Monte Carlo. In der Formel 1 werden die Top-Teams durch eigene Verträge bevorteilt. Die Schein-Welt macht Station in Monaco
Neureich, steinreich, scheinreich, reich an Erfahrungen. So in etwa liest sich die übliche Reihenfolge in der Formel 1, wenn man die Wagenburgen hinter der Boxengasse entlang abschreitet. Die ganz Reichen haben ihre Paläste, spiegelverglast auch meist vorn stehen. Doch in Monte Carlo, wo das Fahrerlager so improvisiert ist wie die Rennstrecke, werden die Immobilien aus logistischen Gründen durcheinandergewirbelt.
Am Hafenkai mixen sich so jene Rennställe, die sich sonst weder in der Welt- noch in der Geldrangliste groß in die Quere kommen, zu einer bunten Reihe. Die so genannte „Energy Station“ schwimmt auf einem riesigen Ponton, mit großzügiger Außenbewirtung und Swimming Pool. Wer von oben auf diese Kulisse blickt, so wie es jeder Fernsehzuschauer tun kann, verspürt nur Faszination und sieht nur großen Glanz. Dabei droht (und herrscht) in der Königsklasse viel Elend.
Die Schere zwischen ärmer und reicher geht weit auseinander, denn der Sport kann nicht besser sein als die Gesellschaft, und die Formel 1 schon gar nicht. Zur Natur des Motorsport gehört es, alles auf die Spitze zu treiben, auch wenn in diesen wirtschaftlichen Zeiten das Image einer „Geldvernichtungsmaschine“, wie es ein Teamchef bitter beklagt, höchst kontraproduktiv auf potenzielle Sponsoren wirkt. Damit kein falsches Bild aufkommt: Bernie Ecclestones Imperium macht reichlich Gewinn, jedes Jahr ein paar Prozentpunkte mehr, und immer zwischen anderthalb und zwei Milliarden Euro. Es werden inzwischen auch mehr als die Hälfte der Vermarktungsgelder an die Rennställe ausgeschüttet, doch die individuelle Bonusregelung bevorteilt die Top-Teams, die Extra-Verträge mit Ecclestone abgeschlossen haben.
Wie in der Fußball-Bundesliga
Das führt zu einer Situation wie in der Bundesliga: Im Prinzip erreichen immer die gleichen Klubs die Champions League, weil sie reicher und reicher werden und damit mehr Möglichkeiten haben. In einem technischen Sport wirkt sich diese technische Überlegenheit noch frappierender aus – in den vergangenen zwölf Monaten haben entweder Red Bull oder Mercedes gewonnen, sonst keiner. Diese Monotonie hat es seit 1988 nicht mehr gegeben.
Zugleich kämpft mehr als die Hälfte der elf Teams ums finanzielle Überleben. Und die Diskussionen über eine Kostenreduzierung kommen nicht voran. Bisher habe man mit den beschlossenen Maßnahmen eine Ersparnis von 10 000 Euro – in Worten: zehntausend – erreicht, höhnt Red-Bull-Teamchef Christian Horner. Auch in der vom Reglement her vorgeschriebenen Spar-Runde sind die Verhältnisse nämlich in Schieflage. Nur die fünf Top-Teams und der traditionsreiche Williams-Rennstall bestimmen über die Regeln. Den Kleinen bleibt nur noch eine Drohgebärde: Das EU-Kartellrecht. Aber das brachte Bewegung in die Sache.
Auf den Vorwurf eines Reporters, dass die Zuschauer beim zweiten Training in Monte Carlo aus taktischen Gründen über eine halbe Stunde lang keinen Rennwagen zu sehen bekamen, antwortete Christian Horner: „Es ging darum, Kosten zu sparen.“ Es mag in der Formel 1 an Geld mangeln, aber nicht an Zynismus. Die Schein-Welt von Monte Carlo ist dafür genau der richtige Ort.