Melbourne. . Weniger Sprit, weniger Motoren, doppelte Punkte im letzten Rennen, und, und, und: Die Formel 1 präsentiert sich kurz vor ihrem Saisonstart als Formel Umbruch. Durch die Regeländerungen in der Rennsport-Königsklasse ist der Lenker jetzt vielmehr als Denker gefragt.
Selbst ein dreimaliger Weltmeister wird manchmal von den eigenen Zitate eingeholt. „Auch ein Affe“, hat Niki Lauda vor nicht allzu langer Zeit befunden, „kann einen modernen Formel-1-Rennwagen fahren.“ Jetzt, als Aufsichtsrat des Mercedes-Werksteams, sieht der Österreicher die Sache etwas anders: „Der intelligentere Fahrer wird sich 2014 leichter tun als ein Vollgastier.“
Laudas Rennstall ist der Favorit vor einer Saison, die vom kommenden Sonntag an den vielleicht größten technischen Umbruch in der Grand-Prix-Geschichte bringen wird. Der Schritt zu einer Hybrid-Formel ist eine hochkomplexe Angelegenheit, und nicht nur die neue Technik wird nach nur zwölf Testtagen fehleranfällig sein. Auch die 22 Piloten werden sich neu erfinden müssen. Mitlenken war gestern, heute ist mitdenken.
Die Datenmenge ist enorm
Über 30 Steuergeräte und Sensoren in dreistelliger Zahl braucht es, um alle Komponenten des neuen Antriebsstrangs zu koordinieren, dazu kommt das weiterhin knifflige Reifenmanagement und als neue Herausforderung die limitierte Spritmenge. Bei so viel Technik, denkt man, könnte der Affen-Vergleich von Lauda doch wieder zutreffen.
Aber das Gegenteil von einer Fernsteuerung ist der Fall: Die Steuer-Männer können tatsächlich den großen Unterschied machen. Intensive Simulator-Arbeit, stundenlange Briefings, konzentrierte Zurufe vom Kommandostand – die Datenmenge, die das Gehirn unter dem Helm zu verarbeiten hat, ist enorm. Dass Reaktionsvermögen darf dadurch nicht beeinträchtigt werden, denn über Sieg und Niederlage entscheidet der richtige Fahrstil, die Dosierung mit dem Gaspedal, das mentale Set-Up.
Die Rennwagen sind in den Kurven langsamer geworden, haben dank Turbo und Zusatzenergie aber an Top-Speed (bis zu 340 km/h) gewonnen. An die neue Extra-Power muss man sich erst einmal gewöhnen. Mercedes-Werksfahrer Nico Rosberg, der nach den Tests schnell und zuverlässig zugleich war, hat Weltmeister Sebastian Vettel in der Favoritenrolle abgelöst.
Rosberg gehört zu den Fahrern, die nicht über den hohen Lernfaktor jammern. „Die Möglichkeiten, die das Team und der Fahrer haben, um das Auto wie einen Maßanzug anzupassen, ist eine echt spannende Aufgabe“, sagt der Wiesbadener. Das sei mehr denn je die Herausforderung, eins mit dem Auto zu werden. Er ist einer, der gern mit Köpfchen fährt, und mit voller Wahrnehmung. Dank der leiseren Turbo-Motoren hört Rosberg jetzt sogar Bremsgeräusche: „Doch, wirklich, die quietschen!“
Herausforderer Alonso geht lakonisch an die Sache heran
Ganz allerdings, gibt der 28-Jährige zu, habe er nicht verstanden, was da im Heck passiert: „Ich gebe mir aber Mühe, das alles zu verstehen, was mich betrifft. Ich weiß beispielsweise nicht im Detail, wie mein Getriebe den Gang wechselt. Aber ich weiß genau, was ich alles mit meinem Getriebe machen kann.“ Kollege Nico Hülkenberg, der zurück bei Force India ist, gibt sich in der Beurteilung noch neutral: „Das Fahrverhalten der Autos ist nicht wesentlich toller als gedacht, aber auch nicht so schlimm wie befürchtet.“ Der Emmericher gehört zu den berufsmäßigen Anpassern.
Fernando Alonso, einmal mehr der große Herausforderer, geht lakonisch an die Sache heran. Ihn stört der Schongang, aber auch der Spanier hat seine Fahrtechnik an die V6-Motoren anpassen müssen: „Am Kurvenausgang schaltet sich plötzlich der Turbo ein, für diesen Schub muss man erst ein Gefühl entwickeln.“ Gleiches gilt für die Wirkung des veränderten Bremsens. Denn auch die Übertragung der Bremskraft erfolgt jetzt elektronisch (Brake-by-wire), was einen sensibleren Umgang mit dem Pedal erfordert – und auch seinen Einfluss auf die Energierückgewinnung hat. „Eine Menge Dinge, die man in voller Fahrt berücksichtigen muss“, stöhnt Kevin Magnussen, einer von drei Rookies in dieser Saison. Ein Balanceakt.
Der Ego-Trip kann teuer sein
Taktisches Fahren liegt nicht jedem. Selbst Titelverteidiger Vettel hat – häufig gegen den Willen seines Teams – in Führung liegend immer versucht, die schnellste Rundenzeit zu fahren. Solche Ego-Trips können 2014 teuer bezahlt werden, wenn am Ende dann der Sprit ausgeht. Alles auch eine Frage der Selbstkontrolle. Über die Stil-Frage könnte sich die Spreu vom Weizen trennen.
Für den Silberpfeil-Piloten Lewis Hamilton ist daher alles eine Frage der Berufs-Ehre: „Ich hoffe, dass immer noch wir es sind, die dem Auto die richtige Leistung entlocken.“ Das formuliert die enorme Herausforderung an die menschliche Software, denn die optimale Runde ergibt sich nur aus dem korrekten Einsatz von Beschleunigung, Bremsen und Lenken. Alle Macht in Händen und Füßen der Fahrer, das kann bei einem hitzigen Rennverlauf oder unter widrigen Bedingungen schnell Probleme geben.
In der ganzen Diskussion hat Jenson Button, der letzte Weltmeister vor der Vettel-Ära, eine andere Sorge: „Wir müssen aufpassen, dass die ganze Sache für die Zuschauer nicht zu kompliziert wird.“ Denn die meisten wollen einfach bloß: Richtige Rennen.