Velbert. Marvin Schneider könnte noch selbst kicken, doch er wird neuer Co-Trainer beim TVD Velbert. Sein Weg war steinig und führte nicht immer nach oben.
Mit 27 Jahren befinden sich Profifußballer nicht selten auf dem Zenit ihrer Karriere. Thorgan Hazard von Borussia Dortmund ist 27 Jahre alt, Omar Mascarell von Schalke 04 ebenso und auch Kevin Volland von Bayer Leverkusen. Sie alle gehen ihrer Leidenschaft nach und haben wohl noch ein paar Jahre Profifußball vor sich, bis sie ihre Schuhe an den Nagel hängen müssen.
Einer, dem eine solch lange Fußballerkarriere - wenn auch einige Ligen weiter unten - nicht vergönnt war, ist Marvin Schneider, der in der kommenden Saison gemeinsam mit Cheftrainer Marc Bach und Co-Trainer Stefan Jäger die Geschicke beim Fußball-Oberligisten TVD Velbert leiten wird.
„Marvin hat sich relativ früh in seiner Karriere eine schwere Knieverletzung zugezogen und sich davon leider nicht mehr erholt“, sagt Bach über seinen heutigen Assistenten und früheren Schützling. Weil dieser schon immer jemand gewesen sei, „der über den Tellerrand hinausgeblickt hat“, hat Bach ihn nach seinem Karriereende gefragt, ob er nicht mit ins Trainerteam rücken will - mit 22 Jahren. Heute, fünf Jahre später, ist Schneider ein ganz wichtiges Puzzleteil für Bach und künftig auch für den TVD.
Kreuz-, Innenband und Meniskusriss
An die Situation, die das viel zu frühe Ende seiner Amateurfußballkarriere eingeleitet hat, erinnert sich Schneider noch genau. „In einem Spiel gegen den SV Burgaltendorf wurde ich nicht ganz so sanft von den Beinen geholt“, sagt der heute 27-Jährige. Damals streifte sich Schneider das Trikot des FSV Vohwinkel Wuppertal in der Landesliga über, gehörte in der Saison 2012/2013 zur jungen Garde beim FSV, führte am 28. April 2013 mit seinem Team 3:0 gegen Burgaltendorf, ehe ein Gegenspieler dem Defensivakteur in sein Standbein sprang.
Schneider, 1,89 Meter groß, nicht gerade jemand, der schnell zu Boden geht, wusste direkt - da ist mehr passiert. „Ich hatte mir das Kreuzband, das Innenband und den Meniskus im rechten Knie gerissen. Es haben alle gehört, es war ziemlich laut, wie die Bänder durch sind“, erinnert sich Schneider. Es war ein Totalschaden im Knie, der eine Odyssee einleitete. Es folgte die Operation im Sommer 2013. „Die Ärzte haben mir gesagt, ich solle nicht noch mal spielen. Doch fünf Monate später konnte ich etwas laufen. Von der OP bis zu dem Tag, an dem ich angefangen habe wieder zu kicken, vergingen elf Monate. Ich habe eine ganze Saison Pause gemacht“, so Schneider.
„Es war immer wie eine Blockade“
Auch interessant
Denn das Vertrauen in den eigenen Körper - das höchste Gut eines jeden Sportlers - war angeknackst. „Ich habe mich nie mehr so gefühlt wie vor der Verletzung. Es war immer wie eine Blockade und ich kam auch nie mehr an das Leistungsvermögen von vorher ran“, erinnert er sich.
Die Situation damals war keine einfache. Der Kopf wollte, der Körper streikte. Schneider versuchte es weiter, wollte mit Vohwinkel, dem Verein, bei dem er auch seine Jugend verbrachte, der mittlerweile aber in die Bezirksliga abgestiegen war, wieder Fuß fassen, regelmäßig gegen den Ball treten. Erst sah es auch gut aus, Schneider absolvierte 2014/2015 21 Spiele in der Bezirksliga. Doch dann meldete sich sein Knie immer wieder. Erst waren es nur kleine Piekser, später immer heftigere Stiche.
