Solingen. . Beim Bundesliga-Auftakt schafft Velbert die Sensation und siegt. Um die Bremer Dominanz zu brechen, braucht es eine mehr als mitreißende Leistung
Eine Eins hatten sie sich gewünscht in ihrer Wertung beim Auftaktturnier der Bundesliga, die Lateintänzer des 1. TSZ Velbert. Doch am Samstagabend, kurz vor 22 Uhr, musste das Team um Trainerin Astrid Kallrath ganz genau hinschauen und nachzählen, als die sieben Juroren ihre Wertungstäfelchen für den deutschen Vizemeister in die Höhe reckten.
Eins, zwei, drei - und sogar eine vierte Eins prangte dort Schwarz auf Weiß. Fortan gab’s kein Halten mehr: Mit ihrer Choreographie „One World“ hatten die Velberter erstmals den Serienmeister Grün-Gold-Club Bremen in einem Erstliga-Turnier hinter sich gelassen.
Riesenjubel nach dem Kampfrichter-Urteil
Unbändiger Jubel bei den TSZ-Paaren, jeder ringsherum wurde wie wild geknuddelt, Tränen des Glücks bahnten sich ihren Weg über die minuziös geschminkten Gesichter. Diesen Moment, den hätten die zuvor so leidenschaftlich tanzenden Velberter Lateiner am liebsten festgehalten und nie mehr losgelassen.
Auch Kristina Kratz, eine der Erfahrensten im Team, war ergriffen vom Triumph in der Solinger Klingenhalle. „Seit 17 Jahren jage ich jetzt einem solchen Tag hinterher. Jetzt weiß man, wofür man all die Jahre so viel geopfert hat“, gab sie zu Protokoll.
Vier Einser für das 1. TSZ Velbert, deren drei für die seit gefühlten Ewigkeiten sieggewohnten Bremer - auch Astrid Kallrath brauchte eine ganze Weile, bis sie überhaupt realisieren konnte, was da gerade geschehen war. „Das war ein rundum gelungener, großartiger Turniertag. Alleine darüber hab ich mich vorher schon gefreut. Und weil wir zwei herausragende Durchgänge auf die Fläche gebracht haben“, erklärte die Trainerin.
Behrendt erinnert sich an schöne Siege gegen Bremen
Schon in der Vorrunde, in der die Velberter als letztes der acht Teams aufs Parkett mussten, war mitreißend und technisch beinahe perfekt. „Wir wollten ein Team sein und das auf der Fläche auch so rüberbringen“, sagte Tänzerin Ines Behrendt, die im vorigen Jahr zum Kader des 1. TSZ stieß. Während im Hintergrund der Toten-Hosen-Titel „Tage wie dieser“ aus den Lautsprechern erklang, erinnerte sich die Düsseldorferin an ihre letzten persönlichen Erfolge gegen die Überflieger von der Weser.
„In der Saison 2014 haben wir sie damals mit unserer Formations-Gemeinschaft Aachen/Düsseldorf zweimal geschlagen - in der Liga und bei der EM“, erzählte Behrendt. Die gesamte Formation sei schon vom eigenen Vortrag in der Vorrunde vor den etwa 700 Zuschauern „total begeistert“ gewesen. „Das Publikum war so toll - wir wollten am liebsten gar nicht von der Fläche gehen.“
Sieg gegen Weltmeister eine Riesen-Überraschung
In der Kabine gab’s dann vom Trainergespann die Ansage an die Mannschaft, möglichst noch mal eine solche Leistung hinzulegen - dann könne man die große Überraschung vielleicht wirklich in die Tat umsetzen. Denn wer hätte schon damit gerechnet, dass der GGC Bremen nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft im Dezember in China zum Auftakt der Bundesliga nur wenige Wochen später gegen einen nationalen Rivalen den Kürzeren zieht?
„Es gab viele Stimmen in der Halle, die uns sagten, so starke Durchgänge hätten wir noch nie getanzt“, erklärte nach dem Turnier Co-Trainerin Miriam Perplies. Ganz bewusst habe man vor dem Finale den Druck auf die Mannschaft nicht erhöht, sondern eher auf die emotionale Bremse getreten. „Wir haben das eigentlich um 300 Prozent ‘runtergefahren. Schließlich wollten wir nicht, dass das Team überpowert vor den eigenen Fans“, so Astrid Kallrath, die am Samstag insgesamt 18 Tänzer einsetzte - Elena Käser und Maurizio Chimento bestritten das Finale anstelle von Nicole Zborowski und Fabian Eßmann.
Velberts Jüngste ließ sich nicht beeindrucken
Selbst dass Velberts Jüngste, Milena Kwapich-Berghaus, in der Vorrunde unglücklich ihren Turban-ähnlichen Kopfschmuck verlor und zwei Drittel des Programms als einzige TSZ-Dame mit offenen Haaren tanzen musste, steckte man locker weg.
„Das hat sie unglaublich gut gemacht, sich überhaupt nichts anmerken lassen. Danach ist sie erst so richtig aus sich ‘rausgegangen. Für eine gerade 15-Jährige war das phänomenal“, so Kallrath. In der Endrunde konnte mit der Kopfverzierung nicht mehr passieren, so fest wurde das Teil nun verklebt. Und auch sonst kamen die im Finale als drittes Team tanzen Velberter fast mit einem fehlerfreien Auftritt durch, verdienten sich die dann folgenden vier Einser, die Tänzer und Anhänger gleichermaßen frohlocken ließen.
„Wir haben jederzeit daran geglaubt, dass wir es schaffen können“, ließ Miriam Perplies wissen. „Auch Bremen hat heute eine gute Leistung gezeigt, so ist unser Sieg noch ein bisschen mehr wert. Irgendwann zahlt sich harte Arbeit eben aus“, so die 37-Jährige.
Richter: „Die Mannschaft nimmt einen regelrecht mit“
Michael Haas, einer der sieben Wertungsrichter, erklärte seine Einser-Wertung für das 1. TSZ Velbert: „Da hat das Gesamtbild einfach gepasst. Das war energetisch sehr gut, die Mannschaft nimmt einen regelrecht mit. Velbert war heute überzeugender als Bremen, hat die Wertungskriterien sehr gut erfüllt. Von zwei starken Teams hat Velbert heute um ein paar Prozent vorne gelegen - die Wertung von 4:3 ist daher sicher vertretbar“, so der Hamburger.
In zwei Wochen (2. Februar) findet im niedersächsischen Buchholz das zweite Bundesliga-Turnier statt. Dort müssen die Kallrath-Schützlinge nun ihre Spitzenposition verteidigen. Eine ganz ungewohnte, aber durchaus charmante Rolle aus Sicht des 1. TSZ Velbert.
>> ALLE WERTUNGEN IM ÜBERBLICK:
1. 1. TSZ Velbert 1-2-1-2-1-1-2
2. GGC Bremen 2-1-2-1-2-2-1
3. BW Buchholz 3-4-3-4-4-3-3
4. TSG Bremerhaven 4-3-4-3-3-4-4
5. FG Düsseldorf/Aachen 5-5-5-5-5-5-5
6. TSG Backnang 7-6-6-6-6-6-6
7. 1. TC Ludwigsburg 6-7-7-7-7-7-7
8. Resid. Ludwigsburg 8-8-8-8-8-8-8