Niederberg. Reitställe leiden nicht nur unter Corona, sondern auch unter dem Herpesvirus bei Pferden. Auch der Velberter Thünershof sorgt sich um die Zukunft
Ende Februar ist es bei einem internationalen Reitturnier im spanischen Valencia zu einem Ausbruch des Equinen Herpesvirus (EHV-1) in einer besonders ansteckenden und aggressiven Form gekommen. Schon unmittelbar nach dem Wettbewerb sind in Spanien drei deutsche Turnierpferde der Krankheit zum Opfer gefallen.
Auch in Deutschland wurden einige Todesfälle in Zusammenhang mit dem Virus genannt. Der Mensch wird seit über einem Jahr vom Coronavirus gepeinigt. Nun trifft es zusätzlich noch die Pferde und damit wieder die Menschen, die sich um die Vierbeiner kümmern. Auch in den Reitställen im Niederbergischen herrscht die Sorge darüber, dass der für die Pferde so gefährliche Herpesvirus plötzlich auftaucht.
Regelmäßige Ausbrüche in den Wintermonaten
Etwa 80 Prozent der Pferde tragen das Herpesvirus in sich. Insbesondere in den Wintermonaten kommt es regelmäßig zu Ausbrüchen, die aber oft harmlos verlaufen. In den meisten Fällen gibt es kaum merkliche Krankheitszeichen, hin und wieder müssen fiebrige Atemwegsinfektionen behandelt werden.
Nun hat sich aber eine seltene Variante entwickelt, die zu Lähmungserscheinungen — die Pferde können in dem Fall nicht mehr von allein aufstehen — und sogar zum Tod der betroffenen Tiere führen kann.
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Selbst wenn die Vierbeiner den Herpesausbruch überleben, sind Langzeitfolgen nicht ausgeschlossen. Dann können sie nicht mehr im Turniersport eingesetzt werden. Der Dachverband Deutscher Galopp hat bereits im März als Reaktion auf den Ausbruch — obwohl noch keine Fälle bei den Vollblut-Rennpferden aufgetaucht waren – eine verschärfte Impfpflicht eingeführt.
Velberter Reit- und Fahrverein sieht die Entwicklung mit Sorge
Im Zuchtbetrieben muss bereits seit Jahren geimpft werden. Nun darf kein Pferd mehr an einem Rennen teilnehmen, ohne dass ein Impfschutz ausgewiesen werden kann.
Die Deutsche Reiterliche Vereinigung hat noch keine generelle Impfpflicht für Turnierpferde eingeführt. Es heißt, dass einige Argumente für, aber auch einige Argumente gegen eine Impfpflicht sprächen. Das letzte Wort ist hier sicher noch nicht gesprochen.
Der Velberter Reit- und Fahrverein hat zwar keine eigene Anlage, vereinigt aber viele Pferdesportler unter seinem Dach, damit diese an Turnieren und Meisterschaften teilnehmen können. Die Pferde sind also an unterschiedlichen Ställen in der Umgebung untergebracht.
Noch besteht keine generelle Impfpflicht für Turnierpferde
Dennoch äußert sich die Vorsitzende Nicole Steinbach-Kannert sehr sorgenvoll: „Diese Art der Herpeserkrankung ist besonders schlimm. Der Reitbetrieb hatte gerade wieder etwas Fahrt aufnehmen dürfen, ehe das nächste Problem aufgetaucht ist. Wir stehen mit unseren Mitgliedern in stetem Kontakt zu diesem Thema. Ich persönlich finde es einfach nur schlimm, dass die Menschen, die mit Pferden zu tun haben, mit Corona und dem Herpesvirus nun doppelt gebeutelt sind.“
Damit spricht sie vielen Besitzern von Reitställen in Velbert, Heiligenhaus und Umgebung aus der Seele. Corinna Doll leitet den Reitstall Thünershof in Velbert an der Bleibergstraße. Sie beherbergt 34 Pferde — 17 Schulpferde, zwölf Einstaller und fünf Aufzuchtpferde.
„Wir sind in erster Linie ein Schulbetrieb mit verhältnismäßig wenigen Einstallern. Das ganze Geschehen trifft uns nicht ganz so extrem wie ein Stall, in dem sich viele Turnierpferde befinden. Aber zusätzlich zur Extrem-Belastung durch Corona trifft uns jetzt auch noch diese Angst. Wenn jetzt noch dieses Herpesvirus hinzukommen würde, wäre es das Finale eines Albtraums“, sagt Corinna Doll.
Die Gefahr ist allgegenwärtig. Menschen können das Virus über Hände, Kleidung und Ausrüstungsgegenstände weitertragen. Daher sind Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen in diesen Zeiten besonders wichtig. Eine Verbindung der Reitlehrer zu anderen Pferden gibt es nicht, da diese ausnahmslos im Thünershof arbeiten.
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Aber Tierärzte oder auch Hufschmiede, die von Stall zu Stall ziehen, könnten das Virus einschleppen. Für sie gilt: Einhaltung der Hygienemaßnahmen, Kleidungswechsel beinahe im Stundentakt. Durch Schnauben und Husten oder auch durch die gemeinsame Nutzung von Futter- und Wasserstellen gibt es unter den Pferden eine hohe Ansteckungsgefahr, wenn das Virus erst einmal angekommen ist.
Extreme Belastungen durch Corona-Schutzverordnungen
Corinna Doll spürt eine extreme Belastung durch die Schutzverordnungen, die das Coronavirus eindämmen sollen. Und nun auch noch der Equine Herpesvirus.
Sie sagt: „Einige Kunden haben mich schon gefragt, warum ich persönlich noch weitermache. Die Antwort ist bitter, aber ganz einfach: Weil ich seit März 2020 ohne jedes persönliche Einkommen 14 Stunden täglich arbeite, um den Betrieb zu erhalten. Dies geht auch nur, weil mein Mann in einer anderen Branche tätig ist. Ich habe keine Angst mehr, keine Wut mehr, keine Energie mehr. Nur Traurigkeit ist neben massiven Schlafstörungen noch vorhanden.“