„Es zog sich über zwei, drei Monate. Im Oktober 2015 ging es dann nicht mehr. Ich bin zum Arzt gegangen und es wurde ein Knorpelschaden diagnostiziert“, so Schneider. Wieder ein Rückschlag, wieder das Knie. „Dann war wirklich Schluss. Das war es mir nicht wert, noch einmal operiert zu werden“, sagt er.
Trainertalent war früh sichtbar
Auch interessant
Das Ende seiner aktiven Karriere stand fest - es war ein schleichender Prozess und doch ein abrupter Cut. Schneiders Trainer war zu der Zeit Marc Bach - ein Glücksfall, wie heute klar ist. „Weil Stefan Jäger damals beruflich kaum Zeit hatte, hat mich Marc gefragt, ob ich unterstützen möchte. So bin ich da reingewachsen. Über die Relegation sind wir mit Vohwinkel in die Landesliga aufgestiegen. Dann direkt noch einmal. Und plötzlich war ich Co-Trainer in der Oberliga. Das hätte ich vorher nicht gedacht und das habe ich Marc Bach zu verdanken. Ohne ihn wäre es gar nicht dazu gekommen“, ist Schneider Bach bis heute verbunden.
Dass er kein schlechter Trainer sein wird, deutete sich schon viel früher an. Denn: „Ich war technisch nicht der begabteste wie zum Beispiel Thiago vom FC Bayern. Der kann alles mit dem Ball, ich nicht“, so Schneider. Also musste er sich taktische Kniffe überlegen, wie er dieses Defizit ausmerzen konnte. „Ich kam eher über die Athletik und die Zweikampfstärke. Und durch taktische Stellschrauben ist es möglich, einiges auszugleichen“, sagt Schneider.
Analyse-Experte im Trainerteam
Genau hier, bei der Taktik und der Videoanalyse, hat sich Schneider nun auch zum Experten im Trainerteam um Marc Bach entwickelt. „Wir haben in der Oberliga angefangen die Spiele zu filmen, uns Szenen immer wieder anzuschauen. Da sieht man auch Fehler, die die Spieler immer wieder machen und so habe ich geguckt, wie man jeden einzelnen Akteur besser machen kann“, so Schneider, der im Winter sein Bauingenieurswesen-Studium abschließt.
Nach der gemeinsamen Zeit in Vohwinkel ging es für den Wuppertaler Schneider gemeinsam mit dem Trainerteam zum VfB Hilden. In der ersten Saison reichte es für den zehnten Tabellenplatz, in der nun abgebrochenen Saison für den achten - das beste Ergebnis in der Vereinsgeschichte Hildens. Trotzdem trennten sich die Wege des Trainertrios und des Vereins und der TVD schlug zu. „Es gab nur die Option, dass wir zu dritt gehen. Ich fühle mich wohl an Marc Bachs Seite und für mich es auch mal gut, einen anderen Verein, der andere Strukturen hat, kennenzulernen“, freut sich Schneider auf die Zeit beim TVD.
Bei dem möchte er zunächst ankommen, mit ihm zusammenwachsen, die Spieler kennenlernen. Und dann sportlich nach oben blicken. Obwohl der 13. Rang in der aktuell noch unterbrochenen Saison auch für den TVD das beste Ergebnis der Vereinsgeschichte wäre. Aber: „Wir setzen uns schon das Ziel, einen einstelligen Tabellenplatz zu erreichen“, so Schneider, der selbst ein Anhänger der Prämisse „Die Null muss stehen“ ist.
Vorfreude auf die Derbys
Auch interessant
Das ist auch sein Ziel in den Derbys gegen die SSVg und den SC Velbert. Die kann Schneider kaum erwarten: „Drei Oberligisten in einer Stadt sind schon eine Hausnummer. Da sieht man, was für einen Stellenwert der Fußball in Velbert hat. Mit Vohwinkel hatten wir in der Oberliga Cronenberg, mit Hilden waren es Monheim oder Baumberg. Aber so ein richtiges Städtederby, darauf freue ich mich auf jeden Fall.“
Der Weg, den Schneider ging, war steinig. Er führte ihn aber bis in die Oberliga. Eine Spielklasse, für die ihm das fußballerische Talent wohl gefehlt hat, die für ihn als Trainer aber ein gemütliches Wohnzimmer geworden ist. Ganz ohne Schmerzen, dafür mit jeder Menge Finesse.
Auch interessant