Mülheim. Wie gefährlich ist Pferderennsport? Nach der tödlichen Verletzung eines Pferdes in Mülheim erklärt ein Tierarzt, worauf geachtet werden muss.

Mitte Juli musste auf der Galopprennbahn am Mülheimer Raffelberg ein Pferd nach einem Sturz eingeschläfert werden. Das rief Tierschützer auf den Plan, die Galopprennsport am liebsten verboten hätten. Sie argumentieren mit der großen Verletzungsgefahr für die Tiere. Die Rennvereine halten dagegen, behaupten, dass das Verletzungsrisiko auf einer Koppel für Tiere ungleich höher sei.

Maximilian Pick, jahrelang als Rennarzt auf der Galopprennbahn in München im Einsatz, hat in seiner 20-jährigen Laufbahn einige Tiere einschläfern müssen. Er sagt: „Die Verantwortlichen in den Rennvereinen lügen, weil sie ihre Vereine vermeintlich schützen wollen.“

Galopprennpferde laufen bis zu 60 km/h – das erhöht das Risiko

„Viele Pferde“ habe Pick in seiner Laufbahn nach Rennunfällen einschläfern müssen, zwei bis vier pro Rennjahr. „Die Gefahr im Rennen ist viel größer als im Training. Allein deshalb, weil die Geschwindigkeit viel höher ist“, erklärt Pick. Ein Galopprennpferd läuft bis zu 60 km/h in der Spitze, im Trabrennsport sind es immerhin noch rund 50 km/h. Schon eine kleine Unachtsamkeit, eine kleine Unebenheit im Geläuf könnte dann zu Verletzungen führen.

„Wenn ein Pferd sich den Fuß bricht, kann man das eventuell operativ behandeln. Nach einem Rennunfall fühlt sich der Knochen aber so an, wie Kleingeld in einer Geldbörse.“

Maximilian Pick
Tierarzt

„Ein kleiner Fehltritt führt zum Beinbruch“, sagt Pick und beschreibt: „Wenn ein Pferd sich den Fuß bricht, kann man das eventuell operativ behandeln. Nach einem Rennunfall fühlt sich der Knochen aber so an, wie Kleingeld in einer Geldbörse.“ Eine Heilung hat dann nur geringe Chancen. „Es sind dann viele einzelne Knochenstücke und in der Regel kann das Pferd danach nicht mehr beschwerdefrei laufen“, sagt der 86-Jährige. Das Tier müsse dann eingeschläfert werden.

Schon junge Pferde stehen bei den Rennen am Start

Zu seiner aktiven Zeit als Rennarzt betreute Pick 20 Renntage auf der Galopprennbahn in München. Pro Renntag seien ungefähr 100 Pferde am Start gewesen – die Zahlen seien vergleichbar mit denen auf anderen Rennbahnen. Genauso wie die Zahl der Unfälle, an deren Ende der Tod des Pferdes steht. Eben die genannten zwei bis vier pro Jahr.

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Sollte man den Galopprennsport deshalb ganz verbieten? „Man kann darüber diskutieren. Auf jeden Fall muss sich einiges ändern“, sagt Pick. Schon zweijährige Pferde würden an Rennen teilnehmen. „Das halte ich für zu früh, das ist Kinderarbeit“, sagt Pick. Frühestens im Alter von drei Jahren sollten Pferde seiner Meinung nach an Rennen teilnehmen und dann müsse die Belastung langsam gesteigert werden. „Wenn die Strukturen gefestigt sind, kann man sie öfter laufen lassen.“

Tierhaltung erhöht die Verletzungsgefahr

Auch die Tierhaltung sei ein entscheidender Faktor. „Rennpferde stehen überwiegend im Stall. Das ist schlecht für die Beine, die Lunge und fördert auch Darmprobleme“, erklärt der Tierarzt. Er fordert deshalb eine artgerechtere Haltung der Pferde. „Pferde sind Steppentiere und keine Höhlenbewohner“, macht Maximilian Pick deutlich.

Was das angeht, seien die Halter von Trabrennpferden denen von Galopprennpferden ein Stück weit voraus. „Sie machen es besser, da dürfen die Pferde auch mal auf die Koppel“, sagt Pick. Letztlich sei das auch gut für die Psyche der Pferde und „wenn ein Pferd seelisch ausgeglichen ist, wird es sich ganz anders benehmen.“

Verantwortung sieht Pick auf viele Schultern verteilt

Und soll es nun weiter Pferderennen geben? „Pferderennen fordern das allerletzte von einem Pferd, nicht nur in Bezug auf die Knochen. Viele haben auch Sehnenschäden, wenn sie von der Rennbahn ausscheiden“, erklärt der Experte und findet: „Die Regeln müssen vernünftiger gestaltet werden. Bei schlechten Bodenverhältnissen darf nicht geritten werden, die Pferde dürfen nicht so oft laufen“, sagt Pick. „Wenn dann auch die Pferdehaltung vernünftiger betreibt, dann bin ich dafür, dass es weiterhin Pferderennen gibt.“

In der Verantwortung sieht er Trainer, Besitzer und Jockeys, aber auch die Veranstalter der Pferderennen. Und „die versuchen immer alles schön zu reden.“

Zur Person Maximilian Pick

Maximilian Pick wurde 1937 in Lobositz/Böhmen geboren. Nach seinem Abitur studierte er Tiermedizin in München und Wien, promovierte anschließend in der bayerischen Landeshauptstadt.

Zwischen 1971 und 1997 arbeitete er als praktizierender Tierarzt und Fachtierarzt für Pferde, war unter anderem als Rennbahntierarzt in München Riem eingesetzt. 1991 wurde Pick zum öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen für den Handels- und Gebrauchswert von Pferden ernannt, seit 1998 ist er Fachtierarzt für Tierschutz.

Bis heute arbeitet Pick als hippologischer Sachverständiger und publiziert rund um das Thema artgerechte Haltung von Pferden.