Mülheim. Rennsimulationen werden dem echten Motorsport immer ähnlicher. Seit dem letzten Jahr setzt auch der Automobilclub Mülheim auf Sim-Racing.

Entspannt lässt sich Jan Schmitz auf dem Fahrersitz nieder. Er startet den Motor seines Porsche Cayman GT 4 und rollt langsam durch die Boxengasse. Erst nach dem Herausfahren gibt er Gas und rast auf die Rennstrecke in Mugello. Dabei befindet sich der 21-Jährige allerdings nicht wirklich in Italien und auch nicht in einem Sportwagen sondern in einem umgebauten Büroraum an der Dümptener Schultenhofstraße. Er gehört zum neuen E-Racing-Team des Automobilclubs Mülheim. Die Simulation wird einem echten Rennen aber immer ähnlicher.

Lenkrad, Pedale, Sportsitz, Rennhandschuhe – Vieles fühlt sich wie in einem echten Rennauto an. Schmitz schaut während seiner „Fahrt“ auf drei Bildschirme, mit denen er nicht nur einen Panoramablick auf die Strecke genießt, sondern auch beide Außenspiegel einsehen kann. „Das ist längst kein bloßes Daddeln mehr“, sagt Christian Freyer, Pressesprecher des AC Mülheim.

E-Racer sprechen von Simulation – nicht vom Spiel

Daher sprechen die E-Racer auch von einer Simulation und nicht von einem Spiel. Laut Freyer liegt der Realismusgrad mittlerweile bei 85 bis 90 Prozent. Nicht umsonst hätten fast alle bekannten Rennserien mittlerweile ihre E-Sport-Abteilungen. Fahrphysik und Setup sind die gleichen wie im echten Rennsport.„Einfach reinsetzen funktioniert nicht“, sagt Jan Schmitz, einer der aktuell drei Fahrer des jungen Mülheimer Teams. Ein gewisses Fahrverständnis wird vorausgesetzt.

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„Auch Formel-1-Fahrer nutzen den Simulator, um die Strecken kennen zu lernen“, weiß Jan Schmitz und nennt als Beispiel den Engländer Lando Norris, der in der vergangenen Saison für McLaren gefahren ist. Selbst für Basisabstimmungen im „echten“ Rennsport wird die Simulation mittlerweile genutzt. Es sei zum unverzichtbaren Hilfsmittel geworden. „Wer regelmäßig den Simulator nutzt, hat einen Vorteil demjenigen gegenüber, der sofort ins Rennauto steigt“, glaubt Jan Schmitz.

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Offizielle Anerkennung als Motorsport

Der größte Schritt war aber zweifelsohne, als der Deutsche Motorsportbund das sogenannte Sim-Racing 2018 als Motorsport anerkannte. „Da kann mittlerweile richtig Geld mit verdient werden“, sagt Marcus Schmitz, der schon seit 2005 Rennsimulationen spielt und später auch seinen Sohn Jan damit angesteckt hat.

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Im dritten Jahr organisieren der ADAC Mittel- und Nordrhein nun Meisterschaften im E-Sport-Bereich. Der Automobilclub Mülheim ist seit letztem Jahr dabei und hofft freilich auch, damit junge Menschen für sich begeistern zu können. „Die Leute suchen nach anderen Möglichkeiten, Motorsport zu betreiben“, sagt der stellvertretende Vereinsvorsitzende Peter Brings.

Teams sind über Server miteinander verbunden

Verein bietet auch echten Rennsport an

Der Automobilclub Mülheim bietet aber auch weiterhin „echten“ Motorsport an. Am 20. Juni steigt in Weeze die jährliche Slalom-Veranstaltung des ACM. Mit 120 Startern ist sie eine der größten Veranstaltungen im ADAC Nordrhein.

Mit dem Duisburger Lance David Arnold ist ein Profi, der vor allem 24-Stunden-Rennen fährt, Mitglied des Mülheimer Vereins.

Wer Interesse am Rennsport hat – ob am echten oder am virtuellen – kann über die Facebookseite „Automobilclub Mülheim“ Kontakt aufnehmen.

Aktuell fahren Vater und Sohn Schmitz sowie Patrick Waschk in der zweiten Liga des ADAC Digital Cups. Dieser Wettbewerb ist gleichzusetzen mit einem Markenpokal. Das heißt: die Autos sind gleich. In diesem Fall wird mit Porsche Cayman GT 4 gefahren. In Liga zwei bleibt es größtenteils bei den Basiseinstellungen, während in der ersten Klasse noch jede Menge technische Details verändert werden können.

Die Rennen werden in einem Center durchgeführt, in dem mehrere Simulatoren zur Verfügung stehen. Die Mülheimer starten in Düsseldorf, es gibt aber deutschlandweit mehrere solcher Center. Da die Rennserie über einen Server des ADAC durchgeführt wird, brauchen auch nicht alle Teams an einem Ort versammelt zu sein.

Fünf Rennen und ein Testtag pro Saison

Ein Wettkampftag besteht aus einer Stunde Training, acht Minuten Qualifying, 25 Minuten Einzelrennen und 50 Minuten Teamrennen, in dem sich die Fahrer abwechseln können. Ein Teammitglied darf maximal 35 Minuten am Stück fahren. Zu einer Saison gehören fünf Rennen auf dem Red Bull Ring in Österreich, auf dem Nürburgring, in Mugello, Laguna Seca und Spa sowie ein Testtag. Die Tatsache, dass in dieser Saison zwei Gruppen der zweiten Liga gegründet wurden, zeigt den Zulauf.

Der AC Mülheim liegt aktuell auf dem zweiten Platz. „Wir liebäugeln ein bisschen mit der ersten Liga“, sagt Marcus Schmitz. Es wäre ein schneller Aufstieg des Sim-Racing in Mülheim.