Mülheim. Ohne großes Ziel begann der Mülheimer Kai Schäfer einst seine Badminton-Karriere – nun nimmt er an den Olympischen Spielen in Tokio teil.
Spätestens im vergangenen Jahr hat Kai Schäfer seine neue Heimat Mülheim kennen und lieben gelernt. „In der Zeit, in der wir nicht in die Halle, sondern nur joggen gehen durften, habe ich dafür verschiedene Routen genommen. Da hat mir Mülheim immer besser gefallen, ich fühle mich hier sehr wohl und mag es auch, dass die Wege nach Düsseldorf oder Essen kurz sind“, so der 28-jährige gebürtige Darmstädter, der nun seit drei Jahren an der Ruhr lebt, täglich am Badminton-Stützpunkt trainiert und im Juli sein bisherigen Karrierehöhepunkt erleben wird: Olympia in Tokio.
In Hessen wuchs Schäfer auf und entwickelte zunächst zu anderen Sportarten als Badminton eine besondere Beziehung. „Ich habe mit Tennis angefangen und bin geschwommen. Meine Schwester hatte damals aber schon Badminton gespielt und ich war mit neun Jahren bei einer Vereinsmeisterschaft zuschauen. Da hat mich der Trainer gefragt, ob ich nicht mitspielen möchte“, so der heutige Bundesliga-Spieler des SV Fun-Ball Dorteweil.
Tennis war lange die Nummer eins bei Kai Schäfer
Badminton wurde ein Teil seines Lebens, wenn auch Tennis weiterhin die Nummer eins war, immerhin spielte der Darmstädter bis er 13 Jahre alt war im Landeskader. „Es hat sich dann aber mehr verschoben. Badminton hat mir noch mehr Spaß gemacht. Mit 13 habe ich dann dreimal die Woche trainiert, mit 15 bin ich auf das Sportinternat in Frankfurt gewechselt und es ab da professionell gemacht“, erinnert sich Schäfer, der im nationalen Vergleich somit eher ein Spätanfänger beim Badminton ist, als Jahrgangsjüngerer in der U17 aber Deutscher Meister wurde.
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„Auf dem Internat habe ich einen großen Sprung gemacht“, sagt Schäfer – auch, weil er in Frankfurt bis zu zwei Mal die Woche trainierte, sein Abitur machte und nebenbei für Dorteweil spielte, mit dem Klub und guten Freunden dort von der Regionalliga bis in die erste Liga aufstieg. Weil der Verein allerdings wieder den Gang aus der ersten Liga hinnehmen musste und Schäfer mittlerweile am Badminton-Stützpunkt in Saarbrücken trainierte, war er zu gut für seinen Herzensklub, wechselte zum SC Union Lüdinghausen und avancierte dort zum Punktegaranten – ehe es im vergangenen Jahr zurück zum SV Dorteweil ging, der mittlerweile wieder in der Bundesliga spielt.
Viel Sport bestimmte die Freizeit – ein konkretes Ziel gab es nicht
An Olympia dachte er damals noch überhaupt nicht. „Ein Ziel hatte ich damals nicht“, sagt Schäfer. „In meiner Kindheit habe ich jeden Tag Sport gemacht, ich hatte so viel Freude am Sport an sich. Es gab keine Handys oder Laptops, ich bin einfach raus zum Fußball spielen oder für anderen Sport. Ich hatte aber auch im Verein nie ein bestimmtes Ziel, es ging um den Spaß und darum, sich immer weiter zu verbessern.“
Diese Motivation ist es, die im Leistungssport irgendwann die Spreu vom Weizen trennt. Das größte Talent hilft nicht, wenn die Einstellung nicht stimmt. Und andersrum kann der Wille die eine oder andere Schwäche wettmachen und zu einer internationalen Karriere verhelfen – wie nun bei Schäfer. Ganz ohne Ziele ging es auf Dauer aber natürlich auch nicht. „Irgendwann kommt man an einen Punkt, an dem es hilft, sich welche zu setzen. Das ist ja auch notwendig, beim Sport geht es natürlich auch darum, zu gewinnen und ich bin auch ein schlechter Verlierer, das gehört dazu. Aber ich habe es nie verkrampft gesehen“, sagt Schäfer.
