Mülheim. BW Mintards Elena Lazzarini merkte mit 15, dass sie homosexuell ist. Es folgen harte und emotionale Jahre. Heute möchte sie Mut machen.

Gerade als das Gespräch eigentlich vorbei ist, harrt Elena Lazzarini aus, denkt kurz nach, und möchte dann doch noch etwas sagen: „Ich muss mich nicht mehr verstellen, ich muss mich nicht mehr verstecken, ich weiß, dass meine Familie und meine Freunde immer hinter mir stehen, ich kann endlich so sein, wie ich bin. Schlussendlich war es die beste Entscheidung meines Lebens, mich als homosexuell zu outen“, so die 22-jährige Fußballerin von Blau-Weiß Mintard.

Was Lazzarini nun in der Retrospektive als einen der wichtigsten Schritte in ihrem Leben wahrnimmt, sorgte in der Zeit als Jugendliche und junge Erwachsene durch die Sozial- und Gesellschaftsstruktur, in der wir alle leben, aber auch für düstere Momente: samt Ängsten, Verletzungen, fehlender Selbstakzeptanz, und einer Therapie.

Elena Lazzarini erlebte bei ihrem Outing Abneigung

Es war ein Marathon mit vielen Stolperfallen und Hürden, den die gebürtige Ratingerin heute erfolgreich gemeistert hat, und in den sie startete, als sie 15 Jahre alt war. Damals merkte Lazzarini, dass sie sich von Frauen sexuell angezogen fühlt, und eben nicht von Männern.

Sie erzählte ein paar Mitschülern von ihrer Homosexualität – und erntete fatalerweise Unverständnis, Hohn und Ablehnung. „Sie konnten es nicht verstehen, nicht nachvollziehen und sie sind mir danach aus dem Weg gegangen“, sagt Lazzarini.

Es dauerte nicht lange, da machten Lazzarinis Neigungen die Runde in der Schule. Immer wieder wurde ihr verletzender Spott entgegengeschleudert. „Das war hart. Ich habe mich gefühlt, als wäre ich nicht richtig, als wäre ich eine Außerirdische, als wäre ich falsch“, sagt die heutige Medizinstudentin. Dass Homosexualität im Unterricht nicht thematisiert und als normal dargestellt wurde, machte die Situation nicht einfacher.

Die Sorge, es ihrer Familie zu erzählen war groß

Diese bohrende Negativität, die sie als Jugendliche damals erfuhr, hinterließ Narben, – seelische und körperliche. Lazzarini traute sich zunächst nicht, sich ihrer Familie zu öffnen, weil „das noch einmal ein großer Schritt ist, weil Familie einem mehr bedeutet als manche Freunde. Ich wusste nicht, wie meine Familie darauf reagiert“, sagt sie heute.

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Aufgrund des gefühlt fehlenden Auswegs und des immer weiter steigenden Drucks suchte sie sich ein Ventil, und fand dies leider in der Selbstverletzung. Nach ein paar Monaten erst, fasste sich die Jugendliche dann aber doch ein Herz und brachte den Mut auf, ihrer größeren Schwester von ihrer Homosexualität zu erzählen.

Die positive Reaktion ihrer Schwester, das darauffolgende Gespräch mit ihrer Familie und eine zweijährige Therapie waren Meilensteine für Lazzarini auf dem Weg zur Selbstliebe. Denn dadurch erfuhr sie zum ersten Mal externe Akzeptanz ihrer sexuellen Neigung und keinerlei sich daraus ergebene Veränderung im zwischenmenschlichen Verhältnis.

Bei Blau Weiß Mintard waren die Reaktionen in der Mannschaft eine Erleichterung

Lazzarini spielte zu der Zeit bereits Fußball bei Blau-Weiß Mintard, hatte sich dort allerdings noch nicht geoutet. Im Sommer kickte sie stets mit langärmligen Shirts, um ihre Arme zu bedecken. Fragen wie die, ob ihr kalt sei, lächelte sie einfach weg.

