Singapur. Für seine Erfolge wird Sebastian Vettel nicht von allen geliebt. Sein Teamchef ist sauer nach den Buhrufen in Singapur. Vettel nimmt es äußerlich gelassen. In drei Wochen kann er sich womöglich schon mit WM-Titel Nummer vier schmücken.
Auf den letzten Metern zum vierten WM-Titel in Serie will sich der unaufhaltsame Sebastian Vettel schon gar nicht von bösen Buhrufen ärgern lassen. Der deutsche Formel-1-Star reagierte kurz vor Mitternacht mit dem gewohnten Lausbuben-Humor auf die Störenfriede nach seinem grandiosen Singapur-Sieg. Sein Teamchef Christian Horner fürchtet aber: "Natürlich sagt er, dass es ihn nicht trifft, aber er ist auch nur ein Mensch."
Hamilton stellt sich vor Vettel
Vettel ließ sich äußerlich jedenfalls nichts anmerken. "Sie sind auf Tour, sie fahren mit dem Bus rum", sagte er scherzend und vermutete vor allem Ferrari-Fans des einmal mehr geschlagenen Fernando Alonso unter den lautstarken Querulanten kurz vor Bettruhe im Stadtstaat. "Niemand sollte für seinen Erfolg ausgebuht werden, egal wie schwer oder leicht es war, diesen zu erreichen", meinte Mercedes-Pilot Lewis Hamilton. "Das ist definitiv nicht gut. Er ist auf dem Weg zu seinem vierten Titel und verdient Ansehen dafür."
Schon zwei Wochen vorher war Vettel bei seinem Sieg im Ferrari-Land Italien auf dem Podium ausgepfiffen worden. "Wenn einige buhen, nehme ich das als Kompliment, sie sind neidisch, weil wir gewinnen vor jedem, zu dem sie halten", betonte Vettel nach seinem siebten Saisonsieg im 13. Rennen.
Der insgesamt 33. Grand-Prix-Erfolg seiner Karriere war Ergebnis einer beeindruckenden Leistung. "Ein Antritt wie Bolt und die Taktik der Genies", attestierte die "Gazzetta dello Sport" dem Hessen. "Gegen Vettel hilft kein Plan", befand "El Pais" aus Spanien. "Vettel knipst die WM-Lichter aus", schrieb der österreichische "Kurier".
WM-Titel für Vettel vier Rennen vor Saisonende möglich
"Wenn ich entscheiden könnte, würde ich ihm heute den WM-Titel geben", sagte Ex-Champion Niki Lauda. Durch seinen dritten Sieg in Singapur zum Auftakt der Asien-Wochen hat Vettel nun bereits 60 Punkte mehr als Alonso. Mindestens zwei Rennen wird es aber auch rechnerisch noch dauern, bis Vettel sich zum jüngsten Vierfach-Champion der Formel 1 küren könnte. Gewinnt Vettel auch in Südkorea und Japan, muss Alonso mindestens elf Punkte aus beiden Rennen holen. Sonst steht Vettel vier Grand Prix vor Saisonende erneut als Titelträger fest.
Buhrufe in den Augen Red Bulls "eine Schande"
Dass er die WM letztlich gewinnt, bezweifelt eigentlich niemand mehr. "Es braucht eine Invasion von Nordkorea in Südkorea, ein Erdbeben in Japan, Dengue-Fieber Indien, einen Sandsturm in Abu Dhabi, eine Schießerei in Texas und einen bewaffneten Raubüberfall in Brasilien, um Sebastian Vettel auf dem Weg zum jüngsten WM-Titel aufzuhalten", umschrieb es die britische "Daily Mail" drastisch.
Gelingt es Vettel, fehlt ihm nur noch ein Titel im kommenden Jahr, um mit seinem Kindheitsidol Michael Schumacher in der Serien-Rekordzahl von fünf WM-Triumphen nacheinander gleichzuziehen. Auch Schumacher - damals für Ferrari unterwegs - machte sich durch seine Erfolge, seinen Perfektionismus und seine uneingeschränkte Fokussierung auf das sportlich Wesentliche nicht bei allen beliebt. Erst als der Erfolg nach seiner Rückkehr in die Formel 1 ausblieb, gewann Schumacher, der insgesamt siebenmalige Weltmeister und 91-fache Grand-Prix-Sieger, die Sympathien vieler Motorsportfans.
Durch Applaus und Zuneigung allein ist allerdings noch niemand Weltmeister geworden. "Wenn andere die Eier in den Pool hängen lassen am frühen Freitag, arbeiten wir immer noch hart für ein starkes Rennen", erklärte Vettel das Red-Bull-Erfolgsrezept. Dass er nun schon wieder für den Lohn der Mühen ausgebuht wurde, fand RTL-Experte und Mercedes-Teamaufsichtsratschef Lauda "lächerlich".
"Die Leute lieben einfach den Underdog"
Auch Vettels künftiger Teamkollege Daniel Ricciardo war enttäuscht zu hören, wie manche Fans auf Vettels Dominanz reagieren. "Hass für Außergewöhnliches kann nicht sein", twitterte der designierte Nachfolger von Mark Webber bei Red Bull. Ex-Pilot Martin Brundle hatte bei seinen Interviews auf dem Podium vergeblich interveniert: "Bitte nicht. Das ist nicht in Ordnung." Das sei einfach keine schöne Erfahrung, befand Vettels Teamchef Horner, wenn man so einen Empfang bekomme: "Das ist eine Schande."
Dass die Antipathien direkt gegen Vettel als Person gerichtet sind, glaubt er allerdings nichts. "Die Leute lieben einfach den Underdog. Und sie wollen wissen, wer den Dauersieger als erstes schlägt. Das ist normal." Normal in der Formel-1-Hierarchie ist aber seit drei Jahren und wahrscheinlich auch in der vierten Saison nacheinander, dass am Ende Vettel wieder ganz oben steht - Buhrufe hin oder her. (dpa)