Witten. In Witten stehen die jungen Kadersportler wieder auf der Matte. Corona-Tests vor jeder Einheit sind Pflicht. Technisch ging einiges verloren.
Während die Fußballer von der Bundesliga bis zur Regionalliga auch während der Corona-Pandemie weiter ihrem Sport nachgehen können und in den Spielklassen darunter beinahe wöchentlich mit großem Eifer darüber diskutiert wird, wann die Kicker denn nun endlich wieder an die Bälle dürfen, scheinen manche Sportarten, bei denen vor allem der stetig enge Körperkontakt essenziell ist, beinahe ins Abseits zu geraten. In Witten betrifft dies vor allem die Kampfsportler. Die Judoka von der SU Annen und vor allem auch die Ringer vom KSV Witten 07 sehen nun aber wieder einen Silberstreif am Horizont, denn Aktive mit Kaderstatus dürfen wieder in der Halle trainieren.
„Das tat schon richtig gut, wieder den Hallenduft einatmen zu können. Das hat man unseren Jugendlichen direkt angemerkt - die Freude hätte bei ihnen nicht größer sein können“, sagt Mirko Englich (42). Der Jugendtrainer des KSV Witten 07, selbst u. a. Silbermedaillen-Gewinner bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking, darf seit Anfang März wieder die Einheiten der Nachwuchs-Athleten in der Ostermannhalle leiten.
Eltern und Begleitern müssen vor der Halle warten
Da das Coronavirus aber immer noch allgegenwärtig zu sein scheint, müssen vor jedem Training die Hygieneregeln genauestens befolgt werden. „Außer uns Trainern und den Sportlern darf niemand die Halle betreten, darauf muss geachtet werden. Eltern und andere Begleiter dürfen vor dem Trainingszentrum warten“, berichtet Englich.
Am Landesleistungsstützpunkt in Witten liegt zu den Übungseinheiten - immer mittwochs und freitags - eine Anwesenheitsliste aus, in die sich die jungen Ringer (A-Jugendliche und Junioren mit Kaderstatus) mit ihren Daten eintragen. Zuvor werden die Hände desinfiziert - Sicherheit geht auch hier vor. „Die Umkleidekabinen bleiben weiterhin geschlossen, die Sportler kommen schon umgezogen in die Halle. Geduscht wird im Anschluss zu Hause“, so der KSV-Jugendcoach, der die Einheiten im Wechsel mit seinen Trainerkollegen Klaus Eigenbrodt und Peter Friedhoff leitet.
NRW-Verband stellt Material für Schnelltests zur Verfügung
Beinahe könnte man meinen, es handelt sich nicht zwingend um eine Sportstätte. Eher mutet eine Ecke der Ostermannhalle an wie eine überdimensionale Arztpraxis. Denn Ärztin Jutta Eck, Lebensgefährtin von KSV-Jugendtrainer Klaus Eigenbrodt, testet die Ringer-Talente vor den Einheiten professionell mit Schutzkleidung und modernster Gerätschaft. „Das Material für die Schnelltests stellt uns der NRW-Ringerverband zur Verfügung, es müssen immer tagesaktuelle Werte vorliegen“, sagt Mirko Englich.
Nach absolviertem Test vergehen 15 Minuten, erst mit einem negativen Resultat dürfen die Sportler auf die Matte. Gut, dass die Ostermannhalle weitläufig genug ist: Die Abstände zwischen den einzelnen Ringer-Paaren sind großzügig bemessen, die Kapazität der Sportstätte wird nicht annähernd ausgenutzt.„Wir mussten Anfang März natürlich langsam wieder beginnen in den Einheiten. Nach so vielen Monaten Pause fehlt den Jungs vor allem technisch schon einiges“, ist selbst ein Profi wie der zehnmalige Deutsche Greco-Meister Mirko Englich beeindruckt, wie viel sportliche Substanz den Talenten abseits der Matte verloren ging.
Durchdreher nach so langer Pause ganz schön schmerzhaft
„Allein mit Krafttraining kannst du eben nicht alles kompensieren.“ Diverse Muskelgruppen, die bei den Ringern sonst wesentlich stärker ausgeprägt sind, müssen erst wieder antrainiert werden. „Da merkst du auf jeden Fall schon ganz anders, wenn du geworfen wirst. Auch die ersten Durchdreher haben den Jungs ziemlich wehgetan“, berichtet Englich augenzwinkernd.
Was der KSV-Coach nicht nachvollziehen kann, sind die unterschiedlichen Bedingungen von Bundesland zu Bundesland. „In einige Ländern haben die Ringer durchgängig weiter trainiert. Die haben jetzt ganz andere Voraussetzungen, sobald es wieder an Wettbewerbe geht“, sieht Englich einen klaren Nachteil für die NRW-Sportler. „Aber“, so der hauptberufliche Feuerwehrmann, „wir sind ja schon froh, dass wir überhaupt wieder trainieren dürfen.“
Calvin Stiller schon länger im KSV-Blickfeld
In den rund 90-minütigen Einheiten werden den A-Jugendlichen und Junioren (darunter u. a. die Brüder Gregor und Justus Eigenbrodt sowie Alexander Boric und Ümitcan Tasdemir vom KSV Witten) immer aufs Neue vor allem die Basiselemente des Ringkampf-Sports wieder ins Gedächtnis gerufen. Der lange vermisste Griffkampf, die Anwendung der gängigsten Techniken - es wird eine Weile dauern, bis die Kaderathleten wieder in Turnierform sind.
Zu den regelmäßigen „Gästen“ auf der Matte gehört auch Youngster Calvin Stiller, der in der neuen Saison ab Herbst erstmals für seinen neuen Verein KSV Witten auf die Matte gehen soll. „Das hätte er vermutlich schon im letzten Jahr gemacht, wäre die Saison da nicht frühzeitig abgesagt worden“, so Mirko Englich. In dem 16-Jährige aus Lünen, der im Greco-Stil auch bei Deutschen Jugendmeisterschaften schon auf sich aufmerksam gemacht hat, sieht der erfahrene Trainer „riesiges Potenzial“, welches er künftig vor allem im Wittener Oberliga-Ensemble einbringen soll. „Aber er wird wohl auch seine Einsätze in der Bundesliga bekommen“, mutmaßt Englich.
Mirko Englich lobt den ehemaligen Kirchlinder
Der Club hatte den ehemaligen Kirchlinder Stiller schon länger im Visier, jetzt ist das Top-Talent bei der ersten Ringer-Adresse in Westfalen angelangt. „Calvin ist technisch richtig gut ausgebildet und hat vor allem keine Angst, auch mal spektakuläre Sachen zu machen“, schwärmt der KSV-Trainer, der selbst im klassischen Stil zu Hause ist und dem knapp 60 Kilogramm leichten A-Junioren gewiss noch den einen oder anderen wichtigen Kniff beibringen kann.