Essen. . Ein ehemaliger Teamchef hielt sie ein volles Jahr lang für die Übersetzerin von Peter Sauber. Dabei ist Monisha Kaltenborn die Chefin im Team des Schweizer Rennstallbesitzers und als solche die wohl mächtigste Frau der Formel 1.
Frauen im Dunstkreis der Formel 1 sehen oft exotischer aus - aber sie ist ohne Zweifel die größte „echte“ Exotin in dieser Welt der harten Männer. Monisha Kaltenborn, geboren im indischen Dehradun, österreichischer Nationalität und wohnhaft in Küsnacht in der Schweiz, ist die erste und bislang einzige Chefin eines Rennstalls in der „Königsklasse“ des Motorsports. „Chief Executive Officer“ lautet ihr offizieller Titel im schweizerischen Sauber-Team, CEO – geschäftsführendes Vorstandsmitglied. Sie ist der Boss für rund 280 Angestellte, sie handelt die Verträge mit Sponsoren, Lieferanten und mit Fahrern aus, sie vertritt das Team gegenüber dem Automobil-Weltverband FIA oder in der Konstrukteurs-Vereinigung.
Bernie Ecclestone hatte nie ein Problem mit ihr
Wie überrascht waren die Herren der Schöpfung eigentlich, als erstmals eine Dame am Verhandlungstisch Platz nahm? Einer zumindest hatte von Anfang an keinerlei Probleme mit der Juristin, die eine erstklassige Ausbildung an den Universitäten in Wien und Den Haag absolviert hat: Bernie Ecclestone, der große Zampano der Formel 1, hält Frauen im Big Business ohnehin für zupackender. „Er hatte nie ein Problem mit mir“, sagt Monisha Kaltenborn und beschreibt den 80-jährigen Briten als „sehr angenehmen Verhandlungspartner. Auf sein Wort ist absoluter Verlass.“ Das politische Geflecht der Formel 1 ist laut Kaltenborn sehr komplex und fein verwoben und benötigt „einen, der eine harte Hand hat“ – wie Ecclestone eben.
Andere taten sich mit ihr offenbar schon ein wenig schwerer als „Mr. E“. „Ein ehemaliger Teamchef“, so erinnert sich die Sauber-Chefin, „hielt mich ein volles Jahr lang für die Übersetzerin von Peter Sauber“. Der Schweizer Eigentümer des Rennstalls lässt in der Tat gerne Monisha Kaltenborn in internationalen Gesprächsrunden gerne für sich sprechen. Die hat es dabei meist nicht nötig, von Sauber formulierte Meinungen oder Gedanken wider zu geben.
„Wir haben es in der Formel 1 immer mit Grenzbereichen zu tun."
Im Vorfeld des Grand Prixs von Monaco (So., 14 Uhr/RTL) zum Beispiel überlässt er es ihr ganz alleine, den Standpunkt des Teams im Streit um ein neuentwickeltes Auspuffsystems zu formulieren. Sauber hatte eine von Renault, Red Bull, Mercedes, McLaren und Ferrari angewendete Variante, die mehr Abtrieb unter dem Fahrzeugboden produziert und seit mehreren Rennen im Einsatz ist, mit hohem Entwicklungsaufwand für seine eigenen Fahrzeuge nachgebaut. Doch das Konstruktionsdetail, bisher von den Regelwächtern stets anstandslos durchgewunken, soll nun doch bald verboten werden. Finden Sie es als Juristin nicht höchst bedenklich, wenn ein- und dieselbe Lösung erst als legal, dann als illegal gilt? Monisha Kaltenborn: „Wir haben es in der Formel 1 immer mit Grenzbereichen zu tun. Oft ergibt sich ein Umdenken über ein bestimmtes Thema auch durch den Faktor Zeit.“ Diplomatischer hätte es weder Peter Sauber selbst noch irgendein anderer Teamchef sagen können...
Verheiratet mit einem Deutschen und zweifache Mutter
Wie sie Beruf und Privatleben unter einen Hut bekommt? Die Mutter eines neunjährigen Sohnes und einer sechsjährigen Tochter, verheiratet mit ihrem deutschen Mann Jens, nimmt ihre beiden Kinder in diesem Jahr erstmals gelegentlich mit zu den Renn-Wochenenden. Jeder darf aber ganz sicher sein: Sie wird sich auch dadurch nicht von ihrer Arbeit ablenken lassen. Die erledigt sie wie ein Mann.
Blumen für die Dame hat es in der Macho-Welt des Fahrerlagers übrigens auch bei ihrem Einstand nicht gegeben. „Daran hätte vielleicht mal jemand denken können“, sagte Monisha Kaltenborn neulich, als sie darauf angesprochen wurde. Vielleicht liegt’s ja einfach daran: Wer nicht auf High Heels herumstöckelt, keine knallengen Jeans oder ultrakurzen Rock mit knappem Oberteil trägt, wird in der Formel 1 nicht so richtig als Frau wahrgenommen – bis heute.