Wittener Marcel Böttger verpasst eine Paralympics-Medaille
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Witten. Kurz vor dem Ziel platzt Marcel Böttgers Medaillentraum in Tokio. Doch für 2022 peilt der Wittener Sprinter bereits neue sportliche Ziele an.
Diesen einen großen Moment wird der Sprinter Marcel Böttger (28) in seinem ganzen Leben wohl nie mehr vergessen. Bei den Paralympics in Tokio löste sich beim 100-Meter-Lauf kurz vor dem Ziel das Verbindungsband zwischen ihm und seinem „Guide“ (Begleitläufer) Alexander Kosenkow, und der Wittener wurde kurz vor der Ziellinie disqualifiziert. Damit wurde der Traum des Behindertensportlers von einer Medaille jäh beendet.
Der sehbehinderte Böttger und Kosenkow sind bei ihren Rennen mit einem etwa 20 Zentimeter langen Gummiband verbunden, welches sie mit Schlaufen um die Finger der linken bzw. rechten Hand tragen: „An diesem Tag war es in Tokio sehr heiß, und wir haben sehr geschwitzt. Zudem stimmte unser Laufrhythmus wohl nicht überein. Wir liefen nicht harmonisch, und Alex hatte den Arm oben, als ich meinen unten hatte. Als wir getrennt waren, wusste ich sofort, dass da was nicht stimmte.“
Grandiose Atmosphäre in Tokio
Die Stimmung war anschließend natürlich im Keller, so der Wittener, der sich so intensiv vorbereitet hatte auf das größte sportliche Ereignis in seiner bisherigen Laufbahn: „An den beiden folgenden Tagen habe ich mich richtig mies gefühlt.“ Mit dem Abstand von einem halben Jahr blickt er nun aber auch auf die schönen Momente zurück: „Es war richtig toll, die Atmosphäre miterlebt zu haben. Die Paralympics stehen da den Olympischen Spielen in nichts nach.“ Zudem feierte der sehbehinderte Böttger, der auf dem linken Auge nur wenige Prozent Sehkraft hat und rechts eine Prothese trägt, auch noch mit der deutschen Staffel einen feinen Erfolg, mit der er immerhin noch guter Vierter wurde: „Das war schon schwer. Die Staffel war neu zusammengestellt worden. Ich musste zum ersten Mal in der Kurve laufen. Mein Begleiter Alexander Kosenkow lief innen, so musste ich noch mehr Meter machen als er.“
Ohnehin war das Jahr 2021 gar nicht so schlecht für Marcel Böttger, wenngleich es gleich zu Beginn einen herben Dämpfer für den 28-Jährigen gegeben hatte: „Anfang des Jahres wurde ich positiv auf Covid-19 getestet, und ich war erst einmal aus dem Training raus.“ Böttger und Kosenkow hatten sich dennoch vorgenommen, die durchaus anspruchsvolle Tokio-Norm von 10,87 Sekunden über die 100 Meter zu knacken. Bei der Europameisterschaft in Bydgoszcz (Polen) lief der Wittener Sprinter zum ersten Mal unter elf Sekunden. Die 10,95 Sekunden reichten letztlich aus, um über die Rangliste doch noch in den Flieger nach Japan steigen zu dürfen.
Das sind die Wittener Sportfotos des Jahres 2021
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Viel Fahrerei wegen wechselnder Trainingsorte
Das Zusammenspiel mit seinem erfahrenen Laufpartner Alexander Kosenkow, der selbst schon 2008 an Olympischen Spielen teilgenommen hatte, hat sich über die Jahre immer weiter verfeinert. Böttger erklärt: „Das ist ein Prozess, der sehr lange dauert. Wir sind wirklich gut eingespielt.“
Allerdings ist abzusehen, dass das Duo bald nicht mehr zusammen an den Start gehen wird: „Alexander läuft momentan noch seine 10,6 Sekunden, doch er möchte bald nur noch als Trainer für mich da sein.“ Momentan trainieren die beiden aber noch zusammen. Das gestaltet sich ab und zu schwierig, weil Kosenkow in Steinfeld bei Diepholz wohnt. Die Beiden treffen sich abwechselnd im Wittener Wullenstadion, in der Dortmunder Körnig-Halle, im Warendorfer Bundeswehr-Leistungszentrum oder eben in Niedersachsen. Marcel Böttger trainiert aber auch sehr viel für sich alleine: „Ich absolviere zahlreiche Krafteinheiten. Ich kann auch alleine auf die Bahn gehen, natürlich kann ich dann nicht das hohe Tempo laufen, als wenn ich mit Alexander liefe.“
Erster Wettkampf schon am 8. Januar in Dortmund
Auch wenn Marcel Böttger wie ein Profi trainiert, hat er nicht die Einnahmen vorzuweisen wie ein Leichtathletik-Profi. Der Physiotherapeut, der in Witten in einem Therapiezentrum arbeitet, muss fast alle Kosten selbst tragen. Er ist über jede Hilfe dankbar: „Die Wittener Stadtwerke haben mich mit 1000 Euro unterstützt, damit ich nach Tokio konnte. Darüber habe ich mich sehr gefreut.“
Die nächsten Wettbewerbe sind bereits fix terminiert. So steht schon am 8. Januar ein Wettkampf in der Körnig-Halle an, und im Februar geht es zur Deutschen Hallenmeisterschaft ins thüringische Erfurt. Das große Ziel Marcel Böttgers für 2022 ist die Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Kobe (Japan) im Spätsommer: „Das wäre schon großartig, wenn ich mich dafür qualifizieren könnte.“
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