Region. Viele Klubs im Ruhrgebiet haben längst E-Sport-Abteilungen gegründet, von Fifa über Counter-Strike bis zum Simracing. Nun folgt ein Landesverband.

Den deutschen E-Sport-Bund (ESBD) gibt es bereits seit Ende 2017. Seit nun über drei Jahren kämpft er um die Anerkennung des elektronischen Sports in Deutschland und scheint damit nach und nach mehr Akzeptanz sowie die breite Masse zu erreichen. Nun soll in Nordrhein-Westfalen der erste Landesverband gegründet werden.

Immer mehr Vereine gründen eine eigene E-Sport-Abteilung und erweitern so ihr bisher bestehendes, etabliertes, aber eben auch oft eher konservatives Sportangebot.

E-Sport wird unter anderem bei Schalke 04, dem VfL Bochum und Rot-Weiss Essen gespielt

Ein Blick auf die Klubs zeigt, dass es sich um einen wachsenden Markt handelt. 68 Vereine aus ganz Deutschland sind auf der Mitgliederliste des ESBD registriert.

Das Ruhrgebiet ist dort zwar noch nicht mit einem eigenen Vertreter dabei, das bedeutet aber nicht, dass der E-Sport im Westen noch nicht angekommen ist – ganz im Gegenteil: Rot-Weiss Essen, der VfL Bochum, Schalke 04 und Rot-Weiß Oberhausen haben in den vergangenen Jahren als Zugpferde offizielle E-Sport-Abteilungen ins Leben gerufen.

Die Wappen auf der Brust. Der VfL Bochum und Hertha BSC sind im E-Sport ebenfalls organisiert. Hier Nikolas Wiebel, vorne links, unterstützt von seinem Trainer Stefan Gajduk, vorne rechts. Gegner ist Eren Poyraz, hinten rechts.
Die Wappen auf der Brust. Der VfL Bochum und Hertha BSC sind im E-Sport ebenfalls organisiert. Hier Nikolas Wiebel, vorne links, unterstützt von seinem Trainer Stefan Gajduk, vorne rechts. Gegner ist Eren Poyraz, hinten rechts. © Funke Foto Services GmbH | Rainer Raffalski

Der DSC Wanne-Eickel, Fortuna Bottrop, der Mülheimer SV, der AC Mülheim, Vollgas Bochum, Adler Ellinghorst aus Gladbeck und der MSC Neviges aus Velbert sind längst in verschiedenen Sparten organisiert.

Und in Bochum und Gelsenkirchen richtete der Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen sogar bereits E-Sport-Stadtmeisterschaften mit zehn beziehungsweise acht teilnehmenden Klubs aus.

Landesverband NRW möchte keine elektronische Sportart ausschließen

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Nun soll der nächste Schritt Richtung Professionalität gegangen werden: mit einem E-Sport-Landesverband. „Die ersten Gespräche in die Richtung gab es Anfang des Jahres“, sagt Andy Franke, der Leiter des Projektteams. Der Startschuss fiel dann am 1. März in Form eines Gründungsstammtisches. „Da waren alle Einzelvertreter und Organisationen eingeladen, um abzuklopfen, ob ein Landesverband gewollt ist“, so Franke.

Die Resonanz war äußerst positiv, der Wille nach einer strukturgebenden Organisation und damit nach einer „Pionierarbeit“, wie Franke sagt – denn einen Landesverband gibt es in Deutschland bisher noch nicht – war vorhanden. Es wurde eine Gruppe gewählt, die die Verbandsgründung nun vorbereitet und Ideen austauscht.

Dabei soll der neue Verband übrigens keine elektronische Sportart ausschließen, egal ob es sich um Sportsimulationen, Echtzeit-Strategiespiele oder Ego-Shooter handelt. „Wir trennen den E-Sport nicht. Er bleibt bei uns komplett und wir betrachten ihn als Ganzes. Es ist Counter-Strike, Fifa und alles dazwischen. Jeder Bereich wird bei uns willkommen sein“, so Franke.

