Silverstone. Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel und sein Red-Bull-Team spüren vor dem Großen Preis in Silverstone den Druck der Konkurrenz. Nach den Anschuldigungen, die das Team in Valencia hervorbrachte, liegt es nun am Heppenheimer, für den sportlichen Befreiungsschlag zu sorgen.

Mehr als den Gegenwert für einen Sieg, genau 26 Punkte, liegt Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel vor dem GP von Großbritannien (Sonntag, 8. Juli, ab 14 Uhr im Live-Ticker) hinter Fernando Alonso zurück. Wie der Titelverteidiger aus dem Nachteil einen Vorteil machen will, führte er neulich in der Late Show im US-Fernsehen vor. Talkmaster David Letterman wollte nur wissen, was einen herausragenden Formel-1-Fahrer denn auszeichne. Vettel ging ans Limit, griff sich zwischen die Beine und sprach grinsend von „big balls“. Letterman war verdattert: „Mach das bitte nie wieder.“ Zumindest nicht im Fernsehen.

Eine Flut von Mutmaßungen und Protesten

Auf dem Silverstone Circuit, dem Heiligen Gral der Formel 1, aber braucht Vettel dieses Mehr an Durchsetzungskraft. Denn es geht für Sebastian Vettel und Red Bull nicht nur um den Anschluss. Es geht darum, die herausragende Form des RB 8 aus dem letzten Rennen zu bestätigen, als der Heppenheimer in einer eigenen Galaxie fuhr, 20 Sekunden Vorsprung in 20 Runden. Am Ende, als die Lichtmaschine vorzeitig überhitzte (und Alonso den Sieg einfuhr), sah Vettel jedoch nur funkelnde Sternchen der Wut.

Zudem hat sich Red Bull mit den Anschuldigungen, man sei durch die Safety-Car-Phase absichtlich eingebremst worden, noch ein paar Feinde mehr gemacht. Es ist die natürliche Einsamkeit eines erfolgreichen Rennstalls, der beispielsweise in Sachen Kostenreduzierung einen eigenwilligen Kurs fährt. Die Konkurrenz reagiert auf die Neureichs und deren bisweilen geniale Regelauslegungen mit einer Flut von Mutmaßungen und Protesten. Red-Bull-Berater Helmut Marko bestätigt das Klima, in dem er sich fragt: „Wenn mir McLaren-Teamchef Martin Whitmarsch einen schönen guten Tag wünscht, bin ich schon ganz nervös und frage mich: Was hat der jetzt schon wieder vor?“ Marko analysiert die Paranoia so: „Momentan ist alles gegen Red Bull.“

Eine Frage der Perspektive

Damit bleibt es an Vettel hängen, für den sportlichen Befreiungsschlag zu sorgen. Der zweifache Weltmeister bekommt, wie nicht nur die Diskussionen von Valencia zeigen, mit gerade 25 Jahren mehr Ecken und Kanten – eine Parallele zu Michael Schumacher, auf den nach einem steilen Aufstieg ebenfalls der ganze Frust der Geschlagenen einprasselte. Schumi hat sich befreit, in dem er sich rar machte. Vettel geht mehr in die Offensive, auch verbal. Ihm hilft es, dass er manches nicht so ernst nimmt. Das Stadium also, das der 43 Jahre alte Schumacher jetzt wieder erreicht hat. Bis Oktober will dieser seine Entscheidung verkünden, ob er noch ein paar Mercedes-Jährchen dranhängt. Von der Motivation her dürfte das keine Frage sein – es geht nur um die Perspektive.

Und die ist bei allen Beteiligten für Silverstone – allein wegen der schweren Regenfronten über Mittelengland – äußerst unberechenbar. Entsprechend vage bleibt die Prognose Vettels: „Das ist ein schwieriges Jahr – für alle. Und deshalb ist es schwierig, überhaupt eine Erwartung für das nächste Rennen zu haben. Es geht drunter und drüber.“