Shanghai. . Nick Heidfeld kämpft um seine vermutlich letzte Chance in der Formel 1. Am Sonntag will er in China beweisen, dass Platz drei mit dem Lotus-Renault zuletzt in Australien kein Zufallstreffer war.
Im Mega-Motodrom des Shanghai International Circuits kann man schon mal verloren gehen, verschlungene Wege führen zu den Pavillons der Formel-1-Teams. Aber das ist nicht der Grund, warum man zunächst vergeblich nach Nick Heidfeld suchen muss. Der Rennfahrer aus Mönchengladbach ist seit seinem dritten Platz letzte Woche in Malaysia so gefragt wie nie. Vor dem Großen Preis von China scheint es fast so, als müsse alles nachgeholt werden, was in zwölf Karrierejahren nicht zur Sprache kam. Wie Bodyguards umstellen ihn die Reporter, geschulterte Kameras und Mikrofonangeln lassen den 1,65 Meter kleinen Piloten verschwinden. Dabei ist der stille Schnelle plötzlich richtig präsent. Dazu passt die Teamuniform – schwarz mit einer Goldkante.
Nach dem Ausfall von Robert Kubica ist Heidfeld von enormer Wichtigkeit, damit der in England ansässige und von Luxemburg aus gesteuerte ehemalige französische Werks-Rennstall seiner Rolle als Geheimfavorit weiter gerecht werden kann. Die Geschichte von „Quick Nick“ könnte sich zum Comeback des Jahres ausweiten. Im Gegensatz zu den unseligen Zeiten des Flavio Briatore, nach dessen Ausschluss das Team mit deutlich weniger Geld einen Neuanfang schaffen musste, sind Starallüren bei Renault verpönt. Mit Fernando Alonso und Technikchef Pat Symonds sind auch die letzten Stars gegangen. Jetzt sind es No-Names, die in Ruhe werkeln konnten, und irgendwie passt auch die Verpflichtung von Nick Heidfeld dazu. Solche Leute haben den größeren Willen, gehen größere Risiken. Das ist der Treibstoff für das Renn-Wunder von Renault, bei den beiden ersten Rennen jeweils einen dritten Platz eingefahren zu haben.
„Es war schon eine Genugtuung. Nach den Reaktionen zu urteilen, hat es offenbar nicht nur mir im Cockpit viel Spaß gemacht, sondern auch den Zuschauern“, gesteht der 33-Jährige, der seit 174 Rennen seinem großen Traum vom Grand-Prix-Sieg entgegenfährt – oder hinterher, je nach Sichtweise. 240 Punkte hat er schon geholt, so viele wie niemand sonst ohne Sieg. Nach dem sechsten dritten Platz seiner Karriere in seinem sechsten Team möchte er nach dem Paukenschlag aber nicht zu viel Balsam für die Seele: „Man darf den Gedanken an die Revanche nicht zu sehr an sich ranlassen. Wichtiger ist für mich, dass ich den verkorksten Auftakt von Australien vergessen gemacht habe.“
Der Heidfeld von 2011 kann es nach eigener Einschätzung locker mit dem von 2000 aufnehmen („Talent geht nicht verloren“), der Unterschied bestehe nur in der Erfahrung. Die Fähigkeit, einen kühlen Kopf zu bewahren, ist vor allem in diesem technisch anspruchsvollen Rennjahr viel wert. Das technische Erfolgsgeheimnis von Renault hat viel mit heißer Luft zu tun. Als der R31 das erste Mal bei den Testfahrten auftauchte, war die Konkurrenz verwundert: Die Auspuffgase werden durch die Seitenkästen nach vorne geblasen! So können sie den Unterboden länger anströmen. Die Luftführung sorgt dafür, dass der Renault neben dem Red Bull so gut auf der Piste liegt wie kaum ein anderes Auto. Vom Top-Speed her ist Renault sogar stärker als Red Bull, die den gleichen Motor benutzen.
Angst vor Spionage
Am Eingang zur Renault-Box prangen inzwischen große Verbotsschilder, Mobiltelefone und Fotoapparate sind durchgestrichen. Die Angst ist groß, dass die Konkurrenz das geniale Auspuffsystem en detail ausspioniert. Denn mit Glück, das spüren die Gegner längst, hat der furiose Auftakt von Renault nichts zu tun.