„Irgendwann bin ich auf meinen Trainer, Torsten Eichholz, zugegangen und habe ihm erzählt, dass ich es der Mannschaft sagen möchte. Ich habe mich beim Klub sehr wohl gefühlt und er ist auch sehr gut damit umgegangen“, sagt Lazzarini.

Kurz darauf habe Eichholz „mit den anderen in der Kabine gesprochen, ich habe draußen gewartet. Danach kamen ein paar Mädels raus und haben richtig geweint, weil sie es nicht erwartet hatten, dass ich mich verletzt hatte, weil ich auch da schon so ein fröhlicher Mensch war. Sie waren sehr schockiert. Aber nicht darüber, dass ich auf Frauen stehe, das war überhaupt kein Thema“, sagt Lazzarini.

Heute empfindet Elena Lazzarini Selbstliebe

Und in der Mannschaft wurde es auch nie zu einem Thema, Lazzarinis Gedanken drehten sich indes weiterhin – allerdings in extrem abgespeckter Form.

„Ich war die, die mir einen Kopf gemacht hat. Zum Beispiel habe ich mich auch jahrelang nicht mit den anderen in der Kabine geduscht. Ich bin immer verschwitzt nach Hause gefahren und habe da geduscht. Das lag daran, dass ich dachte, die anderen Mädels finden es doof und denken, dass ich sie angaffe“, so Lazzarini. Sie suchte deshalb auch einmal das Gespräch mit Mintards Kapitänin Luisa Buschmann, die ihr daraufhin diese Sorge mit verständnisvollen Worten nehmen konnte.

Auch wenn Lazzarini in der Kabine selbst „heute noch vorsichtig ist, dass niemand etwas Falsches denkt“, fühlt sie sich beim Fußballverein absolut wohl und akzeptiert, und ist mittlerweile in der Lage, sich selbst zu lieben. Einen großen Anteil daran hat ihre feste Freundin, mit der sie seit zweieinhalb Jahren liiert ist. „Sie hat mir sehr geholfen, dass ich mich akzeptieren kann und mir ihr zum Beispiel auch in der Öffentlichkeit Händchen halten kann“, so Lazzarini.

Im Alltag gibt es immer noch Sprüche - beim Fußball nicht

Während es beim Fußball keinerlei Sprüche gegeben habe, käme das in Alltagssituationen durchaus vor. Immer wieder würden Männer – und bisher nicht einmal eine Frau – dem Paar Obszönitäten hinterherrufen. „Es sind Sachen, die gehen unter die Gürtellinie. Es kommen häufig sexualisierte Sprüche. Alle denken, Deutschland sei so ein tolerantes Land. Aber das ist es nicht, das merkt man, wenn man selbst in der Situation ist und sieht, wie manche Menschen eingestellt sind“, sagt Lazzarini.

Dabei sei es bei Frauen sogar noch einfacher, denkt die 22-Jährige – sowohl beim Sport als auch im Alltag. „Ich glaube, dass Lesben mehr akzeptiert, aber auch mehr sexualisiert sind. Schwul zu sein, ist wie ein Angriff für die Männer, das Wort wird zum Beispiel noch häufiger als Beleidigung benutzt.“

"Man sollte dazu stehen, wer man ist. Was andere über einen denken, ist vollkommen egal"

Doch gibt und gab es schon immer homosexuelle Menschen. Es ist Normalität, auch wenn das in Teilen der Gesellschaft bis heute nicht angekommen zu sein scheint.

Lazzarini: „Obwohl ich teilweise eine schlechte Zeit hatte und negatives erfahren habe, würde ich mich immer wieder outen. Man sollte dazu stehen, wer man ist. Was andere über einen denken, ist vollkommen egal. Die Hauptsache ist, dass man mit sich selbst im Reinen ist. Niemand ist allein.“

Info: Wer selbst homosexuell ist, aber damit noch nicht umgehen kann, kann sich bei vielen verschiedenen Gruppen und Vereinen melden. Beispiele sind das queere Jugendzentrum Puls in Düsseldorf oder auch das Selbsthilfe-Büro in Mülheim an der Ruhr.

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