Keiner strahlt so wie er, die Mundwinkel von Andre´ Weßels fahren aus auf maximale Spannweite. Dabei ist eigentlich noch gar nicht viel passiert bei diesem Treffen im Olympiazentrum in Bonn.

Bonn. Der Deutsche Fechter Bund (DFeB) präsentiert zwei seiner für die Weltmeisterschaften im türkischen Antalya nominierten Mannschaften.

Dass Andre´ Weßels dazu gehört, ist nach dessen Bronzemedaillengewinn bei den Europameisterschaften vor einigen Wochen in Bulgarien zwar keine Überraschung mehr. Aber noch einigen Monate zuvor schien eine WM-Teilnahme des Recklinghäusers so abwegig zu sein wie eine Filmhauptrolle für ihn in einem Mantel- und Degenfilm mit Millionenbudget. Er, der frühere Junioren-Weltmeister und Anfang des Jahrtausends vielversprechendste deutsche Florettfechter, schien abgewirtschaftet zu haben. Fünf Jahre lang ließ er immer mal wieder mit guten Ergebnissen aufwarten. Aber eine komplette starke Saison, noch dazu auf internationaler Ebene, gelang ihm in dieser Phase nicht. Das war schon mehr als eine Durststrecke, sportlich lief es aufs Verdursten hinaus.

„Ich freue mich”

Antalaya 2009 wird die dritte WM-Teilnahme bei den Aktiven für Andre´ Weßels nach den Titelkämpfen in Lissabon 2002 (Team-Gold und Einzel-Silber) und Havanna 2003 (Team-Gold) sein.

WAZ-Redakteur Andreas Rorowski sprach mit dem Recklinghäuser, der einst beim Vestischen Fecht-Club Recklinghausen begann, danach jahrelang für den FC Tauberbischofsheim startete und nun für den OFC Bonn ficht. 2003 gewann er den Gesamt-Weltcup.

Wie fühlen sie sich nach der langen WM-Abstinenz?

Weßels: Gut. Ich freue mich sehr auf die WM.

Obwohl sie wie der EM nur im Einzel starten dürfen?

Ja. Ich bin zwar schon ein bisschen enttäuscht darüber, aber akzeptierte die Entscheidung des Bundestrainers. Er hat mir seine Gründe erklärt.

Sind die Erwartungen an Sie nach der Bonzemedaille bei der EM wieder gestiegen?

Nein. Ich zähle anders als Benjamin Kleinbrink und Peter Joppich nicht zu den sechs bis acht Favoriten; aber zu den zehn, die dahinter kommen. An einem guten Tag ist vieles möglich, wie in Plovdiv. Ich möchte gerne unter die letzten 16 kommen, weil ich dann voraussichtlich auch in der Weltrangliste wieder zu den ersten 16 gehören würde, im Moment stehe ich auf Platz 18. Das ist mein Ziel, damit würden mir in der nächsten Saison die Setzrunden erspart bleiben.

Doch plötzlich ist er wieder da, der 27-jährige Linkshänder; gewandelt vom unbekümmerten, schlamperten Florett-Genie zum ernsthaften Athleten, dessen Zielstrebigkeit und Fleiß nichts zu Wünschen übrig lässt. „Er hat sich diese WM-Teilnahme redlich verdient”, sagt Bundestrainer Uli Schreck. Hinter Benjamin Kleibrink und Peter Joppich, das sind immerhin der aktuelle Olympiasieger und der WM-Titelverteidiger, habe sich Weßels ganz deutlich vor allen anderen als Dritter für Antalya qualifiziert. Mit ganz starken Ergebnissen, eben nicht nur bei der EM, habe er überzeugt.

Nur vor diesem Hintergrund ist das strahlende Lächeln des WM-Teilnehmers zu erklären, das nur ein wenig dadurch getrübt wird, dass er ausschließlich in der Einzelkonkurrenz startet. Im Team, so Schreck, habe Weßels in der Saison nicht solide genug gefochten, da sei er ein „unsicherer Kandidat”.

Im Einzel allerding traut der Bundestrainer, der selbst einst zur Weltspitze gehörte und 1992 Team-Olympiasieger wurde, dem längsten Fechter in seiner Florettmannschaft einiges zu. Unter die letzten 16, vielleicht sogar unter die letzten acht könne er kommen. Selbst eine Medaille sei nicht ausgeschlossen, auch wenn er nicht zu den Topfavoriten ge-

höre. Beinahe verblüfft sagt er: „Es ist schon erstaunlich, wie sich Andre´ aus dem Leistungsloch befreit hat.”

Gründe für Weßels´ Erfolgscomeback, eben die Rückkehr zu guten Leistungen und Ergebnissen, mag es viele geben. Da ist natürlich der Traum, die Karriere mit der zweiten Olympia-Teilnahme nach Athen 2004 in London 2012 zu beenden. Und da ist mit Sicherheit der Einfluss des Bundestrainers. Unter Uli Schreck hat sich Weßels nicht nur endlich auf das veränderten Florettfechten eingestellt, das so ganz anders als sein früher Fechtstil ist. Er hat auch eines der wesentlichen Prinzipien des Leistungssports verinnerlicht: das harte Arbeiten.

Aber damit alleine ist seine Rückkehr in die Weltspitze nicht zu erklären. Er ist nicht nur als Fechter, sondern auch als Mensch gereift; woran seine Beziehung zu der Kölnerin Victoria Heiling nicht ganz schuldlos ist. Nach der EM bereisten beide fünf Wochen lang als Rucksacktouristen Asien: Malaysia, Kambodscha und Thailand. „Früher hätte ich da nur am Strand gelegen”, sagt Weßels. Heute gönnte er sich eine Woche Erholung am Meer zum Abschluss, die Zeit davor aber nutzte er, um Land, Leute, Kultur und Geschichte kennenzulernen. Sein Blick auf die Welt ist weiter geworden. „Und ich bin ruhiger und gelassener als früher”, sagt er. Das hilft auch auf der Planche.