Schritt für Schritt nach vorne – Olympia war weit weg
Wie ein Rädchen ins andere habe sich seine Karriere einfach so ergeben, Schritt für Schritt ging es nach oben. „Erst kam das Internat, dann der Schritt zum Erwachsenenstützpunkt. Da war ich am Anfang mit Abstand der schlechteste“, sagt Schäfer, lacht und erklärt: „Ich war auch nicht das Mega-Talent. Vor zehn Jahren hätte wohl keiner gesagt, dass ich irgendwann Deutschland bei Olympia vertreten werde. Aber ich war immer fleißig und so hat es sich entwickelt.“
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Sein Debüt mit dem Adler auf der Brust gab Kai Schäfer in der U15. „Da haben wir gegen Dänemark gespielt und waren ziemlich chancenlos. Ich war extrem aufgeregt, vor allem als die Hymne gespielt wurde. Das war ein besonderer Moment“, erinnert er sich.
Schäfer zählt zu den besten 30 der Welt
Mittlerweile ist dieses Gefühl längst zur Routine geworden: Schäfer machte bisher elf Länderspiele für die Erwachsenen. „Für Deutschland zu spielen, ist immer cool. Ich spiele in der Mannschaft auch besser, als wenn ich nur für mich allein antrete“, so Schäfer, der auch bei der Universiade 2017 im taiwanischen Taipeh die deutschen Farben vertrat und das Leben im Sportler-Dorf, wie es auch in Tokio sein wird, somit schon ein wenig kennt.
Fünffache Premiere
Kai Schäfer und Yvonne Li gelang die Qualifikation für die Olympischen Sommerspiele im Herreneinzel bzw. Dameneinzel.
Im Herrendoppel sind die aktuellen Vizeeuropameister Mark Lamsfuß/Marvin Seidel und im Mixed die amtierenden EM-Dritten Mark Lamsfuß/Isabel Herttrich am Start.
Alle fünf Badmintonasse erleben 2021 ihre Olympiapremiere.
Dennoch werden die Olympischen Spiele in Tokio noch einmal etwas anderes werden für den Mülheimer, der so viel investiert hat, um die Reise nach Japan antreten zu können. Über ein Jahr lang müssen die Athleten überzeugen, um am Stichtag unter den besten 32 der Welt auf der Rangliste zu stehen und ein Ticket für Olympia zu ergattern. Schäfer schien davon einst weit entfernt. „Ich hatte vor Beginn der Olympia-Quali eine schlechte Phase, war nur die Nummer 120 der Welt. Aber ich habe trotzdem die Chance gesehen und alles probiert“, sagt er.
„Verrückte Reisen“ in der Quali
Mehrere tausend Flugkilometer nahm Schäfer für seinen großen Traum auf sich, spielte rund um den Globus um Weltranglistenpunkte. „Mein erstes Turnier hatte ich in Brasilien, eine Woche später bin ich in Dänemark ins Finale gekommen, was bis dahin mein größter Einzelerfolg war. Es war ein guter Start in die Quali und spätestens ab dann habe ich daran geglaubt, dass es funktioniert“, so Schäfer, der teils „verrückte Reisen“ machte, auch in den USA oder auf den Malediven aufschlug.
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Er arbeitete sich Platz für Platz in der Weltrangliste nach oben, bis er am Stichtag auf Rang 30 stand. Die Freude war riesig, das Ticket für Tokio in der Tasche, auch wenn die offizielle Nominierung durch den Deutschen Olympischen Sportbund erst am 15. Juni erfolgte.
Mitte Juli geht es nach Japan – Hoffnung auf gutes Essen
Genau einen Monat später, am 15. Juli, wird er nun ins Flugzeug steigen und sein Domizil im olympischen Dorf beziehen. Bis dahin stehen aber noch viele schweißtreibenden Trainingseinheiten an. „Die Aufregung hält sich noch in Grenzen und ich schlafe auch noch gut. Aber wenn es dann tatsächlich zum Flughafen geht, werde ich schon Nervosität verspüren.“
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In Tokio wird er zu seinem Bedauern leider nicht an der großen Eröffnungsfeier teilnehmen können, denn einen Tag später startet für ihn schon das Turnier. Die Belastung spätabends und das viele Warten ergeben aus sportlicher Sicht da wenig Sinn. „Es wäre schon cool gewesen, aber noch etwas mehr schade finde ich, dass man zwei Tage nach seinem letzten Spiel schon zurückreisen muss. Man darf nicht im Dorf bleiben. Allerdings hätte das auch nicht so viel gebracht, weil wir uns durch das Coronavirus auch keine anderen Sportarten anschauen dürfen. Das hätte ich schon gerne gemacht“, so Schäfer.
Die Vorfreude auf die Spiele trübt das beim Mülheimer aber freilich ebenso wenig wie die gespannte Erwartung auf das ganze Umfeld. Schäfer hat da einen ganz eigenen Lichtblick ausgemacht: „Ich hoffe, es gibt eine gute Mensa. Die japanische Küche gefällt mir sehr.“