Herne. Helmut Biermann, Präsident der Deutschen Billard-Union, spricht über ausgefallene Top-Veranstaltungen und die Chance, die Saison zu komplettieren
An den ersten beiden Juni-Wochenenden hätte unter normalen Umständen die Saison im Billard-Verband Westfalen mit den letzten Ligaspielen und Einzelmeisterschaften beendet werden sollen. Am 9. Juni hat der BVW die Saison nun abgebrochen. Nicht so in der der Deutschen Billard-Union. Hier ruht der Spielbetrieb seit dem 13. März aufgrund der Corona-Krise, er ist allerdings nur ausgesetzt.
So hofft zum Beispiel der BSV Velbert, dass womöglich irgendwann weiter gespielt wird. Denn der Traditionsverein steht vor dem direkten Wiederaufstieg in die Bundesliga. Die WAZ sprach mit Helmut Biermann (65) aus Herne, Präsident der Deutschen Billard Union und des BVW, über ausgefallene Meisterschaften, den ruhenden Spielbetrieb und die Aussichten, wie es weiter geht.
Herr Biermann, zunächst einmal: Wie geht es Ihnen, seitdem der Corona-Virus auch den Billardsport zum Erliegen gebracht hat?
Helmut Biermann Mir geht es gut. Aber seit dem 29. Februar, als ich das Interview mit dem WDR zur Absage der Weltmeisterschaft in Viersen gegeben habe, also seit über 100 Tagen, befinde ich mich in häuslicher Quarantäne. Nach meiner vor 2 ½ Jahren erfolgten Nierentransplantation gehöre ich zum Kreis der Hochrisiko-Patienten. Ich gehe kaum aus dem Haus, nur zum Arzt zu den Routineuntersuchungen. Oder mal morgens oder abends in die Geschäftsstelle, wenn ich weiß, dass keiner da ist
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Die DBU war Ende Februar einer der ersten Sportverbände, der mit der Dreiband-Team-Weltmeisterschaft, die Anfang März in Viersen hätte stattfinden sollen, seine größte Meisterschaft abgesagt hatte. Auch die für November geplante Deutsche Meisterschaft in Wildungen wurde frühzeitig abgesetzt. Waren diese Entscheidungen unumgänglich?
Ja. In beiden Fällen aus ähnlichen Gründen: Kosten- und Risikominimierung. Bei der WM entfiel ja auch der zunächst geplante Nachholtermin für August, weil bis zum 31. August in NRW sowieso Großveranstaltungen untersagt sind. Der Weltverband sah auch keine andere Chance, weil er nicht weiß, ob die Sportler bereit sind zu kommen, oder ob europäische oder außereuropäische Spieler überhaupt einreisen dürfen. Und natürlich kommt das erweiterte finanzielle Risiko hinzu. Wir mussten jetzt schon 90 Prozent der Hotelkosten für die Stornierung der Zimmer bezahlen. Bei der DM hätten wir voraussichtlich auch im November die Abstands- und Hygieneregeln nicht einhalten können. Wir müssten auch die Zahl der Billardtische reduzieren und daher das Spielsystem radikal ändern. Und auch hier wollten wir nicht ins finanzielle Risiko gehen. Keiner weiß, was im November sein wird.
Seit Mitte März ruht der Spielbetrieb in der DBU und in seinem zweitgrößten Landesverband Westfalen. Während viele Sportverbände ihre Saisons für beendet erklärt haben, steht die Entscheidung im Billard noch aus. Wie ist da der Stand der Dinge?
In Westfalen ist die Entscheidung gefallen, die Saison ist beendet. Auf DBU-Ebene ist die Saison noch weiter ausgesetzt, zunächst bis zum 30. Juni. Sie war erst bis zum 31. Mai ausgesetzt, das Präsidium hat dann aber noch eine Verlängerung beschlossen.
Wann wird denn aus Ihrer Sicht wieder um Punkte, Medaillen und Titel gespielt?
Ich suche gerade meine Glaskugel (lacht). Keine Ahnung. Ich kann es nicht sagen. Bundesspielbetrieb kann es erst wieder geben, wenn in allen Bundesländern die gleichen Voraussetzungen herrschen, wenn überall wieder Wettkampfsport Indoor erlaubt ist. Wir können ja nicht suchen, wo wir unsere Bundesligaspiele austragen dürfen. Es träumen noch viele davon, die Saison zu Ende spielen zu können, was ja auch eine Intention für die Umstellung auf das Kalenderjahr ist. Ich bezweifle, dass das geht. Ich sehe die Chancen als äußerst gering. Das sind Hoffnungen, die sehr vage sind.
Bei der Umstellung der Saison auf das Kalenderjahr gibt es in den Landesverbänden und den Vereinen unterschiedliche Meinungen. In welche Richtung wird bei dieser wichtigen Entscheidung denn tendiert?
So wie ich das im Moment einschätze, 50:50. In Westfalen haben 75 Prozent der Vereine gegen eine Umstellung plädiert. In Baden-Württemberg etwa hat das Präsidium dafür gestimmt. 84% der Vereine sind aber dagegen und haben den Landesverband zurückgepfiffen, der jetzt wohl dagegen stimmen wird. Ich halte mich da raus, weil ich als Präsident der DBU und als Präsident des BVW in einem Interessenkonflikt bin. Fakt ist, dass das Präsidium der DBU den Antrag nicht befürwortet hat. Aber wir haben darüber nicht zu entscheiden. Deshalb findet die außerordentliche Mitgliederversammlung auch als Präsenzveranstaltung statt, da man bei einem so emotional aufgeladenen Thema von Angesicht zu Angesicht diskutieren muss.
Was passiert, wenn die Saison so beibehalten wird, man aber wegen der Corona-Krise in diesem Jahr nicht mehr um Punkte spielen kann?
Ich kann mir gut vorstellen, wenn die Umstellung nicht kommt und wir absehbar in diesem Jahr nicht mehr spielen können und auch die neue Saison in diesem Jahr nicht mehr beginnen können, dann spielt man nur eine Hinrunde im neuen Jahr. Das ist immer noch besser, als ein halbes Jahr gar nicht zu spielen. Dann spielt man nur eine einfache Runde, nur um die Leute wieder ans Billard zu bekommen, um ein Sportangebot zu haben.
Am 11. Mai durften die Vereine oder Spielstätten wieder öffnen, reduziertes Training war dann möglich. Nach der neuesten Coronaschutzverordnung ist Training nun komplett erlaubt, auch in Gaststätten. Wann wird denn wieder Wettkampfsport erlaubt sein?
Ab 15. Juni ist Training für Billard grundsätzlich wieder überall erlaubt. Inwieweit der nun auch wieder erlaubte Wettkampfbetrieb mit bis zu zehn Teilnehmern indoor unseren Sportbetrieb mit Leben erfüllen kann, – das kann erst nach einer näheren Prüfung beurteilt werden.