Essen. Jens Lehmann gibt mit 41 Jahren sein Comeback – und reiht sich ein in die Liste von Sportlern, die nicht aufhören wollen.

Es war ein einfacher Satz, aber durchaus geprägt von großer Lebensweisheit: „Ich werde wohl nie wieder im Leben etwas so gut beherrschen wie Tennis spielen“, sagte Boris Becker nach seinem Rücktritt vom Tennissport. Er hat Recht behalten.

Aber immerhin hat er sich anschließend nicht mehr auf dem Platz blamiert, erlag nicht der Gefahr, den Mythos zumindest eines großartigen Sportlers – der er ohne Zweifel war – zu zerstören. Doch die Versuchung, den physischen Grenzen zu trotzen, die Uhr zurück zu drehen, noch einmal aufzusteigen in den glitzernden Himmel der Sportstars, sie ist riesig.

Am Sonntag hat sich „Mad Jens“ endgültig in die Reihe der spektakulären Comebacks gestellt. Jens Lehmann, 41, gebürtiger Essener, hatte sportlich fast alles erreicht und ließ seine imposante Karriere im Mai 2010 beim VfB Stuttgart ungewöhnlich leise ausklingen. Doch Lehmann war stets ein Mann der vernehmlichen Töne, einer, der im Zweifel den großen Knalleffekt nicht scheute. Und nun, mit 41 Jahren, steht der ehrgeizige, manchmal gar verbissene Lehmann wieder im Tor. Er wusste um die Fallhöhe seines Comebacks: „Rentner müssen im Strafraum geschützt werden“, scherzte er vor dem Anpfiff in Richtung des Schiedsrichters. Lehmann hatte die Altersmilde allerdings nicht nötig. Arsenal gewann in Blackpool mit 3:1 und die britischen Medien, beileibe nicht zahm in ihrem Urteil, lechzen plötzlich nach der Story des „Golden Oldie“, dessen „dramatisches Comeback Arsenals Titelhoffnungen entfachte“, wie der Daily Mirror dichtete. Von Dramatik war das Spiel zwar weit entfernt, aber ein Comeback mit 41 ist halt immer großes Kino.

„Drama in Bahama“

Manchmal geht es gut – und die Wiederkehr hebt erstklassige Sportler bisweilen auf eine höhere Ebene, dahin, wo die Idole wohnen. Wie bei Henry Maske, der den schwarzen Fleck einer Niederlage zum Karriereende gegen Virgil Hill aus dem Jahr 1996 ausradieren wollte – und dem es elf Jahre später gelang.

Doch allzu viele Comebacks, als große Helden-Epen geplant, enden im Desaster, im schlimmsten Fall zerstören sie gar einen Mythos. Es atmete mehr als einen Hauch von Tragik, als Muhammad Ali im Dezember 1981, schon von ersten Symptomen der Parkinson-Krankheit gezeichnet, zu seinem letzten Kampf gegen Trevor Berbick ins Seilgeviert stieg. Der fast 40-jährige Ali wurde durch den Ring geprügelt, der Kampf ging als „Drama in Bahama“ in die Annalen ein. Und auch Ali, der Größte, musste einsehen: „Wir alle verlieren manchmal, wir alle werden alt.“

Es ist die hohe Kunst, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Der Formel-1-Rekord-Weltmeister Michael Schumacher hatte den fast perfekten Moment erwischt. Er holte zwar 2006 nicht den Titel, aber er lieferte Fernando Alonso bis zum Saisonende einen starken Kampf – und schien die Zeitzeichen zu erkennen: „Wenn du einmal raus bist, bist du raus.“ Die guten Vorsätze aber waren drei Jahre später vergessen, Zu stark die Versuchung, zu profan wohl das Leben eines Normalos. Schumachers Comeback anno 2010 schlug große Hoffnungsfunken in der kränkelnden Branche: Ein gutes Jahr später aber haben die Abgesänge begonnen auf den Mann, der seine eigene Legende zu zerstören droht.

Niemand ist davor gefeit – und je größer die Fallhöhe, umso stärker ist offenbar der Reiz. So wie bei Mark Spitz, dem siebenfachen Schwimm-Olympiasieger von 1972, dessen peinlicher Comeback-Versuch 1992 von einer einzigen positiven Schlagzeile begleitet wurde: Spitz war zumindest nicht ertrunken.

Oder Björn Borg, der seine beispiellose Tennis-Karriere mit 26 Jahren beendete, ehe der Schwede später – ruiniert durch kostspielige Scheidungen, berufliche Fehlschläge und private Exzesse – meinte, die Zeit einfach zurückdrehen zu können. Stirnband um die wilde Mähne, den Holzschläger rausgekramt – und dann wurde der Mythos Borg von einem gewissen Jordi Arrese mit 2:6, 3:6 in der roten Asche von Monte Carlo begraben.

All’ das soll, all’ das wird Jens Lehmann nicht passieren. Sein Vertrag beim FC Arsenal läuft nur bis Saisonende, und wenn das Spiel in Blackpool der endgültige Abschied gewesen sein sollte, hat der 41-Jährige alles richtig gemacht: „Wenn das mein letztes Spiel war, bin ich hochzufrieden – denn wir haben gewonnen.“ Nicht viele können das von sich behaupten.