Alle sollen an den sechs thematischen Leitplanken mitarbeiten können

Sechs thematische Leitplanken sind bereits schriftlich festgelegt: Servicestruktur, Spielbetrieb, E-Sport-Jugend, Sicherer E-Sport, Forschung/Wissenschaft und Interessenvertretung/Vernetzung.

Diese sechs Themenkomplexe sollen nun am 12. Mai mit Leben gefüllt werden. Denn an diesem Tag steht der nächste wichtige Schritt in Richtung der Gründung des Landesverbandes, die für Anfang Juni geplant ist, an.

Simracing, wie hier von ​Noah Cebulla (am Steuer) und Luca Kita (blond im Vordergrund) des MSC Neviges, mit dem auch Fußballprofi Max Kruse etwas zu tun hat, soll beim E-Sport-Landesverband ebenfalls ein Teil sein.
Simracing, wie hier von ​Noah Cebulla (am Steuer) und Luca Kita (blond im Vordergrund) des MSC Neviges, mit dem auch Fußballprofi Max Kruse etwas zu tun hat, soll beim E-Sport-Landesverband ebenfalls ein Teil sein. © MSC Neviges | Marcel Lerbs

In einer Online-Konferenz mit Workshops soll die grundsätzliche inhaltliche Ausrichtung des Verbandes entwickelt werden. „Uns ist es wichtig, den Verband an den Bedürfnissen der E-Sport-Szene im Land auszurichten, weshalb wir offene Workshops anbieten. Jede und jeder soll die Möglichkeit haben, die inhaltliche Ausrichtung des Verbandes mitzugestalten“, sagt Andy Franke, der sich wünscht, dass die „Leute auch spinnen und Visionen entwickeln“.

Die kleinen Vereine sind genauso wichtig wie die großen

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Denn nur so können alle Bedürfnisse der Klubs – egal wie groß oder klein sie auch sind – gehört und beachtet werden. Aktuell seien die E-Sport-Abteilungen in den Vereinen nämlich häufig noch kleine. „Wir wollen aber möglichst viele erreichen. Unser Ziel ist es, viele Interessen abzugreifen. Dazu gehört der kleine Klub genauso wie der große“, so Franke.

Hier finden sich durchaus Parallelen zur internationalen Struktur. Denn in dieser gehört Deutschland nicht gerade zu den Vorreitern des E-Sports, hängt etwas hinterher. „In England gibt es zum Beispiel bereits seit 2015 einen organisierten Verband. Und seit 2020 gibt es auch einen europäischen Verband. Deutschland ist aber auch nicht komplett hinten dran. Es entwickelt sich gerade eine Pyramidenstruktur, wenn sich nach und nach mehr Verbände gründen“, sagt Franke.

Das E-Sport trotz seiner rund 22 Millionen Spieler allein in Europa häufig noch belächelt und vom Deutschen Olympischen Sportbund auch nicht als offizielle Sportart anerkannt wird, sieht Franke übrigens auch teilweise als „ideologisch motiviert. Da kann man dann selbst mit guten Argumenten wenig gegen ankommen. Aber jeder, der sich E-Sport etwas genauer anschaut, wird erkennen, dass es sehr viele Parallelen zum bereits organisierten Sport gibt.“

Interessierte können sich für die Veranstaltung am 12. Mai per Mail an anmelden.

Andy Franke ist dem E-Sport bereits seit Ende der 1990er-Jahre verbunden. „Damals hat es nur noch keiner so genannt“, sagt er. Franke hat in seiner Heimat Jena lange Zeit Counter-Strike gespielt und auch an Wettbewerben teilgenommen. Seit 2013 sitzt er im Vorstand bei der Firma Gaming in Order mit Sitz in Leverkusen. Der Verein möchte E-Sport fördern, präventiv gegen Gaming Disorder (anerkannte psychische Erkrankung, bei der das Gaming-Verhalten nicht mehr kontrolliert werden kann) vorgehen und aktiv bei der Integration neuer Medien in das tägliche Leben unterstützen.