Mülheim. Bei Blau-Weiß Mintard werden nicht mehr nur Technik und Taktik gecoacht. Die Jugendfußballer des Vereins sollen in Zukunft noch etwas lernen.

„Gib mir den Ball!“ Immer lauter werden die Schreie, doch der E-Jugend-Fußballer gibt nicht nach. Stattdessen stellen sich nach einer Zeit fast sämtliche Mannschaftskollegen vor ihn und schirmen ihn vor dem „Angreifer“ ab. Die Szene ist natürlich nur gestellt – und Teil eines neuen Trainingsangebots bei Blau-Weiß Mintard.

Denn der Mülheimer Fußballklub arbeitet seit geraumer Zeit mit der Future Boys Factory zusammen, um seine jungen Kicker nicht nur fußballerisch auszubilden, sondern sie auch in ihrer Persönlichkeit zu stärken. Mit dem richtigen Werkzeug sollen diese auch die vielen Herausforderungen im Alltag umdribbeln.

Selbstbehauptungscoach in Mülheim: „Ich möchte die Jungs da abholen, wo sie sind“

Die Factory wurde vor eineinhalb Jahren vom Lintorfer Mike Ruhrländer gegründet. Der 51-Jährige kommt eigentlich aus dem IT-Bereich, wollte in den letzten gut 15 Jahren seines Berufslebens aber „noch einmal etwas Ehrliches machen.“ Mittlerweile ist er ausgebildeter Selbstbehauptungs- und Resilienzcoach und versucht, Jungen ab der dritten Klasse mit einem Rüstzeug in Sachen Selbstbehauptung und Umgang mit Mobbing mitzugeben. „Solche Dinge sind in der Erziehung der Jungs etwas auf der Strecke geblieben“, findet Ruhrländer.

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Da er selbst seit 15 Jahren Jugendtrainer ist und aktuell die D1 seines Sohnes coacht, bot es sich an, beide Bereiche zu verbinden. „Ich möchte die Jungs da abholen, wo sie sind“, sagt der Coach. Heißt: in einer vertrauten Umgebung, wo sie sich nicht von Lehrern oder Eltern kontrolliert fühlen. „Oft höre ich mir am Anfang erstmal an, was in der Woche passiert ist. Ich bin kein Kummerkasten, aber hier im Vereinsumfeld erzählen die Kinder solche Sachen einfach“, hat Ruhrländer festgestellt.

Jugendfußball-Training: DJK BW Mintard ist ein Vorreiter in der Region

Seiner Meinung nach sei Selbstbehauptung für jeden Verein ein Muss. „Ich kenne hier in der Region aber keinen, der sowas macht“, sagt Ruhrländer. Und selbst die großen Vereine machten sich gerade erst auf den Weg. Bei Blau-Weiß Mintard stieß der 51-Jährige mit seiner Idee auf große Zustimmung. „Wir haben das auch in unserer Trainersitzung vor der Saison besprochen und es mit allen Teams kommuniziert“, sagt E-Jugendtrainerin Jennifer Weißflog.

Etwa zehn Minuten dauern die kurzen Zusatz-Einheiten, dann geht es für die jungen Fußballer mit dem normalen Training weiter.
Etwa zehn Minuten dauern die kurzen Zusatz-Einheiten, dann geht es für die jungen Fußballer mit dem normalen Training weiter. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Neben dem Training mit seiner eigenen Mannschaft kommt Mike Ruhrländer jeden Freitag auf die Anlage in den Mintarder Ruhrauen, um mit den jungen Fußballern zu arbeiten. Sein Coaching wird dabei ins normale Training inkludiert, ohne die Arbeit des eigentlichen Trainers zu beeinflussen. „Ich will nicht in die Vorbildfunktion reinrutschen“, betont er.

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In etwa zehn Minuten versucht Ruhrländer, den Nachwuchskickern an Hand von kleinen Übungen in das Thema einzuführen. Dabei gibt es klare Regeln: Laut und deutlich sprechen, dem Gegenüber in die Augen schauen und ihn aussprechen lassen. Statt mit ja wird die Zustimmung mit einem lauten „Check“ signalisiert. Auch ein fester Stand sei wichtig.

„Ansonsten gebe ich Denkanstöße in Form von kleinen Stories oder Bildern“, sagt Ruhrländer. Diese sollen sich die Jungen ins Gedächtnis rufen, wenn sie zum Beispiel beleidigt werden. Sich lieber eine komische Situation mit dem Gegenüber vorstellen, statt aggressiv zu werden. Es geht zudem um den Umgang mit Konfliktsituationen und nicht wegzugucken, wenn ein anderer Hilfe braucht.

Bei Mobbing: Ruhrländer nimmt Täter und Mitläufer ins Visier

„In Deutschland schreien immer alle, dass man sich um die Opfer von Mobbing kümmern müssen. Ich sage: wir sollten uns eher um die Täter und die gefährlichen Mitläufer kümmern. Aber während man in der Medizin bei einer Krankheit der Sache auf den Grund geht, passiert das bei Kids nicht. Warum hat sich denn das Thema Mobbing so entwickelt?“ fragt der Lintorfer.

Seine Arbeit beginnt meist mit Kindern ab der dritten Klasse, weil dort kurz vor dem ersten Schulwechsel das Thema erst richtig zum Tragen komme. Spätestens aber in der fünften Klasse. „Eine neue Situation auf einer neuen Schule, ein neues Umfeld und neue Arten von Sticheleien“, so der Experte.

Was die Kinder aus dem zusätzlichen Training mitnehmen? „Das kann ich gar nicht wirklich sagen. Die Resonanz der Eltern ist positiv und wenn sie sich zumindest an ein paar Bilder erinnern, wenn sie das nächste Mal beleidigt werden, ist ja schon etwas gewonnen.“

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