Ruhrgebiet. Karate ist 2021 erstmalig olympisch – und wohl auch zum letzten Mal. Für die Sportlerinnen und Sportler gilt es, die Gunst der Stunde zu nutzen.

Olympische Spiele in Japan – klar, dass Karate da im Programm nicht fehlen darf. Erstmals wird die traditionelle Kampfsportart im Programm vertreten sein. Und so wie es aussieht, auch zum letzten Mal. Schon für die Spiele 2024 in Paris ist Karate nicht mehr vorgesehen.

„Für jeden Karateka ist es ein Traum, ins Heimatland des Karate zu fliegen und an der höchsten Meisterschaft teilzunehmen, die es gibt“, sagt Tim Milner, Trainer bei Budokan Bochum und Assistenztrainer der deutschen Nachwuchs-Nationalmannschaft.

Die Ursprünge des Karate gehen bis etwa ins Jahr 500 zurück. Damals entwickelten chinesische Mönche, die keine Waffen tragen durften, aus gymnastischen Übungen eine spezielle Kampfkunst zur Selbstverteidigung. Diese diente auch als Weg der Selbstfindung und Selbsterfahrung.

„Der Weg der leeren Hand“

In Japan entstand Anfang des 20. Jahrhunderts aus der traditionellen Kampfkunst ein Kampfsport, der nach Regeln ausgeführt wird. Dabei bedeutet Karate-Do etwa so viel wie „der Weg der leeren Hand“ – eben weil die Karateka keine Waffen tragen.

Ins olympische Programm sind nun zwei verschiedene Disziplinen aufgenommen worden. Die Kata und das Kumite. „In der Kata kämpft man gegen einen gedachten Gegner“, erklärt Tim Milner. In einer einstudierten Choreographie zeigen die Athleten verschiedene Techniken. „Es kommt auf Konzentration, Koordination, Gleichgewicht, Dynamik und Athletik an“, so Milner.

Kumite ist eine der beiden Karate-Disziplinen: Es geht um das direkte Duell mit dem Gegner.
Kumite ist eine der beiden Karate-Disziplinen: Es geht um das direkte Duell mit dem Gegner. © Fabian Strauch / FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Die Wertungsrichter schauen genau hin – und bewerten anschließend die Ausführung. Ausgehend von einer Punktzahl von 7,0 (in der Vorrunde) beziehungsweise 8,0 (Finalrunde) können zwischen 5,0 und 10,0 Punkte vergeben werden. Damit die Wertungsrichter sich ein besseres Bild machen können, tragen die Athleten dabei etwas kürzer geschnittene Anzüge. „Dann können die Kampfrichter sehen, ob die Techniken auch sauber ausgeführt werden“, erklärt Milner.

Olympia-Premiere- Die Sportart Karate ist in Tokio erstmals dabei

weitere Videos

    Welche Stilrichtung des Karate ein Athlet vorführt, ist dabei egal. „Die erfolgreichen Athleten zeigen etwas aus dem Shito Ryu“, sagt Trainer Tim Milner. Dieser Stil wurde 1934 von Mabuni Kenwa in Osako etabliert.

    Im Gegensatz zur Kata steht das Kumite. Dort duellieren sich zwei Kontrahenten, wer zuerst acht Punkte Vorsprung hat, hat den Kampf gewonnen – welche Stilrichtung angewandt wird, ist egal. Einen klassischen K.o., wie etwa aus dem Boxen bekannt, gibt es beim Karate aus gutem Grund nicht. „Wir kämpfen im Semikontakt. Wer einen Gegner bewusst verletzt, bekommt Punkte abgezogen“, erläutert Milner.

    Trefferflächen: Kopf, Bauch und Rücken

    Als Trefferflächen gelten dabei Kopf, Bauch und Rücken. Treffer auf die Extremitäten bringen keine Punkte. Die Berührung darf aber nur leicht sein, die Kampfrichter bewerten die Aktionen. Steht es nach drei Minuten Unentschieden hat entweder der Athlet gewonnen, der zuerst gepunktet hat, oder – bei einem punktlosen Remis – die Kampfrichter entscheiden. Anders als bei der Kata sind die Anzüge hier etwas weiter geschnitten, die Sportlerinnen und Sportler tragen einen Schutz an den Händen, Füßen und Beinen.

    Neue olympische Sportarten

    Bei den Olympischen Spielen in Tokio sind einige Sportarten erstmals im Programm. Einige von ihnen werden womöglich auch nur ein einziges Mal olympisch sein.

    Wir stellen die neuen Sportarten vor. Los geht es mit Karate.

    Die neuen Olympischen Sportarten

    Erstmals olympisch - So funktionier Karate - Mit Video

    Die deutschen Farben werden in Tokio in beiden Disziplinen von je zwei Athleten vertreten, dazu startet ein Sportler, der in Deutschland lebt, für das Flüchtlingsteam des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). „Wir merken schon, dass die Aufmerksamkeit wächst. Allein dadurch, dass die Deutschen Meisterschaften im Fernsehen übertragen wurden“, sagt Tim Milner.

    Wettkampfkarate betreiben in Deutschland die Athleten des Deutschen Karateverbandes (DKV), der vom IOC anerkannt wird. Davon abgespaltet hat sich Mitte der 1990er-Jahre der Deutsch-Japanische-Karatebund (DJKB) um den ehemaligen Bundestrainer Hideo Ochi.

    „Dort wird Karate noch etwas traditioneller betrieben. Die Kampfrichter kommen beispielsweise noch barfuß auf die Matte“, sagt Tim Milner. Außerdem wird dort ausschließlich im Shotokan gekämpft, Athleten spezialisieren sich weniger auf Kata oder Kumite.

    Jonathan Horne und Noah Bitsch mit Medaillenchancen

    In letztgenannter Disziplin macht sich das deutsche Team Hoffnungen auf Edelmetall in Tokio. „Jonathan Horne und Noah Bitsch haben gute Chancen“, sagt Tim Milner. Da das Teilnehmerfeld mit nur zehn Athleten pro Gewichtsklasse überschaubar ist, sei die Qualifikation für Tokio beinahe schwerer gewesen als der Kampf um die Medaillen. Außerdem starten Jasmin Jüttner und Ilja Smorguner in der Kata.

    So oder so ist der Auftritt auf der ganz großen internationalen Bühne eine gute Möglichkeit, die Sportart Karate in den Fokus zu rücken. Auch, wenn das olympische Intermezzo wohl nur von kurzer Dauer sein dürfte.