zu haben, zeugt von der Überlegenheit des Werksrennstalls. Aber die „Inteamfeindschaft“ spitzt sich weiter zu, hin zur Psycho-WM.
Mercedes fährt gegen sich selbst
Tabellenführer Rosberg, den Wiedererstarkten, schreckt das nicht. Mit seinem zweiten Erfolg nachein-ander in Monaco habe er das „Momentum“ Hamiltons gebrochen. Was jetzt vom Briten kommt, und was sich schon während der 78 Runden durch permanentes Jammern und Fordern über Boxenfunk andeutete, ist der mentale Angriff.
„Es kann einen nicht so viel überraschen, wenn man sich schon kennt, seit man 13 Jahre alt ist“, gibt sich Nico Rosberg gelassen, „viele Dinge erinnern mich an die Zeit, als wir jünger waren.“ Dass ihm der Gegenspieler pure Absicht beim Parkmanöver in der Qualifikation unterstellt, dass dieser in der ersten Wut einen schmutzigen Stallkrieg wie zwischen Senna und Prost androht, all das kann dem Strahlemann nicht gefallen – obgleich ihn dieser Vergleich ehre.
Nadelspitzen, aus denen Giftpfeile werden. So lange Mercedes ob der Überlegenheit nur gegen sich selbst fahren kann, liegen Verzweiflungsmanöver auf Gegenseitig immer drin. Auch wenn Hamilton jetzt matt relativiert, die Androhung eines absichtlichen Crashs sei nur ein Witz gewesen. Die Silberpfeile machen die Formel 1 langweilig – und spannend zugleich.
Die gesteigerte Rivalität könnte das Team spalten
Viele Verschwörungstheorien scheinen etwas weit hergeholt, aber sie künden vom frostigen Klima im Team, nur Daimler-Lenker Dieter Zetsche empfindet den Krach seiner beiden Chauffeure als fröhlich: „Es knistert, das kann ja gar nicht anders sein. Man kann Lewis nicht zufriedenstellen, wenn er nicht gewinnt. Das ist der Grund, warum er so schnell ist. Es geht um die WM, da gehen die natürlich nicht Arm in Arm durch die Boxengasse.“
Rosberg feiert "Heimsieg"
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Nach Rosbergs Parkmanöver in der Qualifikation, das Hamilton immer noch für böse Absicht hält, hat es erstmals kein gemeinsames technisches Briefing gegeben. Hamilton war auf der Toilette, während sich Rosberg mit den Ingenieuren austauschte, und zeigte sich überrascht, dass es anschließend keine Diskussion mehr gab.
Die gesteigerte Rivalität könnte das Team spalten. Das ist dem impulsiven Hamilton schon 2007 bei Mercedes-McLaren gelungen, als Neuling gegen den Champion Fernando Alonso. Der Zwist hätte den Rennstall beinahe in den Ruin getrieben.
Mercedes-Sportchef Toto Wolff weiß, dass er die Spaltung vermeiden muss, und er probiert es noch mal im Glauben an das Gute: „Die beiden kennen sich in- und auswendig. Freunde waren sie nie, jetzt geht es um die WM, und da wird es intensiv.“ Die Zweckharmonie ist dahin, zumal in Monte Carlo herauskam, dass sich beide in den Rennen zuvor jeweils nicht an abgemachte Motoreinstellungen gehalten hatten und unerlaubt in einen speziellen Überholmodus gewechselt waren.
Beide Piloten schützen
Das Team steht noch zur Kontroverse, was soll es auch tun? Man wolle seine Fahrer doch nicht glatt schleifen, betont Wolff. Zumal keiner sagen kann, wer auf Dauer der Schnellere der beiden sein wird. Selbst Lewis Hamilton weiß um die schwierige Situation seiner Arbeitgeber: „Sie müssen ja beide Piloten schützen.“ Aber er spürt auch, dass er gnadenloser Egoist bleiben muss. Gerade jetzt. „Der Einzige, der Lewis Hamilton schlagen kann, ist Lewis Hamilton selbst“, sagt Ex-Weltmeister Damon Hill.
Und Niki Laudas Ratschlag ist auf beide seiner Schützlinge gemünzt: „Nette Jungs gewinnen nichts.“
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