Witten. Eine solche Chance gibt’s nicht oft: Thomas Eigenbrodt, Hallensprecher des KSV Witten 07, kommentiert für Eurosport die Ringkämpfe bei Olympia.
In seinem Sport kennt er sich aus. Schließlich begann er schon als kleiner Steppke in Dortmund mit dem Ringen, holte später sogar einen nationalen Meistertitel auf der Matte und kämpfte einige Jahre für den KSV Witten 07 in der Bundesliga. Mit seinem Club ist Thomas Eigenbrodt nach wie vor eng verbunden - und weil er u. a. die Ligakämpfe des KSV so vortrefflich am Mikrofon zu kommentieren versteht, wurde letztlich auch das Fernsehen auf ihn und seine Expertise aufmerksam. Jetzt besteigt das frühere Freistil-Ass den sportlichen „Thron“ von Olympia - zumindest als Co-Kommentator.
Von einem Studio in Köln aus wird Thomas Eigenbrodt (56), im Hauptberuf Außendienst-Vertriebsmitarbeiter in einem mittelständischen Unternehmen vom Niederrhein, in dieser Woche die Geschehnisse auf der Ringer-Matte in Tokio seinen Zuschauern - via Fernsehen oder Internet-Livestream - fachmännisch servieren. „Ich freue mich riesig auf diese Aufgabe“, sagt der Wittener. „In erster Linie mache ich das, weil ich da richtig Lust drauf habe. Und natürlich möchte ich damit auch dazu beitragen, dass unser Ringersport davon profitiert“, sagt Eigenbrodt. Denn schließlich friste diese traditionsreiche Sportart, die bei Olympia von Beginn an vertreten war, in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch ein Schattendasein. Vor allem, was TV-Übertragungen anbelangt. „Da taucht das Ringen eben nur bei Olympischen Spielen auf, oder mal bei einem Bundesliga-Finale in den dritten Programmen“, sagt er nachdenklich.https://www.waz.de/sport/olympia-2021-diese-entscheidungen-und-wettkaempfe-sind-heute-id232853893.html
Erste DM-Turniere für seinen alten Verein in Kirchlinde kommentiert
Als Sechsjähriger machte Eigenbrodt seine ersten Gehversuche im Ringen beim ASV Heros Dortmund. „Das war 1971 - lange her“, sagt er grinsend, eine Weile später zog es ihn mit seinen Teamkollegen herüber zum Nachbarclub KSV Kirchlinde. Als er sich dann dem Zweitligisten AC Hörde anschloss, wurde dort Fritz Schrader sein Trainer - „drei Jahre habe ich unter ihm trainieren dürfen“, erinnert sich Eigenbrodt an seinen Lehrmeister. 1982 wurde er so immerhin Deutscher Jugendmeister, und bald wurde dann auch der KSV Witten auf den talentierten jungen Mann aufmerksam, verpflichtete ihn 1986 fürs Erstligateam. „Parallel habe ich weiter als Jugendtrainer für Kirchlinde gearbeitet. Und wenn wir mal große Turniere wie Deutsche Meisterschaften ausgerichtet haben, dann habe ich dort den Sprecher in der Halle gemacht.“
Sein Wortwitz war seinerzeit offenbar ebenso treffend wie seine Aktionen auf der Matte. Denn Eigenbrodts Talent am Mikrofon fiel auf, sprach sich in der Szene herum - und plötzlich bekam er die Chance, auch beim Turnier um den Großen Preis von Deutschland in Dortmund als Sprecher zu fungieren. Anfangs als zweiter Mann neben Frank Piontek, doch als der im Sommer 2003 das Angebot des FC Schalke 04 annahm, bei den Fußballprofis das Stadion zu unterhalten, rückte Eigenbrodt auf und kommentierte so 2004 seine erste Ringer-DM, der bis heute zahlreiche weitere folgten. „Ich bin nun mal ein extrovertierter Typ - und mit meiner Art scheine ich am Mikro ganz gut anzukommen.“ Er selbst ging schließlich auf die Verantwortlichen beim Deutschen Ringer-Bund mit der Offerte zu, ihn als festen Sprecher für die großen Turniere einzubinden. Der DRB sagte zu und hat seit nunmehr 15 Jahren einen ausgewiesenen Fachmann, der pfiffig und mit viel Hintergrundwissen durch die Wettbewerbe führt.https://www.waz.de/sport/lokalsport/witten/zwei-kaempfer-vom-ksv-witten-ringen-um-den-junioren-em-titel-id232693289.html
Bei einer Ringer-WM an der Seite von Alexander von der Groeben am Mikro
Dass er irgendwann auch den Kontakt zum Fernsehen knüpfen konnte, das lag an Klaus Angermann (heute 83), der seinerzeit beim ZDF u. a. der Experte fürs Ringen war. „Mittlerweile sind wir sogar Freunde geworden. Klaus hat meinen Werdegang verfolgt und mir immer wieder Tipps gegeben“, sagt Thomas Eigenbrodt. Über den früheren KSV-Trainer Jörg Helmdach lernte er dann auch Ex-Judo-Europameister Alexander von der Groeben kennen, der seit Jahren fürs Fernsehen über Kampfsport berichtet. „Bei einer Ringer-WM in China habe ich dann als sein Co-Kommentator von dessen Bonner Studio aus mal mitgearbeitet.“ Als es dann um die Planung der Berichterstattung über Olympia in Tokio ging, kam der Programmchef von Eurosport auf Eigenbrodt zu und überzeugte ihn, den Part fürs Ringen zu übernehmen „Da ist dann Andreas Spellig der Kommentator und ich helfe ihm als Experte“, so der 56-Jährige.
Zwar wird er das nicht an jedem Tag während der Ringer-Wettbewerbe machen, doch allein schon die Erfahrung in Sachen TV-Arbeit ist Anreiz genug, dieses neue Terrain zu betreten. Wobei der Sender am Sonntag ganz spontan reagierte, als die Krefelderin Aline Rotter-Focken (30) ins Finale der 76-kg-Klasse einzog, am Montag um Gold ringt. Kurzerhand düste Eigenbrodt nach München, um Montagmittag (ca. 14 Uhr) vom Eurosport-Studio aus den Finalkampf von Rotter-Focken gegen die fünfmalige Weltmeisterin Adeline Gary (USA) zu kommentieren. Die erste Olympia-Medaille für eine deutsche Ringerin ist jetzt schon amtlich, sogar Gold kann es werden für die Weltmeisterin von 2014 - „und darüber zu berichten, das ist doch großartig“, freut sich Eigenbrodt schon auf das historische Duell auf der Matte.
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„Am Mittwoch sind wir dann mit der morgendlichen Session ab 4 Uhr auf Sendung, am Samstag zwischen 11 und 15 Uhr“, so der Wittener. An einem seiner Sendetage kann er dann auch die Auftritte von Denis Kudla (Dritter in Rio de Janeiro 2016) und Dreifach-Weltmeister Frank Stäbler kommentieren. „Ich tippe, dass unsere Ringer zwei Medaillen in Tokio holen“, so Thomas Eigenbrodt. Ein so gutes Abschneiden wäre allemal hilfreich für die Außendarstellung des deutschen Ringkampfsports. An dem auch die KSV-Stimme Eigenbrodt nun im Livestream ihren Anteil haben wird. „Oder vielleicht ja auch live im Fernsehprogramm. Dann, wenn bei uns im Studio das rote Licht angeht“, sagt der frühere Bantamgewichtler.