Mülheim. Er ist gelernter Gärtner. Nun fährt Jürgen Hornig mit Bus aus Oberhausen zum SC Croatia. Dafür bekommt er kein Geld. Es geht um mehr.
„Du bist aber langsam, hömma.“ Jürgen Horning kann es nicht schnell genug gehen, bis sich Ersatztorwart Ante Serdarusic umgezogen und auf seiner Liege Platz genommen hat. Auch mit 77 Jahren ist der Oberhausener noch mindestens zweimal die Woche beim SC Croatia Mülheim aktiv.
Obwohl das auf den Freitagabend vorgezogene Kreisliga-A-Spiel gegen den SV Raadt (Croatia gewinnt 7:2) erst um 19.45 Uhr beginnt, ist der 77-Jährige schon seit 17.30 Uhr auf der Anlage an der Styrumer Moritzstraße.
Vor jedem Spiel mindestens vier bis fünf Spieler beim SC Croatia Mülheim auf dem Tisch
Einen Spieler hat er bereits behandelt, jetzt ist Serdarusic an der Reihe. „Der hat immer Rücken“, schmunzelt Horning und beginnt ebenda mit der Massage. „Das ist super, dass er das in seinem Alter noch macht. Vor jedem Spiel hat er mindestens vier bis fünf Leute auf dem Tisch“, erzählt der Behandelte.
Und lohnt es sich? „Du arbeitest die ganze Woche und hast richtig Schmerzen, dann kommst du zu ihm und kannst locker die 90 Minuten spielen. Er macht das richtig gut und wir sind zufrieden, dass er hier ist“, so der Keeper.
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„So, jetzt gehe ich mit der Maschine dran“, kündigt Hornig an und schnappt sich ein Massagegerät, das Wärme ausstrahlt. „Das darf aber auch nicht zu heiß werden“, weiß der Masseur.
Die Fertigkeiten hat er sich in 44 Jahren selbst angeeignet. „Ich habe damit aus Interesse angefangen“, sagt er, der früher selbst Fußball und Handball gespielt hat. Einen beruflichen Hintergrund hatte er in diesem Bereich nicht. „Nö, ich war Gärtner.“ Ein Sportplatzbesuch änderte dann alles. Bei einer Verletzung wurde Horning ungeduldig. „Bis sich da mal einer bewegt hat …“. Der Oberhausener griff selbst ein. „Und seitdem mache ich das.“
Gelernter Physiotherapeut ist Hornig damit natürlich nicht, immerhin dauert eine Ausbildung drei Jahre oder es wird studiert. In der Zeit wird sich viel Wissen über Anatomie, Physiologie, Krankheitslehre und viele weitere Themenfelder angeeignet. Dennoch war Hornig schon in Oberhausen bei Blau-Weiß Lirich und beim TSV Safakspor tätig, in Duisburg bei Genc Osman und in Mülheim bei Fatihspor.
Nach über 40 Jahren wollte er eigentlich Schluss machen. „Aber zu Hause sitzen kannst du auch nicht immer, du musst unter Leuten sein“, sagt Horning. Also ließ er sich vom Sportlichen Leiter Efe Özkan zum SC Croatia locken. „Mir macht es ja auch Spaß, sonst würde ich es ja nicht mehr machen.“
Zwei Wochen Pause: „Du wirst zu Hause bekloppt“
Was er vermissen würde, zeigten die letzten zwei Wochen, als er wegen einer Lungenentzündung ausfiel. „Du wirst zu Hause bekloppt, sitzt nur vor der Glotze“, lacht er.
Am Freitag war er erstmals wieder vor Ort, um die Spieler durchzukneten. „Ich bin meistens mittwochs und sonntags da. Wenn sie mich wegen einem Notfall anrufen, dann komme ich auch“, sagt Horning. „Wer kommen will, der kann kommen“, erklärt er.
Jürgen Hornig von Croatia Mülheim: „Manche haben doch gar nichts“
Die Zahl der „Patienten“ schwankt. „Manchmal gibt es Tage, da sind es zehn bis zwölf, manchmal aber auch nur drei oder vier“, so Horning. „Es gibt aber auch einige“, sagte er und senkt die Stimme, als würde jemand lauschen, „die haben eigentlich gar nichts. Die wollen nur mal ein bisschen aufgelockert werden.“
Massieren und Tapen gehört zum Alltagsgeschäft, es wurde aber auch schonmal eine Schulter wieder eingekugelt. In Oberhausen musste er in der Halle mal einem Spieler mal einen Karabinerhaken aus dem Knie ziehen.
Warum Jürgen Horning nicht auf Eisspray setzt
Mit der Zeit hat er sich einige Praktiken angeeignet. „Ich arbeite zum Beispiel nicht gerne mit Eisspray, damit verbrennst du die Haut. Ich nehme lieber einen Eisbeutel aus dem Gefrierfach, ein bisschen aufrauen, dann ist der Schmerz erstmal weg. Dann kann er paar Stunden spielen und anschließend tue ich eine schmerzstillende Salbe drauf, das macht man drei- oder viermal, dann hat sich das erledigt.“ Am liebsten würde er jedem Spieler die Knöchel tapen, damit sie sich auf dem „scheiß Kunststoffrasen“ nicht verletzten. „Aber das kostet ja ein Schweinegeld.“
Etwas, das Jürgen Horning nicht bekommt. Ein reines Ehrenamt. „Das Einzige, was ich bekomme, ist meine Fahrkarte“, sagt der Oberhausener, der mit Bus und Bahn zum SC kommt – inklusive zweimal umsteigen.
„Ich will es bis zum 80. Lebensjahr machen“
„So Junge, jetzt kannst du runter.“ Ante Serdarusic ist entlassen. Die Mannschaft verschwindet zur Besprechung in der Kabine. Danach wird Hornig noch einmal gefragt sein, bevor es auf den Platz geht. Dass die Spieler so viel jünger sind als er? Kein Problem. „Ich komme mit den Jungens gut zurecht, das ist mir egal ob die 19 oder 30 sind, wir sind ja quasi Kollegen“, sagt Horning.
Auch die Liga spielt für ihn überhaupt keine Rolle. „Es muss Spaß machen und die Kameradschaft muss stimmen“, betont er. Dann könne er noch mindestens bis zum 80. Lebensjahr weitermachen.
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