Witten. Der Wittener Sprinter hatte die Norm eigentlich um wenige Hundertstel verfehlt – nominiert wurde er trotzdem. Er nimmt sich viel vor.
„Eigentlich müsste man da die Bundestrainerin fragen“, sagt Marcel Böttger mit einem Lachen. Eine Erklärung für seine Nominierung hat er nicht finden können. Das ist aber egal, für ihn geht es zu den Spielen. „Natürlich wäre es schöner gewesen, es über die Zeit zu schaffen, aber das ist mir auch egal, ich bin auch so sehr glücklich.“ Mit 28 Jahren steht der Wittener Sprinter erstmalig im Bundeskader für die Paralympischen Spiele in Tokio.
Sieben Hundertstel hatten ihm bei der Europameisterschaft in Polen am 12. Juli gefehlt, um die Norm von 10,87 Sekunden über die 100 Meter zu erreichen. Damals herrschte Enttäuschung, nun abgelöst durch pure Freude. Es ist Böttger anzumerken, dass er es zwar weiß, dass er mitfahren darf, so richtig zu realisiert haben, scheint er es noch nicht.
Erst vor drei Jahren hat Böttger mit der Leichtathletik begonnen
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Besonders beim Rückblick auf seine Karriere wird er kurz sprachlos. „Das ist schon verrückt.“ Erst vor drei Jahren fing er mit Leichtathletik an. Ein steiler Aufstieg. Steiler geht es kaum. „So schnell habe ich mit so einem Erfolg nicht gerechnet“, meint Böttger und schiebt grinsend hinterher: „Ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste.“
Bis zur EM noch als Doppel-Athlet in Kombination mit Weitsprung unterwegs, ist der Sehbehinderte, der im Tagesgeschäft für den BSG Bad Oeynhausen startet, nur noch über die 100 Meter aktiv. Alles andere würde sein Zeitkonto nicht mehr hergeben. Volle Konzentration auf das eine Ziel.
„Ich würde gerne ins Halbfinale kommen, sprich unter die ersten acht“, umreißt Böttger sein grobes Ziel. „In Dubai bin ich bei der WM siebter geworden, da wäre ich jetzt mit dem sechsten Platz schon zufrieden“, präzisiert er. Um das zu erreichen, geht es die kommenden drei Wochen noch mal intensiv ins Training. Zwar fühle er sich auf einem guten Leistungslevel, doch es fehlen noch Feinheiten. Mit seinem Guide Alexander Kosenkow wird er noch am Start arbeiten. „Da haben wir viel umgestellt und es hapert noch etwas.“
Keine Zuschauer in Tokio – aber vielleicht in Paris?
Am 18. August geht es in den Flieger nach Tokio. Eine neue Erfahrung, ein neues Land. An einen Umstand muss Böttger sich aber wohl nicht gewöhnen. Genau wie bei den Olympischen Spielen sind bei den Para-Wettbewerben keine Zuschauer in den Wettkampfstätten zugelassen. „Wir sind wenig bis gar keine Zuschauer gewohnt“, sagt er mit einer Prise Galgenhumor. „Es wäre jetzt ein richtiges Highlight gewesen vor 30.000 Menschen zu laufen.“
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Genau dieses kleine Manko treibt ihn an. Denn wenn es nach Böttger geht, sollen es nicht seine letzten Paralympischen Spiele sein. „Es ist ein neuer Anreiz für die Spiele in Paris 2024“, erklärt er. „Es sind dieses Mal nur drei Jahre Pause und je nachdem wie meine Leistung dann ist, ist das auf jeden Fall ein Ziel.“
Wenn es nach ihm geht, soll es über den normalen Weg laufen. Die Zeit im Wettkampf holen und nominiert sein. „Das lässt das Warten auf die Nominierung deutlich ruhiger werden“, lacht er.
Großer Dank geht an den Annener Trainer Patrick Berg
Nach Paris soll aber wirklich Schluss sein. Er wäre dann 35. „Aber wenn’s klappt…“, lässt er den Satz auslaufen.
Bei aller Voraussicht und neuer Eindrücke, die er ohne Zweifel sammeln wird, entgeht ihm aber ein wichtiges Detail, ein wichtiger Mensch nicht. „Ich möchte mich unbedingt bei Patrick Berg bedanken, bei dem ich im DJK Blau-Weiß Annen als erstes in der Trainingsgruppe war.“ Ohne ihn und viele andere Wegbegleiter hätte es diesen Erfolg wohl nicht gegeben.